Wer welchen Rang einnimmt ist im Protokollreglement geregelt. Die Anordnung stösst bisweilen auf Kritik, wie jüngst bei Ständerat Andrea Caroni (AR). Er sieht die verfassungsmässige Gleichstellung von National- und Ständerat verletzt. Mit diesem Blogbeitrag schaffen wir einen Überblick über die protokollarische Rangordnung in der Schweiz.


Eine protokollarische Rangordnung oder Protokollreglement ist eine Liste, welche in einem Staat verschiedene Träger hoher Staatsämter nach ihrer Bedeutung nach anordnet.

In der Geschichte

Früher in der Geschichte wurde dieses Protokoll meistens sehr genau durch die Regeln der verschiedenen Hofzeremonielle / Hofettikette der jeweiligen Fürstenhöfe geregelt und war ziemlich kompliziert und umfangreich. So z.B. wurde im Topkapi-Palast in Istanbul - dem wunderschönen ehemaligen Wohn- und Regierungssitz der osmanischen Sultane (1478-1853 / heute ein Museum) - der Zugang zum eigentlichen Hof strikt reglementiert und dadurch die bis zu 5000 Palastbewohner streng organisiert und hierarchisiert.

Bei den heutigen modernen Republiken wird diese protokollarische Rangordnung häufig flexibler gehandhabt und es geht dabei nur noch um zeremonielle Zwecke (z.B. wer bei offiziellen Reden zuerst anzusprechen ist oder wer beim Bankett wo sitzen darf/muss).

Gerade beim diplomatischen Protokoll haben diese Regeln aber auch heute noch ihre Bedeutung, denn damit sollen unnötige Streitigkeiten vermieden und eine angenehme Atmosphäre für politische Verhandlungen geschaffen werden.

Ein schweizerisches Protokollreglement

Auch die Schweizerische Eidgenossenschaft kennt seit 1948 ein solches Protokollreglement. Das für diese Fragen verantwortliche Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) regelt darin verschiedene Protokoll- und Zeremoniellfragen, bestimmt dadurch die offizielle protokollarische Rangordnung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und gewährleistet auch die Koordination mit den übrigen Departementen und den Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden.

Es wurde seitdem fünfmal revidiert - das letzte Mal genehmigte der Bundesrat am 29. September 2017 das neue Protokollreglement der Schweizerischen Eidgenossenschaft: zum Protokollreglement. Bei dieser letzten Revision wurde die gültige Rangordnung angepasst, um die Bedeutung der Präsidentinnen und Präsidenten sowie der Mitglieder der beiden Räte aufzuwerten. So rückten beispielsweise die Nationalrätinnen und Nationalräte auf Rang 9 (vorher 14) und die Ständerätinnen und Ständeräte auf Rang 10 (vorher 15) vor. Zu beachten ist, dass gemäss diesem Protokollreglement nicht - wie verbreitet angenommen - der Nationalratspräsident / Nationalratspräsidentin (aufgrund seiner Funktion als Präsident der Vereinigten Bundesversammlung), sondern der jeweils amtierende Bundespräsident / Bundespräsidentin (2018: BR Alain Berset) des Kollegialgremiums Bundesrat das protokollarisch höchste Amt innehat.

Da dieses Protokollreglement auch für die Mitglieder der Bundesversammlung gültig ist, wurde die neuste Version nach dreijähriger Beratung am 1. September 2017 auch von der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung gutgeheissen.

 

Für offizielle Besuche ist alles ganz klar geregelt. Hier: offizieller Besuch des österreichischen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka, gemeinsames Arbeitsessen.


Wenn das Protokollreglement auf Kritik stösst

Verschiedene politische Diskussionen und Vorstösse zeigen, dass es bei dieser protokollarischen Rangordnung der Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht nur um unwichtige Theorie geht, und dass auch in der Zukunft weitere Veränderungen in diesem Bereich möglich sind.

Als letzter reichte Ständerat Andrea Caroni aus Appenzell Ausserrhoden am 30. Mai 2018 eine Anfrage an den Bundesrat zu diesem Thema ein (18.1023 – «Verfassungswidrige Benachteiligung des Ständerates»). Darin kritisiert er, dass der Bundesrat mit dem am 29.09.2017 genehmigten Protokollreglement die Gleichbehandlung der beiden Kammern und ihrer Mitglieder der Bundesversammlung verletze: Die Bundesverfassung (Artikel 148 Absatz 2 der BV) verlange, dass die Mitglieder des Ständerates (Rang 10 im Protokollreglement) im gleichen Rang stehen würden wie die Mitglieder des Nationalrates (Rang 9 im Protokollreglement). Unproblematisch hingegen sei der Vorrang des Nationalratspräsidenten vor dem Ständeratspräsidenten.

In seiner Antwort vom 15.08.2018 auf diese Anfrage (siehe Link oben) erklärt der Bundesrat wie es historisch zu dieser Ungleichbehandlung zwischen Mitgliedern des Ständerates und Mitgliedern des Nationalrates gekommen ist («Grund für die unterschiedliche Behandlung ist wahrscheinlich der Vorrang des Nationalratspräsidenten, der die Bundesversammlung präsidiert, vor dem Ständeratspräsidenten») und dass er bei kommenden Revisionen des Eidgenössischen Protokollreglements bereit sei eine entsprechende Anpassung zu prüfen.

Bild im Header: Andrea Caroni und weitere Ständeräte an ihrem Sitz im Nationalratssaal


Folgende Textstellen des Protokollreglements sind für die Institutionen und Mitglieder der Bundesversammlung relevant:

S. 10 - XVI. Reihenfolge der Rednerinnen und Redner
Die ranghöchste Rednerin oder der ranghöchste Redner spricht in der Regel zuletzt.

S. 10 ff. - XVII. Rangfolge
1. Allgemeine Bemerkungen:
Die bei offiziellen Anlässen einzuhaltende Rangfolge ist in den folgenden Listen und Tabellen aufgeführt (…) Bei gleicher Funktion sind in der Regel der Titel, das Datum des Dienstantritts, das Dienstalter und das Alter massgebend. Partnerinnen und Partner haben grundsätzlich denselben Rang. (…)

5. Offizielle Anlässe:
1. Gesamtbundesrat
a) Bundespräsidentin oder Bundespräsident
b) Vizepräsidentin oder Vizepräsident des Bundesrats
c) Bundesrätinnen und Bundesräte gemäss Datum ihrer Wahl durch die Bundesversammlung
2. Präsidentin oder Präsident des Nationalrats
3. Präsidentin oder Präsident des Ständerats
4. Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler
5. Präsidentin oder Präsident des Schweizerischen Bundesgerichts
6. alt Bundesrätinnen und alt Bundesräte
7. Präsidentinnen und Präsidenten der Kantonsregierungen gemäss Reihenfolge in der Bundesverfassung (Art. 1)
8. Apostolischer Nuntius, gefolgt von den in Bern akkreditierten Botschafterinnen und Botschafter
9. Nationalrätinnen und Nationalräte
10. Ständerätinnen und Ständeräte
(…)
19. Übrige Gäste
Wird die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Nationalrats oder die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident des Ständerats statt der Präsidentin oder des Präsidenten abdelegiert, so übernimmt diese oder dieser in der Rangfolge die entsprechende Position. (…)