Freitag, 25. September 2015
National- und Ständerat in Kürze
(sda) Die letzte Session der 49. Legislaturperiode ist zu Ende. Elf Mitglieder des Ständerats und mehr als zwei Dutzend Nationalrätinnen und Nationalräte, sie sich nicht zur Wiederwahl stellen, sind am Freitag verabschiedet worden. Im Nationalrat sorgte ein musikalischer Flashmob für eine Überraschung: Die als Ratsweibel oder Touristenführerinnen verkleideten Mitglieder des Vokalensembles Ardent Bern sangen ein Medley aus Schweizer Volksliedern. Ratspräsident Stéphane Rossini (SP/VS) wurde von seiner designierten Nachfolgerin Christa Markwalder (FDP/BE) als "perfekter Präsident" gelobt.
- FLÜCHTLINGE: Die SVP ergreift das Referendum gegen das revidierte Asylgesetz. Das hat Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) während der Schlussabstimmung im Nationalrat angekündigt. Die Revision sei eine typische "So-tun-als-ob-Aktionsübung", sagte Amstutz. Damit werde Land und Leuten Sand in die Augen gestreut. Die Sprecher der anderen Fraktionen zeigten kein Verständnis für diese Haltung. Wie bereits in den Ratsdebatten zur Asylreform warfen sie der SVP vor, gar nicht an Lösungen interessiert zu sein. Die Partei selbst habe stets schnellere Asylverfahren gefordert. "Wir freuen uns auf diesen Abstimmungskampf und sind gespannt, wie Sie dem Volk erklären werden, dass die Verfahren weiterhin jahrelang dauern sollen", sagte FDP-Fraktionschefin Gabi Huber (UR). Balthasar Glättli (Grüne/ZH) rief zu einem "Aufstand der Anständigen" auf.
- NACHRICHTENDIENST: Vertreter der Grünen und der SP wollen das neue Nachrichtendienstgesetz mit dem Referendum bekämpfen. Während die Grünen in den Schlussabstimmungen geschlossen dagegen stimmten, gab es in der SP-Fraktion auch eine beträchtliche Zahl von Ja-Stimmen. Der Nationalrat hiess das Gesetz mit 145 zu 41 Stimmen bei 8 Enthaltungen gut. Von den anwesenden SP-Vertreterinnen und -Vertretern stimmten 23 Nein, 15 Ja und 6 enthielten sich der Stimme. Ähnlich war das Resultat im Ständerat, der das Gesetz mit 35 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen guthiess: Vier Sozialdemokraten und ein Grüner stimmten Nein, fünf SP-Ständeräte votierten dafür. Ein Sozialdemokrat, ein Grüner und eine CVP-Vertreterin enthielten sich der Stimme. Die SVP wiederum hat das Gesetz fast geschlossen angenommen: Lediglich ein Vertreter im Nationalrat stimmte Nein. Vor sechs Jahren war ein beinahe identisches Gesetz noch am Widerstand von SVP, Grünen und SP gescheitert.
- ENDLAGER: Ein Endlager für radioaktive Abfälle soll auch gegen den Willen des betroffenen Kantons gebaut werden dürfen. Das Parlament hat es abgelehnt, ein Vetorecht einzuführen. Nach dem Ständerat hat am Freitag auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Schaffhausen abgelehnt. Die Mehrheit war der Meinung, dass nationale Interessen in der Frage höher zu gewichten seien als die Interessen der Kantone. Zudem hätten die Standortkantone bereits ein Beschwerderecht, und es stehe das Referendum gegen die Bewilligung offen. Die Befürworter riefen dazu auf, "die Demokratie hoch zu halten", unterlagen aber mit 112 zu 78 Stimmen.
- ADOPTION: Stillschweigend hat der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg abgelehnt, der einen Mutterschaftsurlaub bei Adoption verlangt. Das Anliegen ist allerdings anerkannt: Die Sozialkommissionen beider Räte haben bereits einer parlamentarischen Initiative zugestimmt. Gestützt darauf wird der Entwurf für einen entsprechenden Erlass ausgearbeitet.
- DATENSCHUTZ: Der Nationalrat hat eine Standesinitiative des Kantons Genf abgelehnt, die den Schutz von Bankmitarbeitenden verbessern wollte. Genf hatte die Initiative 2013 unter dem Eindruck der Datenlieferungen von Schweizer Banken an die USA eingereicht. Inzwischen sei das Anliegen der Initiative erfüllt, sagte Kommissionssprecherin Kathrin Bertschy (GLP/BE). Zudem hätte die Initiative laut der Kommission zur Folge, dass das Amtshilfesystem über die ganze Bundesverwaltung aufgehoben würde. Der Kanton Genf wollte mit der Initiative im Bundesrecht verankern, dass ausserhalb des Rechtsrahmens von Rechtshilfeabkommen oder von bestehenden internationalen Verträgen Namen oder andere persönliche Daten von Schweizern nicht an einen Drittstaat oder einen anderen Dritten weitergegeben werden dürfen.
- PETITIONEN: Der Nationalrat hat sechs Petitionen abgelehnt. Eine von den Genfer, Walliser und Waadtländer Grünen eingereichte Bittschriften hatte den Stopp von Chlor-Transporten verlangt. Sie wurde ebenso abgelehnt wie eine Petition von Amnesty International zum Thema Schutz der Privatsphäre und Massenüberwachung. Zwei Petitionen beschäftigten sich mit Tieren: Eine forderte ein Verbot von qualvollen Zuchtformen bei Hunden, eine zweite stellte sich gegen den Handel und Verzehr von Hunde- und Katzenfleisch in der Schweiz. Eine weitere Bittschrift verlangte die Einführung einer Mini-GmbH, eine andere eine Änderung beim Kündigungsschutz für Mieter.
