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10.333 sKt.Iv. AG. Nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

français

Bericht der Staatspolitischen Kommission vom 19. August 2011
Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 20. Mai 2011 die vom Kanton Aargau am 14. September 2010 eingereichte Initiative vorgeprüft.

Die Standesinitiative verlangt, die gesetzlichen Grundlagen zu erarbeiten, damit im öffentlichen Raum das Tragen von Kleidungsstücken, die das Gesicht ganz oder hauptsächlich verhüllen, verboten wird.


Antrag der Kommission

Die Kommission beantragt mit 12 zu 10 Stimmen, dem Ständerat zuzustimmen und der Standesinitiative keine Folge zu geben. Eine Kommissionsminderheit (Geissbühler, Egger, Fehr Hans, Joder, Perrin, Rutschmann, Schibli, Schlüer, Schmidt Roberto, Streiff) beantragt, der Initiative Folge zu geben.

Berichterstattung: Stöckli (d), Hiltpold (f)




Im Namen der Kommission
Der Präsident: Yvan Perrin

1. Text
2. Stand der Vorprüfung
3. Erwägungen der Kommission

1. Text

Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung reicht der Kanton Aargau folgende Standesinitiative ein:
Die Bundesversammlung wird eingeladen, die rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten, damit im öffentlichen Raum das Tragen von Kleidungsstücken, die das Gesicht ganz oder hauptsächlich verhüllen, unter entsprechender Strafandrohung bei Missachtung untersagt wird. Dabei sind die notwendigen Ausnahmen (gesundheitliche und sicherheitsrelevante Gründe, Winterbekleidung sowie das einheimische Brauchtum) zu berücksichtigen.


2. Stand der Vorprüfung

Der Ständerat beschloss am 9. März 2011 mit 24 zu 4 Stimmen auf Antrag seiner Kommission, der Standesinitiative keine Folge zu geben. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates hatte anlässlich ihrer Vorprüfung vom 20. Januar 2011 eine Vertretung des Kantons Aargau angehört.


3. Erwägungen der Kommission

Die Kommission erachtet die Einführung eines nationalen Verhüllungsverbots im öffentlichen Raum für unverhältnismässig.
Die Verhüllung aus religiösen Gründen stellt im täglichen Leben kein wirkliches Problem dar, weil sie von Musliminnen in der Schweiz kaum praktiziert wird. Bei Kontakten mit den Behörden ist es selbstverständlich, dass sich die betreffenden Frauen ausweisen und ihr Gesicht enthüllen. Ein Verbot des Niqab oder der Burka hätte zur Folge, dass sich die wenigen Trägerinnen vermehrt in ihre Privatsphäre zurückziehen und dadurch ihre gesellschaftliche Integration zusätzlich erschwert wird. Zudem hätte ein Verhüllungsverbot eine negative Signalwirkung gegenüber Touristinnen und Touristen aus islamischen Ländern, die von einem Besuch der Schweiz abgehalten werden könnten.
Auch mit Blick auf die Vermummung von Demonstrantinnen und Demonstranten steht die Kommission einem nationalen Verbot ablehnend gegenüber. Ein solches wäre ein Eingriff in die verfassungsmässige Zuständigkeit der Kantone. Verschiedene Kantone und Städte haben bereits entsprechende Verbote eingeführt, und deren Einführung soll auch weiterhin im Ermessen dieser staatlichen Ebenen liegen. Die mit einem Vermummungsverbot gemachten Erfahrungen zeigen allerdings, dass dieses nur sehr schwer durchgesetzt werden kann. In Analogie zum Beschluss des Ständerates beantragt die SPK-NR daher, der Standesinitiative keine Folge zu geben.
Die Minderheit der Kommission spricht sich für ein nationales Verhüllungsverbot aus, weil Personen, die sich im öffentlichen Raum bewegen, erkennbar und identifizierbar sein sollen.
Einerseits werde durch ein solches Verbot die Sicherheit an Demonstrationen erhöht und im Falle von allfälligen gewalttätigen Auseinandersetzungen oder Sachbeschädigungen die Arbeit der Ordnungskräfte erleichtert. Andererseits werde mit einem Verbot religiös motivierter Verhüllung ein Beitrag zur Gleichstellung der Frauen und zu ihrer gesellschaftlichen Integration geleistet.


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