Nationalrat

Bern (sda)

CORONA-KREDITE: Der Nationalrat hat am Freitag dem Bundesgesetz über Kredite mit Solidarbürgschaft infolge des Coronavirus zugestimmt. Er schlägt aber in drei zentralen Punkten Änderungen vor. So soll die reguläre Rückzahlungsfrist von fünf auf acht Jahre verlängert werden. Zudem sollen die Kredite bis 2028 zinsfrei bleiben. Unternehmen, die ihre Kredite noch nicht vollständig zurückbezahlt haben, dürfen laut dem Nationalrat schliesslich keine Dividenden und Tantiemen beschliessen. Das Geschäft geht an den Ständerat.

LOBBYING: Der Nationalrat hat eine Vorlage, die den Zugang von Lobbyisten zum Bundeshaus neu regeln sollte, in der Gesamtabstimmung abgelehnt. Da sich der Nationalrat nun zwei Mal ablehnend zum Gesetzesprojekt äusserte, ist die Vorlage vom Tisch. Wirklich zufrieden war mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf keine Fraktion mehr. Ausgearbeitet hatte die Vorlage die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S). Die vorberatende Kommission des Nationalrats hatte Änderungen in zentralen Punkten vorgenommen, hinzu kamen zahlreiche Einzelanträge. In der Gesamtabstimmung lehnten die Mitte-Fraktion, SVP und ein Teil der FDP-Fraktion die Vorlage ab. SP, Grüne und Grünliberale sprachen sich für die Vorlage aus.

TABAKPRODUKTE: Wer E-Zigaretten raucht, soll künftig ebenfalls Steuern dafür zahlen müssen. Das Parlament will im Einklang mit dem Bundesrat eine Abgabe auf elektronische Zigaretten einführen. Zuerst soll aber das neue Tabakproduktegesetz bereinigt werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion aus dem Ständerat angenommen, ergänzte den Text jedoch, wodurch sich der Ständerat ein zweites Mal mit dem Geschäft befassen muss. Konkret sieht eine neue Formulierung vor, dass die Bestimmungen zur Besteuerung von elektronischen Zigaretten nicht in Kraft treten, bevor das Bundesgesetz über Tabakprodukte verabschiedet ist. E-Zigaretten sind heute aufgrund eines Parlamentsbeschlusses von der Besteuerung ausgenommen.

TERRORISMUS: Dschihad-Rückkehrer und andere Personen, bei denen Hinweise auf die Zugehörigkeit oder Unterstützung verbotener Organisationen vorliegen, sollen in Präventivhaft genommen werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion der SVP-Fraktion knapp angenommen. Diese verlangt, dass diese Personen so lange in Haft bleiben sollen, bis das das Verfahren gegen sie abgeschlossen ist. Bei der Einreise in die Schweiz soll die Inhaftierung unmittelbar erfolgen. Die Haft soll so lange dauern, bis geklärt ist, dass die Personen keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellen. Die Motion geht nun an den Ständerat.

EINKAUFSTOURISMUS: Der Nationalrat will den Einkaufstourismus bremsen. Er hat mit 115 zu 54 Stimmen bei 10 Enthaltungen einer entsprechenden Motion seiner Finanzkommission (FK-N) zugestimmt. Konkret verlangt der Vorstoss, den Mindestbetrag herabzusetzen, bis zu dem für Einkäufe im Ausland keine Mehrwertsteuer bezahlt werden muss. Diese Wertfreigrenze liegt derzeit bei 300 Franken pro Person und Tag. Neben dem Vorschlag einer tieferen Wertfreigrenze schlägt die Motion vor, die Wertfreigrenze an die Ausfuhr-Bagatellgrenze des Herkunftslandes anzupassen. Auch der Vorschlag der Kantone Thurgau und St. Gallen, wonach die Wertfreigrenze auf privaten Wareneinfuhren ganz abgeschafft werden soll, steht weiter im Raum. Der Nationalrat sprach sich mit 108 zu 60 Stimmen bei 14 Enthaltungen für zwei entsprechende Standesinitiativen aus. Die Vorstösse gehen nun an den Ständerat.

NATIONALBANK: Der Bundesrat soll einen Bericht zur Nationalbank und zum Thema Nachhaltigkeit verfassen. Dies verlangt der Nationalrat. Der Bericht soll darlegen, wie die Nationalbank den Bund bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele unterstützen könnte. Der Nationalrat hat einen entsprechenden Vorstoss der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) mit 100 zu 83 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Gegen die Annahme des Postulats stimmten FDP und SVP. Der Bundesrat beantragte Annahme des Postulats. Er wird den Bericht nun ausarbeiten.

