Die NEAT-Aufsichtsdelegation (NAD) verabschiedete am 19. März 2007 den Bericht ihrer Arbeitsgruppe, die sie am 2. Oktober 2006 zur Klärung von Vorwürfen im Zusammenhang mit der Vergabe des Bauloses Erstfeld eingesetzt hatte.

Gegenstand der Abklärungen

Nachdem sich die NEAT-Aufsichtsdelegation (NAD) bereits mehrfach mit den Problemen beim Baulos Erstfeld beschäftigt hatte, setzte sie am 2. Oktober 2006 eine Arbeitsgruppe ein. Diese hatte den Auftrag, verschiedene Vorwürfe im Zusammenhang mit der Vergabe bei diesem Los zu klären und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.

Bei ihren Abklärungen befasste sich die Arbeitsgruppe auch mit den Vorwürfen von Ständerat Jenny, welche dieser in seiner dringlichen Interpellation vom 19. September 2006 und in seinen Ausführungen anlässlich der Herbstsession 2006 in Flims formuliert hatte. Im Hinblick auf das Ziel, Lehren für die Zukunft zu erarbeiten, erweiterte die Arbeitsgruppe die Fragestellung ihrer Abklärungen namentlich bezüglich der laufenden Revisionsarbeiten des öffentlichen Beschaffungswesens, der noch bevorstehenden Vergaben an der Gotthard-Achse der NEAT und der Rolle der Aufsichtsorgane des Bundes.

Würdigung der NAD

Entscheidender Schwachpunkt dieser Vergabe war die Reduktion des Verzweigungsbauwerkes Uri Berg lang während des Verfahrens. Dass die ATG eine zu diesem Zeitpunkt abschätzbare Projektänderung in der Ausschreibung nicht berücksichtigte, erst nachträglich korrigierte und die Ausmassreduktionen auch noch selber berechnete, führte zu Problemen. Die aufgrund eines nachträglichen Angebots eines Anbieters in die Wege geleitete „Abgebotsrunde" war zwar rechtens, aber es ist nachvollziehbar, dass der Eindruck entstehen konnte, die Spielregeln der Vergabe seien nach eigenem Gutdünken abgeändert worden.

Als problematisch erachtet die NAD das hier zur Anwendung gelangte zweistufige Verfahren (Guillotine-Prinzip), weil dadurch das Prinzip des wirtschaftlichsten Angebotes beeinträchtigt werden kann.

Als nicht optimal erachtet die NAD auch das Vorgehen der ATG nach dem ersten Beschwerdeentscheid. Dass gewisse Schriftstücke erst auf Verlangen der Eidg. Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen (BRK) nachgereicht wurden, erweckt den Eindruck, man habe die Anforderungen beim Umgang mit einer richterlichen Instanz etwas unterschätzt. Auch die Sensitivitätsanalysen nach dem ersten Beschwerdeentscheid erscheinen im Lichte der vor der dritten Vergabe deutlich umfassender erfolgten Abklärungen als ungenügend. Allerdings ist die Meinung der ATG nachvollziehbar, dass die BRK tief in ihr Ermessen eingriff.

Das Vorgehen der ATG, die Bearbeitung der zweiten Beschwerde und die Vorbereitung der dritten Vergabe an bisher nicht direkt an diesem Geschäft beteiligte Personen zu übertragen, wertet die NAD positiv. Die Arbeit der eingesetzten Experten fiel umfassender und tiefer gehend aus als bei der ersten Beschwerde. Vermutlich waren die Problematik und die Brisanz des ersten Beschwerdeentscheides von der ATG etwas unterschätzt worden.

Die NAD erachtet die Zuständigkeiten bei der Realisierung der NEAT als grundsätzlich richtig definiert. Der Bund hat die Kompetenzen bei den Vergaben vollständig an die Ersteller abgetreten. Es ist aber zu prüfen, ob die Aufsichtsbehörde - Bundesrat, Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation sowie Bundesamt für Verkehr- ihre Aufsicht in ausserordentlichen Situationen aktiver wahrnehmen sollten.

Die von Ständerat Jenny formulierten Vorwürfe sind rechtlich nicht haltbar. Das Vergabeverfahren wickelte sich im Rahmen der rechtsstaatlichen Abläufe ab. Die Spielregeln wurden während der Ausschreibung nicht geändert. Auch für den Verdacht, dass persönliche Aspekte von Betroffenen eine Rolle gespielt haben, fand die NAD keine Hinweise. Nachvollziehbar erscheint, dass das Vorgehen der ATG in verschiedenen Verfahrensschritten - besonders beim Verzweigungsbauwerk Uri Berg lang - als suboptimal und als unsensibel empfunden werden kann. Auch ist das nachträgliche Angebot von Murer-Strabag aussergewöhnlich und verleitete die ATG zu nicht geplanten Schritten. Die Kommunikation zwischen ATG und BAV bei der Reduktion des Verzweigungsbauwerkes verlief nicht optimal.

Auch die beiden Entscheide der BRK werfen durchaus einige Fragen auf. Vor allem entsteht der Eindruck, die BRK habe stark in das Ermessen der Vergabebehörde eingegriffen, obwohl sie darauf verzichtete, selber in der Sache zu entscheiden. Ausserdem trug die BRK den volkswirtschaftlichen Interessen bei der Gewährung der aufschiebenden Wirkung zu wenig Rechnung.

Die NAD erachtet es als sehr wichtig, aus der Vergabe des Loses Erstfeld Lehren zu ziehen. Sie hat aufgrund ihrer Abklärungen zwölf Empfehlungen formuliert. Zudem wird die NAD der Verwirklichung dieses Bauloses, namentlich bezüglich Vermeidung von Mehrkosten, ein besonderes Augenmerk widmen.

Lehren für die Zukunft

Der ATG empfiehlt die NAD namentlich, bei derart komplexen Losen auf Globalofferten, auf das zweistufige Verfahren (Guillotine-Prinzip) und auf Abgebotsrunden zu verzichten. Dem UVEK empfiehlt die NAD, die Kommunikation zu verbessern und zu prüfen, wie die Aufsicht sowie Einflussnahme in ausserordentlichen Situationen aktiver wahrgenommen werden kann. Und im Hinblick auf die Revision des Beschaffungsrechtes des Bundes formuliert die NAD verschiedene Empfehlungen bezüglich Offertöffnung, Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes, Berücksichtigung öffentlicher Interessen und Abbruch des Verfahrens.

Bern, 23.03.2007    Parlamentsdienste