Der Nationalrat und der Ständerat in Kürze

Bern (sda)

SESSIONSENDE: Die eidgenössischen Räte haben am Freitag die Herbstsession abgeschlossen. 13 Vorlagen kamen parlamentarisch unter Dach und Fach, darunter der Gegenvorschlag zur Initiative für einen Vaterschaftsurlaub, der für Väter nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub vorsieht. Gegen drei Vorlagen sind bereits Referenden angekündigt. Es handelt sich um die Vorlage zu Steuerabzügen für die Drittbetreuung von Kindern mit einem höheren allgemeinen Kinderabzug, das Jagdgesetz mit gelockertem Wolfsschutz und das Gesetz für die Schaffung einer E-ID.

LEGISLATURENDE - NATIONALRAT: Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (SP/TI) hat zum Ende der Legislatur die 29 Ratsmitglieder verabschiedet, die am 20. Oktober nicht zur Wiederwahl antreten. Sie hob bei jeder und jedem Eigenheiten hervor - von der tiefen Stimme bis zur klaren Haltung. Mit der Verabschiedung endete für Carobbio das Jahr als Nationalratspräsidentin. Sie liess es mit Harfenklängen im Ratssaal ausklingen.

LEGISLATURENDE - STÄNDERAT: Musikalisch umrahmt vom Duo "In Luce", hat der Ständerat die Legislatur beendet und von seinen scheidenden Mitgliedern Abschied genommen. Fast die Hälfte der 46 Ständerätinnen und Ständeräte, nämlich 19, treten im Oktober nicht zur Wiederwahl an. Der ebenfalls aus dem Rat ausscheidende Präsident Jean-René Fournier (CVP/VS) strich in seiner Abschiedsrede die Bedeutung des Zweikammersystems hervor. Anschliessend verabschiedete er jedes einzelne zurücktretende Ratsmitglied.

LEBENSMITTEL: Der Bundesrat soll die Einführung eines Verfalls- statt eines Mindesthaltbarkeitsdatums auf Lebensmitteln prüfen. Das verlangt der Nationalrat mit einem stillschweigend überwiesenen Postulat von Nadine Masshardt (SP/BE). 45 Prozent der gesamten Lebensmittelverschwendung fielen im Privathaushalt an - nicht zuletzt, weil vermeintlich abgelaufene Lebensmittel nicht mehr verzehrt würden, die eigentlich noch geniessbar wären, argumentierte die Postulantin. Der Bundesrat ist bereit, das Anliegen im Rahmen der Ausarbeitung des Aktionsplans zur Reduktion der Lebensmittelabfälle anzuschauen.

GESUNDHEIT: Der Nationalrat will die Erforschung der Verbreitung der Antibiotikaresistenzen bei Mensch, Tier und in der Umwelt weiter vorantreiben. Er hat eine Motion von Maya Graf (Grüne/BL) mit diesem Anliegen stillschweigend angenommen. Der Vorstoss verlangt die Verstärkung der sogenannten One-Health-Strategie des Bundes. Damit gemeint ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Veterinär- und Humanmedizin. Der interdisziplinäre Forschungsansatz soll Ressourcen einsparen. Der Bundesrat ist mit dem Anliegen der Motion einverstanden, da er diese Strategie bereits verfolgt. Zur Motion äussert sich nun noch der Ständerat.

HÄUSLICHE GEWALT: Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat einen Bericht zu Tötungsdelikten an Frauen im häuslichen Umfeld. Darin sollen Ursachen erforscht und Massnahmen dagegen skizziert werden. Ein Postulat von Maya Graf (Grüne/BL) wurde stillschweigend angenommen. Laut dem Bundesrat führt das Bundesamt für Statistik (BFS) aktuell eine von 2019-2024 angelegte Zusatzerhebung bei sämtlichen Tötungsdelikten der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) durch. Die Ergebnisse würden voraussichtlich 2025 in einem Bericht publiziert und danach mit den Kantonen diskutiert.