Donnerstag, 24. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) MEHRWERTSTEUER: Bei der Mehrwertsteuer sollen inländische Unternehmen nicht mehr gegenüber ausländischen benachteiligt werden. Massgeblich für die Steuerpflicht ist künftig der gesamte Umsatz, nicht nur der in der Schweiz erwirtschaftete. Das hat der Nationalrat am Donnerstag beschlossen. Dank der Neuregelung fliessen voraussichtlich 40 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich in die Bundeskasse. Noch einmal rund 30 Millionen Franken soll eine Änderung bei der Besteuerung von Kunstgegenständen, Antiquitäten und Sammlerstücken bringen. Dem Paket mit verschiedenen anderen Anpassungen des Mehrwertsteuergesetzes stimmte der Nationalrat ohne Gegenstimme zu.
- FINANZPLATZ: Der Nationalrat will die Regeln für Grossbanken weiter verschärfen, um das "Too big to fail"-Problem zu lösen. Er schlägt vor, den Vermögensverwaltungs- und Geschäftsbanken den Handel auf eigene Rechnung zu verbieten und eine höhere Eigenkapitalquote zu fordern. Der Nationalrat nahm zwei Motionen von SP und SVP mit praktisch gleich lautendem Inhalt an - gegen den Willen des Bundesrats. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf plädierte dafür, nicht eine "Neuorientierung" vorzunehmen, sondern den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und auf einen Eingriff in die Unternehmensstruktur und das Geschäftsmodell zu verzichten. Einverstanden ist der Bundesrat hingegen mit einer Erhöhung der Eigenkapitalquote für systemrelevante Banken. Entsprechende Vorschläge will er bis Ende Jahr vorlegen. Die beiden Motionen gehen nun an den Ständerat.
- STANDORTFÖRDERUNG: Um den Tourismus in der Schweiz und den Export zu fördern, macht das Parlament für die nächsten vier Jahre rund 388 Millionen Franken locker. Das sind fast 14 Millionen mehr als vom Bundesrat beantragt. Der Löwenanteil geht mit 230 Millionen Franken an die Marketingorganisation Schweiz Tourismus. Der Bundesrat hatte lediglich 220,5 Millionen Franken beantragt. Spendabel zeigte sich das Parlament auch bei der Exportförderung, der 94 Millionen Franken zufliessen. Für ein Hin und Her zwischen den Räten sorgte der verhältnismässig kleine Budgetposten zur Förderung von E-Government. Der Ständerat wollte wie der Bundesrat 17,7 Millionen Franken zur Verfügung stellen, der Nationalrat nur 12,4 Millionen Franken. Der Nationalrat gab seinen Widerstand schliesslich auf.
- FLEISCHIMPORTE: Der Nationalrat will gewürztes Fleisch dem gleichen Zolltarif unterstellen wie Frischfleisch. Dass gewürztes Fleisch heute günstiger importiert werden kann als ungewürztes, sei ein "Zollschlupfloch", das geschlossen werden müssten, sagte Kommissionssprecher Hansjörg Walter (SVP/TG), ehemaliger Bauernverbandspräsident. Auf die Seite der Befürworter stellten sich neben der SVP auch CVP, BDP, Grüne sowie ein Teil der FDP. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf warnte mit Verweis auf die Welthandelsorganisation WTO, die Änderung sei mit internationalem Recht nicht vereinbar. Das könnte Konsequenzen nach sich ziehen, die schädlich wären für die gesamte Wirtschaft, mahnten die Gegner.
- PISTENFAHRZEUGE: Pistenfahrzeuge sollen von der Mineralölsteuer befreit werden. Das hat der Nationalrat beschlossen. Er stimmte einer Vorlage zu, die der Bundesrat im Auftrag des Parlaments ausgearbeitet hat. Der Vorschlag, nur jene Pistenfahrzeuge von der Steuer zu befreien, die über einen Partikelfilter verfügen, fand aber keine Mehrheit. Der Bundesrat habe den Auftrag mit umweltpolitischen Anliegen angereichert, sagte FDP-Sprecher Beat Walti (ZH). Ziel war jedoch die Entlastung der Seilbahnunternehmen gewesen. Nun ist der Ständerat am Zug.
- BUNDESHAUSHALT: Der Bundesrat soll die Ausgaben des Bundes um jährlich 1,5 Milliarden Franken kürzen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion seiner Finanzkommission gegen den Willen der Linken mit 107 zu 53 Stimmen angenommen. Stimmt auch der Ständerat zu, muss der Bundesrat eine strategische Überprüfung der Bundesaufgaben an die Hand nehmen mit dem Ziel, den Haushalt ausgabenseitig um jährlich 1,5 Milliarden Franken zu entlasten. Die Umsetzung soll in Schritten über die Voranschläge 2017 bis 2019 erfolgen.
- PERSONENFREIZÜGIGKEIT: Der Bundesrat muss gegen die negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit in den Grenzkantonen ein Massnahmenpaket vorlegen. Der Nationalrat nahm ein Postulat von Fabio Regazzi (CVP/TI) mit 162 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung deutlich an. Regazzi fordert den Bundesrat auf, in einem Bericht die Situation in den Grenzkantonen in Bezug auf Grenzgänger, Lohndumping und Scheinselbstständigkeit zu prüfen und Gegenmassnahmen vorzulegen. Es brauche eine nationale Strategie, befand Regazzi. Der Bundesrat lehnte das Postulat ab. Es liefen bereits verschiedene Bestrebungen zur Suche nach Lösungen, einige Massnahmen seien auch schon umgesetzt worden, sagte Eveline Widmer-Schlumpf.