FINANZPRODUKTE: Kapitalanlageprodukte, die eine nachhaltige, umweltverträgliche Entwicklung fördern ("Green Finance"), sollen nicht von der Verrechnungs- und der Stempelsteuer befreit werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion mit 139 zu 40 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Anlegerinnen und Anleger wollten vermehrt ökologisch sinnvolle Investitionen tätigen, hatte Ständerat Ruedi Noser (FDP/ZH) seinen Vorstoss begründet. Eine Mehrheit des Nationalrats befand jedoch, dass es unnötig sei, noch zustätzliche Anreize zu setzen und dass der Markt spiele. Der Ständerat hatte in der Wintersession 2019 die Motion angenommen. Diese ist nach dem Nein des Nationalrats vom Tisch.

FINANZKONTROLLE: Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) soll teilprivatisierte Unternehmen des Bundes wie die Swisscom nicht mehr kontrollieren dürfen. Das verlangt der Ständerat mit einer Motion. Der Nationalrat lehnt das ab. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Die EFK müsse überall dort, wo Steuergelder eingesetzt und öffentliche Aufgaben wahrgenommen würden, eine Kontrolle durchführen können, sagte Ursula Schneider Schüttel (SP/FR) im Namen der Mehrheit. Erich Ettlin (CVP/OW), der die Motion im Ständerat eingereicht hatte, argumentierte mit der Gleichbehandlung der Aktionäre. Der Bund könne nicht so agieren, als ob ihm eine teilprivatisierte Gesellschaft immer noch zu 100 Prozent gehören würde.

PERSONAL: Das Parlament will im Bundespersonalgesetz festhalten, dass der Bund Personalverleihverträge abschliessen kann. Aufträge und Werkverträge sollen aber Vorrang vor der Anstellung von Temporär-Arbeitskräften haben. Die Forderung stammt von der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats. Nach der kleinen hat nun auch die grosse Kammer deren Motion angenommen - mit 164 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Finanzminister Ueli Maurer wehrte sich erfolglos gegen den Auftrag. Das gehöre auf keinen Fall ins Bundespersonalgesetz, sagte er. Die Möglichkeit sei im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes genügend geregelt. Trotzdem muss der Bundesrat nun einen Änderungsentwurf des Bundespersonalgesetzes vorlegen.

GENOSSENSCHAFTEN: In der Schweiz ansässige Staatsangehörige aussereuropäischer Länder sollen künftig Anteilscheine von Wohnbaugenossenschaften erwerben können. Das fordert der Nationalrat. Er unterstützte eine entsprechende Motion der früheren Nationalrätin und heutigen Ständerätin Lisa Mazzone (Grüne/GE) mit 105 zu 73 Stimmen bei einer Enthaltung. Stimmt auch der Ständerat dem Vorstoss zu, wird der Bundesrat beauftragt, eine Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) oder der Verordnung zu diesem Gesetz (BewV) auszuarbeiten.

MEHRSPRACHIGKEIT I: Der Bundesrat soll ein Monitoring der Bewerbungen bei den offenen Stellen bei der Bundesverwaltung durchführen. Eruiert werden soll, welche Sprachen die Bewerbenden sprechen und aus welchen Kantonen sie stammen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) stillschweigend angenommen. Das Geschäft geht an den Ständerat.

MEHRSPRACHIGKEIT II: Der Bundesrat wird einen Bericht verfassen, der prüft, ob die Weisungen zur Förderung der Mehrsprachigkeit eingehalten werden. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) stillschweigend angenommen. Auch der Bundesrat beantragte Annahme des Postulats. Das Geschäft geht an den Bundesrat zur Umsetzung.

SPRACHEN: Bei einem Rechtsverfahren auf kantonaler Ebene müssen die Eingaben weiterhin in derjenigen Landessprache erfolgen, die in dem Kanton gesprochen wird. Der Nationalrat lehnte einen Vorstoss, der dies ändern wollte, ab. Nationalrat Martin Candinas (CVP/GR) schlug in einer Motion vor, dass bei juristischen Verfahren auf Kantonsebene die Eingaben in einer der Landessprachen gemacht werden sollen und nicht in der Sprache des Kantons vorliegen müssen. Im Nationalrat blieb das Anliegen chancenlos. Die Motion wurde mit 129 zu 33 Stimmen bei 15 Enthaltungen abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch.

RELIGION: Der Nationalrat will das in der Schweiz geltende Blasphemieverbot nicht abschaffen. Er hat eine entsprechende Motion von Beat Flach (GLP/AG) mit 115 zu 48 Stummen bei 12 Enthaltungen abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Flach argumentierte, der separate Straftatbestand sei in einem säkularen und liberalen Staat nicht mehr zeitgemäss. Dänemark, Frankreich, Norwegen, Island und Malta hätten das Blasphemieverbot bereits abgeschafft. Der Bundesrat argumentierte erfolgreich gegen den Vorstoss. Für die Beibehaltung des Status quo sprächen nicht nur sachliche Gründe; es solle damit auch das Aussenden eines negativen Signals verhindert werden.