KINDERRECHTE I: Der Bundesrat muss eine Evaluation durchführen zur in den Kantonen angewendeten Praxis zur Mediation und Intervention bei Streitigkeiten innerhalb getrennter Familien. Das fordert der Nationalrat mit einem stillschweigend überwiesenen Postulat von Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO). Er regt an, das aus seiner Sicht komplexe System von heute mit geteilter Zuständigkeit von Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) und Gerichten zu vereinfachen, sodass keine Kinder über längere Zeit zum Spielball von Konflikten werden. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates.

KINDERRECHTE II: Der Bundesrat muss in einem Bericht darlegen, wie die Beurteilung von Kinderbelangen schweizweit einheitlich geregelt werden kann. Diesen Auftrag erhielt er vom Nationalrat, der ein entsprechendes Postulat von Pirmin Schwander (SVP/SZ) stillschweigend angenommen hat. Das Ziel des Postulanten: Alle Kinder sollen vor Bundesgericht die gleichen Rechte haben, unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Anlass für diese Anregung bildet der Umstand, dass für die Entscheidung über Kinderbelange in den Kantonen teilweise eine Kindesschutzbehörde, teilweise ein Gericht zuständig ist.

SPRACHEN: Der Bundesrat soll die rechtliche Anerkennung der drei Schweizer Gebärdensprachen prüfen, um diese zu schützen und zu fördern. Dieser Meinung ist der Nationalrat. Er hat vier entsprechende Postulate stillschweigend überwiesen. Die Vorstösse eingereicht hatten Regula Rytz (Grüne/BE), Mathias Reynard (SP/VS), Christian Lohr (CVP/TG) und Marco Romano (CVP/TI). In der Schweiz leben rund 10'000 Gehörlose und eine Million Hörbehinderte. Der Bundesrat zeigte sich bereit, den Bericht zur nationalen Behindertenpolitik dahingehend zu ergänzen, dass die Anerkennung der Gebärdensprache und die Förderung der Gehörlosenkultur erwähnt wird.

BERGGEBIETE: Der Nationalrat verlangt einen Aktionsplan mit konkreten Umsetzungsmassnahmen zur Konkretisierung der Politik des Bundes für die ländlichen Räume und Berggebiete. Ein solcher soll alle vier Jahre aktualisiert werden. Eine Motion von Thomas Egger (CSP/VS) mit diesem Anliegen hat die grosse Kammer stillschweigend angenommen. Der Vorstoss, der auch vom Bundesrat unterstützt wird, geht an den Ständerat. Seit 2015 verfügt der Bund erstmals über eine Politik für die ländlichen Räume und Berggebiete. Er ermöglicht es laut der Regierung, die bereits bestehenden Fördermassnahmen zugunsten des Berggebietes verstärkt aufeinander abzustimmen und auf die raumwirksamen Tätigkeiten auszurichten.

AGGLOMERATIONEN: Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat einen Bericht über die besonderen Herausforderungen der Agglomerationen. Er hat ein entsprechendes Postulat von Philipp Kutter (CVP/ZH) stillschweigend angenommen. Der Bundesrat opponierte nicht. Gemäss seiner Antwort auf den Vorstoss wird die Agglomerationspolitik des Bundes ab 2022 neu evaluiert. Mit dem Postulat würden die geplanten Arbeiten unterstützt.

ZIVILRECHT: Der Nationalrat ist für die elektronische Aufbewahrung von Verlustscheinen. Er hat eine entsprechende Motion von Doris Fiala (FDP/ZH) stillschweigend angenommen. Ein Verlustschein ist die amtliche Bescheinigung, dass eine Forderung am Ende des Betreibungs- oder Konkursverfahrens unbezahlt geblieben ist. Heute müssen solche Scheine in Papierform aufbewahrt werden, um ihren Wert zu behalten. Da gesamtschweizerisch Millionen von Verlustscheinen aufbewahrt würden, entstünden erhebliche Kosten für die Aufbewahrung dieser Dokumente, argumentierte Motionärin Fiala. Auch der Bundesrat ist mit der Digitalisierung von Verlustscheinen einverstanden. Als nächstes entscheidet der Ständerat über den Vorstoss.