- IMMOBILIEN: Für den Bau, den Unterhalt und die Miete von zivilen Bundesbauten hat der Nationalrat wie vom Bundesrat beantragt 253,5 Millionen Franken gesprochen. Zu diskutieren gab einzig der Rahmenkredit von 50 Millionen Franken für die geplanten Asyl-Bundeszentren. Die SVP wiederholte ihre grundsätzliche Kritik am Asylwesen und verlangte, den Kredit zu streichen. Die anderen Parteien betonten, der Entscheid für die Schaffung von Bundeszentren sei bereits gefasst, nun müsse auch der Kredit dafür genehmigt werden. In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Immobilienbotschaft des Finanzdepartements mit 175 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Das Geschäft geht an den Ständerat.
- SOZIALHILFE: Auf Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen und anderen privaten oder öffentlichen Unterstützungsleistungen werden auch künftig keine Steuern erhoben. Der Nationalrat hat sich mit grosser Mehrheit gegen einen Vorstoss aus dem Ständerat ausgesprochen. Mit diesem wollte die kleine Kammer erreichen, dass künftig auch Unterstützungsleistungen besteuert werden. Gleichzeitig sollte das Existenzminimum steuerlich entlastet werden, damit sich Arbeit in jedem Fall lohnt. Heute kann es vorkommen, dass jemand mit steuerfreien Unterstützungsleistungen besser wegkommt als mit einer bezahlten Arbeit. Die Mehrheit des Nationalrats will dieses Problem aber auf anderem Weg lösen.
- KAPITALABFLUSS: Der Bundesrat muss in einem Bericht darlegen, was er unternimmt, um den Abfluss von Schwarzgeld aus Entwicklungsländern zu verhindern. Der Nationalrat hat ein Postulat von Maja Ingold (EVP/ZH) mit 84 zu 81 Stimmen angenommen. Ingold verwies auf eine Studie, gemäss welcher in den letzten 30 Jahren aus den afrikanischen Entwicklungsländern unversteuerte Gelder im Umfang von mindestens 1,2 Billionen Dollar abgeflossen sind. Auch die Länder, denen Gelder zufliessen, stünden in der Verantwortung, sagte Ingold. Zudem liege es hier auch noch ein Potenzial für die Entwicklungshilfe. Der Bundesrat stellte sich nicht gegen den Auftrag.
- BAUTEN: Energetisch begründete Ersatzneubauten sollen steuerlich gleich behandelt werden wie energiesparende Sanierungen an bestehenden Gebäuden. Der Nationalrat hat eine Motion des zurückgetretenen Grünen Alec von Graffenried (BE) mit 96 zu 64 Stimmen angenommen. Ökologisch und ökonomisch durchdachte Ersatzneubauten seien oft sinnvoller als Sanierungen, sagte von Graffenrieds Nachfolgerin Christine Häsler. Sie seien auch aus raumplanerischer Sicht sinnvoll, da sie zur inneren Verdichtung von Siedlungen beitrügen. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gab zu bedenken, dass Ersatzbauten damit bessergestellt würden als Neubauten. Die Motion geht nun an den Ständerat.
- ZOLL: Beim Zoll und bei der Einfuhrsteuer sollen Behörden in Härtefällen ausnahmsweise auf eine Abgabeforderung ganz oder teilweise verzichten können. Der Nationalrat hat mit 104 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung eine entsprechende Motion von Ruedi Noser (FDP/ZH) angenommen. Gerade für KMU erweise sich das heutige Abgaberecht als zu komplex, argumentierte Noser. Regelmässig komme es zu Versäumnissen oder Fehlern, aus denen hohe Abgabenachforderungen resultieren könnten. Der Bundesrat hatte dem Parlament die Ablehnung der Motion beantragt. Diese geht nun an den Ständerat.
- WOHLSTAND: Der Bundesrat muss künftig im Wohlstandsbericht die Entwicklung der Einkommen und Vermögen des obersten Prozents darstellen. Auch die Steuerabgaben sollen ausgewiesen werden. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Wirtschaftskommission stillschweigend gutgeheissen. Der Bundesrat zeigte sich einverstanden mit dem Auftrag, verwies jedoch auch auf die Grenzen bei den Analysemöglichkeiten. Da der Bund keine Vermögenssteuer kennt, habe er beispielsweise über die entrichteten Vermögenssteuern keine Kenntnis. Bei der Vermögensstatistik könnten daher nur bestimmte Komponenten erfasst werden.
- STEUERN: Der Nationalrat will den Steuerbehörden keine schärferen Mittel zum Eintreiben von Steuern in die Hand geben. Diese hätten heute weniger Möglichkeiten als private Gläubiger, sagte Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO). Der Datenschutz wirke als automatischer Schutzschild für Steuerpreller. Müller-Altermatt verlangt per Motion eine Vorlage, um diesen Missstand zu beheben: Wenn jemand zahlen könne, solle die Verschwiegenheit der Steuerbehörden aufgehoben werden. Bei vielen Gemeindepräsidenten mache sich Ohnmacht breit, weil sie nicht auf die Steuern zugreifen könnten, obwohl die Leute eigentlich zahlen könnten. Die schamlose Ausnützen des Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger und Staat müsse aufhören. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wies darauf hin, dass der Staat andere Privilegien beim Eintreiben von Schulden habe.