ASYL: Wer einen negativen Asylentscheid erhält, darf nur noch bis zur angesetzten Ausreisefrist in der Schweiz eine Ausbildung machen oder arbeiten. Der Nationalrat will daran nichts ändern. Alt Nationalrätin Lisa Mazzone (Grüne/GE), die heute Ständerätin ist, verlangte in einen Vorstoss, dass abgewiesene Asylsuchende so lange eine Ausbildung machen dürfen oder arbeiten dürfen, bis sie tatsächlich ausreisen. Sie verwies darauf, dass abgewiesene Asylsuchende teilweise Jahre warten müssten, bis sie ihre Heimreise antreten könnten. Der Nationalrat folgte dem Bundesrat und lehnte den Vorstoss mit 112 zu 67 Stimmen ab. Die Motion hat sich damit erledigt.

FAMILIENNACHZUG: Vorläufig aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer sollen ihre Familie nicht einfacher als heute in die Schweiz holen dürfen. Der Nationalrat will weder die Wartefrist abschaffen noch den Familienbegriff ausweiten. Er hat eine entsprechende Motion von alt Nationalrätin Lisa Mazzone (Grüne/GE) mit 117 zu 62 Stimmen abgelehnt. Der Vorstoss ist damit erledigt.

EINBÜRGERUNGEN: Der Bundesrat muss keinen Bericht über die Ablehnungsgründe von Einbürgerungsgesuchen in der ganzen Schweiz vorlegen. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Valérie Piller Carrard (SP/FR) mit 100 zu 78 Stimmen abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Das Ziel des Berichtes war es laut Carrard, Disriminierungen auszuräumen. Der Bundesrat entgegnete, die geforderte Studie wäre aufgrund der uneinheitlichen Datenlagen nur mit ausserordentlich grossem Aufwand im Rahmen einer breit und systematisch angelegten Erfassung möglich. Auch dann bliebe der Nutzen sowie die Aussagekraft der Studie fraglich.

BUNDESZENTRUM: Der Nationalrat hat eine Motion von Marcel Dettling (SVP/SZ) abgelehnt, die den Bau eines Bundesausreisezentrums in Wintersried SZ verhindern wollte. Der Standort solle für andere Angelegenheiten freigegeben werden. Die grosse Kammer sprach sich mit 126 zu 52 Stimmen bei einer Enthaltung gegen den Vorstoss aus. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte, der Bund sei in Kontakt mit den Zentralschweizer Kantonen, was den Bau eines Bundesasylzentrums in der Region betreffe. Das Projekt Wintersried sei derzeit sitiert. Der Nationalrat sah keinen weiteren Handlungsbedarf. Das Geschäft ist damit vom Tisch.

MUTTERSCHAFT: Kündigt ein Arbeitgeber einer Frau die Stelle, weil sie schwanger wurde oder während sie sich im Mutterschaftsurlaub befand, sollen sie nicht härter bestraft werden. Der Nationalrat hat zwei entsprechende Vorstösse abgelehnt. Mehrere Studien zeigten, dass in der Schweiz 10 Prozent aller Frauen nach ihrem Mutterschaftsurlaub gekündigt werde, begründete SP-Nationalrat Mathias Reynard (VS) seine Motion. Die Motionen wurden im Nationalrat mit 113 zu 66 Stimmen respektive 106 zu 66 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Die Geschäfte sind damit vom Tisch.

OPFERHILFE: Der Bundesrat wird nicht damit beauftragt, die aus der Evaluation des Opferhilfegesetzes resultierenden Empfehlungen der Begleitgruppe zu prüfen und allfällige Massnahmen zu treffen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion der SP-Fraktion abgelehnt - mit 111 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung. Der Vorstoss ist damit vom Tisch.

ABSCHIED: Zum Schluss der zweitägigen Sondersession ist Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP/VD) für ihre Leistung im Präsidialjahr gewürdigt worden. Vizepräsident Andreas Aebi (SVP/BE) lobte seine Ratskollegin als "eigenwillige, intelligente und humorvolle Frau". Aebi hielt eine mehrminütige Lobesrede an Moret. Die Präsidentin habe die grosse Kammer in den letzten elf Monaten "mit Professionalität, natürlicher Autorität und Charme" geführt. In der herausfordernden Zeit sei sie diszipliniert und fehlerfrei geblieben. "Liebe Präsidentin, ein grosses Merci, es war eine Ehre für mich, dein Vizepräsident zu sein", sagte Aebi. Darauf folgten Standing Ovations während fast zwei Minuten. Moret war sichtlich gerührt und bedankte sich bei den Parlamentsdiensten für die Unterstützung