UMWELT I: Der Bundesrat soll in einem Bericht darlegen, mit welchen konkreten Massnahmen die Land- und Ernährungswirtschaft ihr Klima-Sektorziel zur Erreichung des Pariser Klimaabkommens umsetzen kann. Das fordert der Nationalrat mit einem stillschweigend überwiesenen Postulat von Maya Graf (Grüne/BL). Der Bundesrat schlägt für den Sektor Landwirtschaft einen inländischen Reduktionsbeitrag von 20 bis 25 Prozent für das Jahr 2030 gegenüber dem Basisjahr 1990 vor. Er will im Rahmen der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 aufzeigen, mit welchen Massnahmen diese Zielvorgabe erreicht werden könnte.

UMWELT II: Der Nationalrat plädiert für eine effiziente Integration erneuerbarer Energien in die Stromnetze. Er hat eine Motion von Bernhard Guhl (BDP/AG) stillschweigend angenommen. Das Ziel des Motionärs ist, einen Anstieg der Netztarife aufgrund der Netzintegration der Fotovoltaik zu reduzieren. Der Bundesrat soll sich überlegen, mit welchen gesetzlichen Bestimmungen die Einspeiseleistung durch den Verteilnetzbetreiber bei Bedarf reduziert werden könnte. Die vom Bundesrat unterstützte Motion geht an den Ständerat.

UMWELT III: Der Nationalrat fordert eine effizientere Abwicklung bei der Installation von Solaranlagen. Konkret soll der Bundesrat die Option einer unbürokratischen sogenannten One-Stop-Shop-Lösung prüfen. Die grosse Kammer hat ein entsprechendes Postulat von Martin Bäumle (GLP/ZH) stillschweigend angenommen. Sein Ziel: Ein elektronisches Dossier sollte den Weg von Amtsstelle zu Amtsstelle durchlaufen und nicht der Antragsteller selber. Der Bundesrat zeigte sich mit dem Vorstoss einverstanden.

UMWELT IV: Ein Bericht des Bundesrats soll Auskunft geben über die sogenannte Kohlenstoffsequestrierung in Böden, also die Frage, wie gross das das Potenzial der Schweizer Böden ist, langfristig Kohlenstoff zu binden und zu speichern. Ein Postulat von Jacques Bourgeois (FDP/FR) mit diesem Anliegen hat der Nationalrat stillschweigend angenommen. Es gebe Potenzial, das es auszuschöpfen gelte, argumentiert der Postulant. Der Bundesrat ist gleicher Meinung. Er empfahl den Vorstoss deshalb ebenfalls zur Annahme.

ARMEE: Der Nationalrat will auf die Bildung eines Unterstützungskommandos in der Armee verzichten. Er hat eine Motion der SVP-Fraktion mit dieser Forderung stillschweigend angenommen. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen. Die Bildung eines Kommandos Unterstützung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig, schreibt er in seiner Antwort auf den Vorstoss. Die betroffenen Organisationseinheiten sowie deren Prozesse funktionierten gut und würden kontinuierlich verbessert. Falls der Ständerat die Motion auch annimmt, wäre die Verordnung über die Organisation der Armee entsprechend anzupassen.

GESUNDHEIT: Der Nationalrat betrachtet eine Motion für eine bessere Qualitätssicherung im ambulanten Gesundheitsbereich als erfüllt. Er hat den Vorstoss von Ruth Humbel (CVP/AG) deshalb abgeschrieben, auf Antrag der Gesundheitskommission. Sie hatte auf die im Juni von den Räten verabschiedete Vorlage für die Schaffung einer eidgenössischen Qualitätskommission verwiesen. Damit sei das Anliegen umgesetzt.

PETITIONEN: Die Forschung, die Herstellung und der Vertrieb von künstlichem Fleisch sollen nicht aktiv gefördert werden. Dieser Ansicht ist der Nationalrat. Er hat eine Petition mit dieser Forderung stillschweigend und oppositionslos abgelehnt. Abgelehnt hat die grosse Kammer auch noch zwei weitere Petitionen. Die eine verlangte ein angepasstes Verkehrskonzept und eine teilweise Einhausung des Bypasses Luzern, die andere forderte die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von Projekten des öffentlichen regionalen und kommunalen Verkehrs im Bereich der Automatisierung. Beide Anliegen seien auf gutem Kurs, hielt die vorberatende Verkehrskommission fest.