- STEUERHINTERZIEHUNG: Der Nationalrat will beim Bundesrat keinen Bericht über das Ausmass der Steuerhinterziehung und Steuervermeidung in der Schweiz bestellen. Er hat ein Postulat von Cédric Wermuth (SP/AG) mit 86 zu 75 Stimmen abgelehnt. Der Bericht sollte auch aufzeigen, wie die Kontroll- und Gesetzeslücken geschlossen werden könnten. Die Schätzungen zum Ausmass der hinterzogenen Steuern lägen zwischen 5 und 30 Milliarden Franken pro Jahr, sagte Wermuth. Der Bundesrat habe sich zum letzten Mal 1962 mit der Frage befasst. Die Zahlen seien bekannt, es müsse nicht noch mehr Papier produziert werden, fand Thomas Aeschi (SVP/ZG). Dem widersprach Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. Die vorliegenden Schätzungen gingen weit auseinander.
- QUELLENSTEUER: Die Steuererklärung soll nicht durch eine freiwillige Quellenbesteuerung ersetzt werden. Der Nationalrat hat eine Motion des Berner GLP-Nationalrats Jürg Grossen mit diesem Anliegen mit 112 zu 44 Stimmen abgelehnt. Schweizern sei es heute nicht erlaubt, sich der Quellenbesteuerung zu unterstellen, obwohl viele Steuerpflichtige dies sehr wohl schätzen würden, sagte Grossen. Millionen Menschen würden jedes Jahr Stunden mit dem Ausfüllen der Steuererklärung verbringen. Viele hätten aber keinen Vorteil von den möglichen Abzügen. Die Quellenbesteuerung würde nicht zu einer Vereinfachung führen, sagte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. In vielen Fällen wäre eine ergänzende Veranlagung nötig. Vereinfacht würde das System, wenn ein Teil der Abzüge abgeschafft würden.
- GELDPOLITIK: Der Nationalrat will vom Bundesrat keinen Bericht zur Schweizerischen Nationalbank (SNB) verlangen. Ein entsprechendes Postulat der SP-Fraktion lehnte er ab. Im Bericht sollte der Bundesrat unter anderem der Frage nachgehen, wie sichergestellt werden kann, dass SNB-Entscheide von grosser wirtschaftlicher Tragweite breit abgestützt sind. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlmumpf hatte sich mit dem Auftrag einverstanden gezeigt. Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) warnte jedoch davor, der SNB mehr Ketten anzulegen.
- NEAT: Der Nationalrat hat den Tätigkeitsbericht der NEAT-Aufsichtsdelegation zur Kenntnis genommen. Die Arbeiten im Gotthard-Basistunnel, der nächstes Jahr eröffnet wird, liegen im Plan, während es beim Ceneri noch gewisse Unsicherheiten gibt. Die Kosten lagen letztes Jahr insgesamt tiefer als geplant. Seit der Projektierung 1998 sind sie jedoch um fast 50 Prozent gestiegen, auf rund 18,2 Milliarden Franken. Das ist vor allem auf Projektänderungen zurückzuführen. Die Fraktionen zeigten sich aber zufrieden, sowohl mit dem Bericht wie auch mit dem Fortschritt der Bauarbeiten.
- PARLAMENT: Das Parlament soll nicht mehr Einfluss auf die Regulierungsprojekte der OECD ausüben. Der Nationalrat hat eine parlamentarische Initiative von Hanspeter Portmann (FDP/ZH) mit 135 zu 26 Stimmen abgelehnt. Die Schweiz werde immer häufiger vor vollendete Tatsachen gestellt, kritisiert Portmann. Das Parlament sollte sich daher mehr mit den Beschlüssen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) befassen. Portmann schweben dabei eine parlamentarische Delegation und ein vorzeitiges Vernehmlassungsverfahren vor. Aus Sicht der Mehrheit verfügt die Schweiz aber über genügende Möglichkeiten, um die Tätigkeit der OECD zu überprüfen. Die Überprüfung der Gesetzgebung sei zudem Aufgabe der Verwaltung.
- TRANSPARENZ: Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) soll nicht dem Öffentlichkeitsgesetz unterstellt werden. Der Nationalrat hat sich mit 105 zu 85 Stimmen gegen eine parlamentarische Initiative von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) ausgesprochen. Die FINMA habe eine wichtige Steuerungsfunktion für Banken und Versicherungen, sagte sie. Dass sie dem Öffentlichkeitsgesetz nicht unterstellt ist, sei daher ein "grosser Mangel". Die vorberatende Kommission stellte sich gegen die parlamentarische Initiative. Sie wies auf den wirtschaftlich sensiblen Bereich hin, in dem die FINMA tätig sei. Ausserdem sei die Oberaufsicht über die FINMA durch das Parlament gewährt. Die parlamentarische Initiative ist damit vom Tisch.
- KINDESSCHUTZ: Der Nationalrat hat mit 149 zu 13 Stimmen eine parlamentarische Initiative abgelehnt, die das Melderecht bei pädokriminellen Taten ausweiten wollte. Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) hatte Arbeitgebern erlauben wollen, trotz Geheimhaltungspflicht der Kinderschutz- oder der Strafverfolgungsbehörde, Meldung erstatten zu können. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission stellte sich gegen die parlamentarische Initiative - jedoch nicht aus inhaltlichen, sondern aus formellen Gründen: Sie will solche Fragen im Rahmen der Behandlung der Vorlage zum Kindesschutz klären, die der Bundesrat im Frühling vorgelegt hatte. Die parlamentarische Initiative ist damit vom Tisch.
- GESUNDHEIT: Spitalinfektionen sollen versicherungsrechtlich nicht gleich wie Nichtbetriebsunfälle behandelt werden. Der Nationalrat lehnte mit 97 zu 65 Stimmen eine entsprechende parlamentarische Initiative von Thomas Hardegger (SP/ZH) ab. Damit ist diese vom Tisch. Würden Spitalinfektionen als Nichtbetriebsunfälle eingestuft, würden die Opfer wenigstens bei den Heilungskosten entschädigt, da sie dann keinen Selbstbehalt bezahlen müssten, begründete Hardegger seine parlamentarische Initiative. Kommissionssprecher Roland Borer (SVP/SO) kritisierte, mit der Initiative werde nur ein Vorschlag gemacht, wie die Kosten anders getragen werden sollten. "Sie verhindert aber keine einzige Spitalinfektion."
- ARBEITSLOSENVERSICHERUNG: Anspruch auf Unterstützung der Arbeitslosenversicherung hat, wer während eines Jahres gearbeitet hat. Die SVP wollte diese Frist auf zwei Jahre verdoppeln, ist damit aber im Nationalrat gescheitert. Ihre parlamentarische Initiative wurde mit 110 zu 53 Stimmen abgelehnt. Die SVP hatte Ausländer im Visier. Jeder zweite ALV-Bezüger sei inzwischen ein Ausländer, sagte Thomas Aeschi (ZG). Seine Parteikollegin Sylvia Flückiger (AG) wies darauf hin, dass sie etwa dreimal mehr Leistungen bezögen, als sie einzahlten. Um die Versicherung zu entlasten, sollten die Regeln aber auch gleich für Schweizerinnen und Schweizer gelten. Kommissionssprecher Corrado Pardini (SP/BE) wies die von Flückiger genannten Zahlen als falsch zurück. Nach Ansicht der Kommission gibt es auch den behaupteten "Sozialtourismus" nicht.
- KLEIDERSTEUER: Der Nationalrat will keine Importabgabe auf Kleidungsstücken. Er hat eine parlamentarische Initiative von Carlo Sommaruga (SP/GE) mit dem Anliegen abgelehnt. Sommaruga wollte mit den Einnahmen einen Fonds speisen, aus dem Massnahmen zur Verbesserung des Sozialschutzes und der Sicherheit in der Textilindustrie finanziert würden. Sommaruga erinnerte an den Einsturz eines Gebäudes in Bangladesch im Jahr 2013, bei dem über 1000 Menschen getötet wurden. Die damals von den Textilunternehmen abgegebenen Versprechen seien unerfüllt geblieben, deshalb brauche es die Abgabe, sagte Sommaruga. Die Gegner kritisierten die Beschränkung auf die Textilindustrie. Zudem sei die Umsetzung schwierig. Maximilian Reimann (SVP/AG) warnte vor einem "bürokratischen Moloch". Auch mache ein Alleingang der Schweiz keinen Sinn.
Der Ständerat in Kürze
(sda) EINKAUFEN: Der Ständerat will sich nicht in die kantonalen Ladenöffnungszeiten einmischen. Er hat sich am Donnerstag gegen ein Gesetz ausgesprochen, das längere Öffnungszeiten in der ganzen Schweiz ermöglichen würde. Der Entscheid lag - bei 18 zu 18 Stimmen und einer Enthaltung - in den Händen von Ratspräsident Claude Hêche (SP/JU). Der Bundesrat hatte das Gesetz im Auftrag des Parlaments vorgelegt. Es würde Läden in der ganzen Schweiz ermöglichen, an Wochentagen ihre Waren zwischen 6 und 20 Uhr und am Samstag zwischen 6 und 19 Uhr anzubieten. Dabei handelt sich um Mindestvorgaben: Die Kantone könnten längere Öffnungszeiten erlauben, aber nicht weniger lange vorschreiben. Auch wären die Geschäfte nicht zu längeren Öffnungszeiten verpflichtet. Die knappe Mehrheit im Ständerat war aber der Ansicht, die Regelung der Ladenöffnungszeiten sei Sache der Kantone.
- POTENTATENGELDER: Die Schweiz soll illegale Gelder auch dann einziehen dürfen, wenn die Straftaten eines gestürzten Machthabers verjährt sind. Der Ständerat hat einen umstrittenen Vorschlag des Nationalrates aus dem Potentatengeldergesetz gekippt. Es ist nicht die einzige Änderung, die im Ständerat durchfiel. Weiter fassen will die kleine Kammer die Definition von Personen, die ausländischen politisch exponierten Personen nahestehen. Darunter sollen beteiligte Personen fallen. Der Nationalrat wollte den Kreis auf nahestehende beteiligte Personen beschränken, die erkennbar dazu Hilfe leisteten, unrechtmässig erworbene Vermögensdelikte dieser Personen zu halten. Das neue Gesetz fasst im Wesentlichen die bisherige Praxis im Umgang mit den Geldern zusammen. Als nächstes ist nun wieder der Nationalrat am Zug.
- WAFFEN: Wer eine Feuerwaffe besitzt, die nicht registriert ist, soll diese nicht melden müssen. Der Ständerat ist dem Nationalrat gefolgt und hat sich gegen eine Gesetzesänderung ausgesprochen. Der Entscheid fiel mit 23 zu 19 Stimmen. Damit müssen weiterhin nur jene Waffen registriert sein, die nach dem 12. Dezember 2008 gekauft wurden. Die Befürworter argumentierten vergeblich, mit der Pflicht zur Nachregistrierung früher erworbener Waffen könnte die Sicherheit verbessert werden, insbesondere jene von Polizistinnen und Polizisten. Weitere Änderungen des Waffenrechts waren unbestritten. Im Zentrum stehen Massnahmen, die den Informationsaustausch zwischen den Behörden verbessern sollen. Zudem können die berechtigten Behörden künftig mit einer einzigen Abfrage sowohl sämtliche kantonale Waffenregister als auch die vom Bundesamt für Polizei geführte Waffeninformationsplattform ARMADA konsultieren.