Parlament verabschiedet in der Herbstsession 13 Vorlagen

Bern (sda)

Mit den Schlussabstimmungen haben die eidgenössischen Räte am Freitag die Herbstsession abgeschlossen. 13 Vorlagen kamen parlamentarisch unter Dach und Fach:

mit 126 zu 66 Stimmen bei 4 Enthaltungen (Nationalrat) und 29 zu 14 Stimmen bei 2 Enthaltungen (Ständerat) der Bundesbeschluss, mit dem die Volksinitiative "Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub - zum Nutzen der ganzen Familie" zur Ablehnung empfohlen wird;

mit 129 zu 66 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 31 zu 11 Stimmen bei 3 Enthaltungen der indirekte Gegenvorschlag zur Volksinitiative für vier Wochen Vaterschaftsurlaub, der für Väter nach der Geburt eines Kindes zwei Wochen bezahlten Urlaub vorsieht;

mit 132 zu 62 Stimmen 3 bei Enthaltungen und 25 zu 17 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine Änderung im Gesetz über die direkte Bundessteuer, mit der die Abzüge für die Drittbetreuung von Kindern von 10'100 Franken auf 25'000 Franken und der allgemeine Kinderabzug bei der Bundessteuer von 6500 auf 10'000 Franken erhöht wird;

mit 117 zu 71 Stimmen bei 9 Enthaltungen und 28 zu 16 Stimmen bei 1 Enthaltungen die Änderung des Jagdgesetzes, mit der der Schutz des Wolfes gelockert wird;

mit 144 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 35 zu 2 Stimmen bei 8 Enthaltungen das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste, mit dem die Verwendung der vom Bund anerkannten E-ID für Online-Geschäfte und Behördenkontakte geregelt wird;

mit 194 zu 2 Stimmen und 43 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen die Änderungen im Urheberrechtsgesetz, mit denen das Urheberrecht ans Internet-Zeitalter angepasst und dabei der Schutz von Kulturschaffenden verbessert wird;

mit 130 zu 58 Stimmen bei 9 Enthaltungen und 31 zu 7 Stimmen bei 7 Enthaltungen die Änderung des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz (NHG), mit der die Rolle der Natur- und Heimatschutzkommission präzisiert wird;

mit 132 zu 63 Stimmen 2 bei Enthaltungen und 31 zu 11 Stimmen bei 3 Enthaltungen die Änderung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz, mit der die Unterstützung für die Sanierung belasteter Schiessstandorte verlängert wird;

mit 196 zu 1 Stimmen und 45 zu 0 Stimmen eine Änderung des Umweltschutzgesetzes, mit der das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz verboten wird;

mit 196 zu 1 Stimmen und 45 zu 0 Stimmen eine Änderung im Gesetz über Familienzulagen, mit der Ausbildungszulagen künftig schon ab 15 Jahren ausbezahlt werden;

mit 138 zu 52 Stimmen bei 7 Enthaltungen und 45 zu 0 Stimmen eine Vereinbarung der Schweiz, Norwegens, Islands und Liechtensteins mit der Europäischen Union. Damit kann sich die Schweiz an der EU-Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (eu-Lisa) beteiligen;

mit 132 zu 61 Stimmen und 41 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen das Bundesgesetz, das die finanzielle Unterstützung des Bundes an die Kantone bei der Kontrolle regelt, ob die Stellenmeldepflicht eingehalten wird;

mit 144 zu 22 Stimmen bei 31 Enthaltungen und 43 zu 0 Stimmen eine Änderung im Militärgesetz, mit der neu auch Unteroffiziere eine finanzielle Gutschrift erhalten, die sie für die zivile Ausbildung nutzen können.

Die Volksinitiative kommt direkt zur Abstimmung, sofern sie nicht zurückgezogen wird. Alle anderen Vorlagen unterstehen dem fakultativen Referendum.

Ein solches haben Umweltorganisationen zur Revision des Jagdgesetzes angekündigt. Die SP hat ein Referendum gegen das Gesetz über die direkte Bundessteuer angekündigt, wegen des erhöhten allgemeinen Kinderabzuges. Gegen das Gesetz für die Schaffung einer E-ID schliesslich hat ein Bündnis um die Digitale Gesellschaft und die Demokratie-Plattform WeCollect das Referendum angekündigt.