- LANDWIRTSCHAFT: Das Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel gilt weiterhin. Der Ständerat hat sich zum zweiten Mal gegen eine Änderung ausgesprochen, mit 23 zu 18 Stimmen bei 1 Enthaltung. Damit bleibt alles beim Alten. Der Nationalrat hätte das Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel aufheben wollen. Die Schweiz wendet dieses seit 2010 an. Es besagt, dass in der EU zugelassene Produkte auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürfen. Für Lebensmittel braucht es aber zusätzlich eine Bewilligung des Bundes. Das Interesse hält sich in Grenzen: Bisher wurden rund 50 Bewilligungen erteilt. Den Bauern ist der erleichterte Import dennoch ein Dorn im Auge. Mit einer parlamentarischen Initiative beantragte Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois (FR) eine Ausnahme für Lebensmittel. Die Gesetzesänderung ist nun aber vom Tisch.
- STANDORTFÖRDERUNG: Um den Tourismus in der Schweiz und den Export zu fördern, macht das Parlament für die nächsten vier Jahre rund 388 Millionen Franken locker. Das sind fast 14 Millionen mehr als vom Bundesrat beantragt. Der Löwenanteil geht mit 230 Millionen Franken an die Marketingorganisation Schweiz Tourismus. Der Bundesrat hatte lediglich 220,5 Millionen Franken beantragt. Spendabel zeigte sich das Parlament auch bei der Exportförderung, der 94 Millionen Franken zufliessen. Für ein Hin und Her zwischen den Räten sorgte der verhältnismässig kleine Budgetposten zur Förderung von E-Government. Der Ständerat wollte wie der Bundesrat 17,7 Millionen Franken zur Verfügung stellen, der Nationalrat hingegen nur 12,4 Millionen Franken. Am Donnerstag gab der Nationalrat seinen Widerstand schliesslich auf. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung.
- GESETZGEBUNG: Das Mitspracherecht des Parlaments bei Verordnungen ist ein alter Zankapfel. Weiterhin zurückhaltend zeigt sich dabei der Ständerat. Er will den Räten nicht das Recht vorbehalten, wichtige Verordnungen zu genehmigen. Mit 20 zu 18 Stimmen hat er eine parlamentarische Initiative von Jean-René Fournier (CVP/VS) abgelehnt. Damit ist diese vom Tisch. Die Mehrheit war der Meinung, dass die Bundesversammlung über genügend Möglichkeiten verfügt, um bei der Verordnungsgebung mitzuwirken. Fournier stört sich daran, dass der Bundesrat in den Verordnungen den Willen des Gesetzgebers nicht vollumfänglich respektiert.
- SCHWEIZ - EU: Der Bundesrat muss die guten Beziehungen zur EU erhalten, gleichzeitig aber auf die Souveränität der Schweiz pochen. Der Ständerat hat zwei Motionen der SP und SVP angenommen - im Einverständnis mit dem Bundesrat. Gemäss der Motion der SVP soll der Bundesrat der EU "unmissverständlich" darlegen, dass die Schweiz keine Verträge abschliesst, welche ihre Souveränität rechtlich oder faktisch einschränken. Mit der Motion der SP wird der Bundesrat beauftragt, rechtliche Grundlagen vorzuschlagen, die den Beibehalt, die Weiterentwicklung und die Vertiefung der Beziehungen zu Europa sicherstellen. Burkhalter erklärte, es sei wichtig, Diskussionen über das Verhältnis zur EU zu führen. An einem gewissen Punkt werde die Schweiz aber geeint auftreten müssen, gab er zu bedenken.
- SICHERHEIT: Der Bund soll drei Genfer Zentren für Sicherheits- und Friedenspolitik auch in den nächsten Jahren unterstützen. Der Ständerat hat als Zweitrat einen Rahmenkredit von 129 Millionen Franken für den Zeitraum 2016-2019 oppositionslos gutgeheissen. Das Geschäft ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Der Rahmenkredit liegt rund 9 Millionen Franken über jenem der laufenden Periode. Der Bundesrat begründet dies mit der stetig steigenden Nachfrage nach den Dienstleistungen der Zentren. Die zusätzlichen Mittel werden innerhalb des Aussendepartements kompensiert. Unterstützt werden mit den Geldern das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Genfer internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF).
- FRIEDENSFÖRDERUNG: Der Rahmenkredit für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit wird um 84 Millionen Franken aufgestockt, die Laufzeit verlängert. Der Ständerat hat als Zweitrat einer Überbrückungslösung zugestimmt. Diese war aus technischen Gründen nötig: Künftig wird der Kredit in die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit integriert. Der neue Vierjahreskredit tritt erst 2017 in Kraft, der aktuelle Rahmenkredit läuft aber bereits im Frühling 2016 aus.
- STRAFVERFAHREN: Der Ständerat will prüfen lassen, ob jener Kanton die Kosten des Strafvollzugs tragen sollte, in dem der Straffällige Wohnsitz hat. Heute übernimmt der Kanton, in dem die Straftat begangen wurde, die finanziellen Ausgaben. Der Ständerat wies eine Motion von Anita Fetz (SP/BS) an seine Kommission zurück. Diese soll diskutieren, ob die heutige Regelung immer noch haltbar ist. Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Es sei Sache der Kantone, die heute geltende Kostenverteilung - wenn gewünscht - zu ändern.
- TERRORISMUS: Der Bundesrat soll das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus umgehend ratifizieren. Nach dem Nationalrat hat der Ständerat einer Motion von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP/LU) stillschweigend zugestimmt. Das Übereinkommen trat 2007 in Kraft und wurde von der Schweiz 2012 unterzeichnet. Der Bundesrat beabsichtigt, die Vorlage zur Ratifizierung des Übereinkommens nächstes Jahr in die Vernehmlassung zu schicken.
- VERWALTUNGSSTRAFRECHT: Der Bundesrat wird beauftragt, das Verwaltungsstrafrecht an die heutige Zeit anzupassen. Nach dem Nationalrat hat der Ständerat einer Motion von Andrea Caroni (FDP/AR) stillschweigend zugestimmt. Die in die Jahre gekommene Verwaltungsstrafverfahrensordnung stehe einer modernen Strafprozessordnung gegenüber, begründete Kommissionsprecher Stefan Engler (CVP/GR) das Anliegen. Der Bundesrat zeigte sich mit der Motion einverstanden.
- PETITIONEN ABGELEHNT: Der Ständerat hat zwei Petitionen abgelehnt. Eine der Bittschriften verlangte, keine Personen mit extremistischem Gedankengut zur Armee zuzulassen. Der Rat folgte der Kommission, die argumentiert hatte, dass Rekruten schon heute einer Sicherheitsprüfung unterzogen würden. Eine zweite Petition verlangte, dass die Schweiz bei der UNO darum ersucht, das Mandat für die Westsahara (Minurso) auszudehnen. Der Zeitpunkt sei nicht ideal, da das Mandat erst im April vom UNO-Sicherheitsrat verlängert worden sei, befand der Ständerat.
Mittwoch, 23. September
Der Nationalrat in Kürze
(sda) GRUNDEINKOMMEN: Der Nationalrat will die heutige Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung nicht auf den Kopf stellen. Er hat die Initiative "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen" am Mittwoch mit 146 zu 14 Stimmen abgelehnt. Die Ja-Stimmen sowie 12 Enthaltungen stammten von SP und Grünen. Die Initianten verlangen für alle Bewohner der Schweiz ein Grundeinkommen von 2500 Franken, für Kinder ein Viertel dieses Betrags. Die Kosten werden auf gut 200 Milliarden Franken pro Jahr geschätzt. In den Augen der Befürworter würde mit dem Grundeinkommen die Arbeit von Zwang und Angst befreit, was zu mehr Chancengleichheit führen soll. Die Gegner sprachen von einer "romantischen Utopie". Aber auch das Ende der Schweiz wurde heraufbeschworen.
- FRANKENSTÄRKE: Der starke Franken ist für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Herausforderung, darin sind sich die Parteien einig. Weniger klar ist die Frage nach den geeigneten Gegenrezepten. Inhaltlich förderte die aktuelle Debatte nichts Neues zutage. Während die Ratsrechte vor der "Regulierungswut" warnte und einen "Bürokratieabbau" forderte, kam von der Ratslinken Kritik an "unsinnigen Deregulierungspaketen" und an der "schleichenden Deindustrialisierung". Durchgesetzt haben sich materiell die bürgerlichen Parteien. Der Nationalrat nahm eine Reihe politischer Vorstösse deutlich an, die eine administrative Entlastung für Unternehmen fordert. Nun muss der Ständerat die fünf Motionen beraten.
- KLIMA: Die Klimapolitik der Schweiz polarisiert. Diesen Eindruck hinterliess eine Aussprache im Nationalrat. Der Zeitpunkt für die Debatte war nach dem Hitzesommer günstig gewählt. Die Schweiz müsse mehr für den Klimaschutz tun, forderten SP, Grüne und Grünliberale. Aus Sicht der drei Parteien kann sich der Bundesrat nicht hinter der internationalen Untätigkeit verstecken. Die Ratsrechte wehrte sich gegen unüberlegten "Aktivismus". Die Schweiz müsse nicht als Streber vorangehen. Umweltministerin Doris Leuthard verwehrte sich gegen die Kritik, der Bundesrat tue zu wenig für eine rasche Klimapolitik. Die Schweiz habe in den letzten Jahren schon viel gemacht. Leuthard erinnerte den Rat daran, dass er es auch selbst in der Hand habe.
- GEWÄSSERSCHUTZ: Der Nationalrat stellt den Kompromiss in Frage, mit dem der Fischerei-Verband 2010 zum Rückzug seiner Initiative "Lebendiges Wasser" bewegt werden konnte. Er will die neuen Regeln für den Gewässerschutz lockern, bevor sie überhaupt umgesetzt sind. Er hat eine Motion aus dem Ständerat angenommen, die innerhalb des geltenden Rechts den höchstmöglichen Spielraum verlangt. Anders als der Ständerat hat der Nationalrat aber auch neun Standesinitiativen überwiesen, von welchen sieben die Änderung des Gewässerschutzgesetzes verlangen. Kritik kommt vor allem aus bäuerlichen Kantonen. Sie wollen verhindern, dass die Nutzung von Landwirtschaftsland im Gewässerraum eingeschränkt wird.
- ARBEITSMARKT: Der Nationalrat will keine gesetzlichen Mindestanforderungen für Arbeit auf Abruf schaffen. Er hat eine parlamentarische Initiative von Marina Carobbio Guscetti (SP/TI) mit 106 zu 54 Stimmen abgelehnt. Wer zur Arbeit auf Abruf verpflichtet wird, solle dafür eine angemessene Entschädigung und eine schriftlich garantierte Arbeitszeit erhalten, sagte Carobbio Guscetti. Die Personen seien nach geltendem Recht zu wenig geschützt, da viele keinem Gesamtarbeitsvertrag unterstünden. Im Nationalrat stiess der Vorstoss auf wenig Zustimmung. Die Regelung der Arbeit solle weiterhin den Sozialpartnern überlassen bleiben, befand die Mehrheit.
- GERICHTE: Die Vereinigte Bundesversammlung hat Martin Wirthlin mit 176 von 180 gültigen Stimmen zum Bundesrichter gewählt. Er ersetzt Susanne Leuzinger, die auf Ende Jahr zurücktritt. Wirthlin ist wie seine Vorgängerin SP-Mitglied. Als neue Richter am Bundesverwaltungsgericht wurden Barbara Balmelli-Mühlematte (GLP) und Martin Kayser (SP) gewählt. Daniel Kipfer Fasciati wurde für zwei weitere Jahre als Präsident des Bundesstrafgerichts bestätigt, zum Vizepräsidenten wurde Tito Ponti gewählt. Alle Kandidaturen waren unbestritten.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ENERGIEWENDE: Der Ständerat will die Laufzeit von Atomkraftwerken nicht beschränken. Auch will er die AKW-Betreiber nicht dazu verpflichten, ab 40 Jahren ein Langzeitbetriebskonzept vorzulegen. Das hat er am Mittwoch bei den Beratungen zur Energiestrategie beschlossen. Die Mehrheit befand, die geltenden Regeln genügten, um den sicheren Betrieb der Atomkraftwerke zu gewährleisten. Auch in anderen zentralen Punkten ist der Ständerat von den Beschlüssen des Nationalrates abgewichen. So will er keine Anreize für Elektrizitätswerke schaffen, das Stromsparen zu fördern. Die Befürworter argumentierten vergeblich, Effizienzmassnahmen seien für die Energiewende zentral, die eingesparte Energie sei die sauberste und billigste. Nein sagte der Ständerat ferner zu einer "Dreckstromabgabe". Die vorberatende Kommission wollte damit den Import von Kohlestrom verteuern und so die einheimische Wasserkraft stützen. Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat.
- VERRECHNUNGSSTEUER: Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat für eine Änderung beim Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer ausgesprochen. Tochterunternehmen sollen demnach nach Ablauf der 30-tägigen Frist konzerninterne Dividendenzahlungen der Steuerverwaltung melden können, statt Verrechnungssteuern zu entrichten. Die Änderung soll laut dem Ständerat aber nicht rückwirkend bis 1. Januar 2011 gelten. Die Rückwirkung hätte grosse finanzielle Auswirkungen: Dem Bund würde nach Angaben des Bundesrats ein Schaden von schätzungsweise 600 Millionen Franken entstehen, da er Geld an Konzerne zurückerstatten müsste, die eine Meldefrist verpasst haben und deshalb Verzugszins zahlen mussten. Die Vorlage geht zurück an den Nationalrat.
- GERICHTE: Die Vereinigte Bundesversammlung hat Martin Wirthlin mit 176 von 180 gültigen Stimmen zum Bundesrichter gewählt. Er ersetzt Susanne Leuzinger, die auf Ende Jahr zurücktritt. Wirthlin ist wie seine Vorgängerin SP-Mitglied. Als neue Richter am Bundesverwaltungsgericht wurden Barbara Balmelli-Mühlematter (GLP) und Martin Kayser (SP) gewählt. Daniel Kipfer Fasciati wurde für zwei weitere Jahre als Präsident des Bundesstrafgerichts bestätigt, zum Vizepräsidenten wurde Tito Ponti gewählt. Alle Kandidaturen waren unbestritten.
- STANDORTFÖRDERUNG: National- und Ständerat haben bei der Standortförderung 2016-2019 auch in der dritten Beratungsrunde keine Einigung erzielt. Der Ständerat beharrte stillschweigend darauf, für die Förderung von E-Government in den nächsten vier Jahren 17,7 Millionen Franken zur Verfügung zu stellen. Der Nationalrat möchte diesen Betrag um 5,3 Millionen auf 12,4 Millionen Franken kürzen. Nun kommt die Einigungskonferenz zum Zug.
- BUNDESPERSONAL I: Der Ständerat will den Personalbestand des Bundes auf dem Stand von 2015 einfrieren. Das wären 35'000 Vollzeitstellen. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf anerkannte das Anliegen und verwies auf die bereits laufenden Anstrengungen. Sie warnte aber vor einer unbefristeten Plafonierung. Der Bund hätte nicht mehr den nötigen Handlungsspielraum. Der Ständerat wollte den Bundesrat jedoch mit der von seiner Finanzkommission eingereichten Motion in seinem Kurs bestärken. Im Nationalrat ist eine Motion mit einer ähnlichen Stossrichtung hängig.
- BUNDESPERSONAL II: Mit einer Motion wollte Peter Föhn (SVP/SZ) die Privilegien abschaffen, die das Bundespersonal in seinen Augen geniesst. Der Ständerat lehnte Föhns Forderung, das Bundespersonalrecht an das Obligationenrecht anzupassen, jedoch mit 29 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Die Standards bei der Bundesverwaltung seien in etwa die selben wie bei grossen Unternehmen, befand Christian Levrat (SP/FR). Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hielt fest, man sei bereits sehr weit ans Obligationenrecht herangegangen, eins zu eins übernehmen solle man es aber nicht.
- BUNDESPERSONAL III: Der Ständerat will keine "Personalbremse" einführen. Er lehnte ein entsprechendes Postulat von Peter Föhn (SVP/SZ) mit 30 zu 4 Stimmen bei 5 Enthaltungen deutlich ab. Föhn bemängelte die zunehmende Regulierungsflut und gab zu, das Parlament selbst sei der Treiber. Mit einer Personalbremse könne diese Entwicklung gestoppt werden. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf mahnte hingegen, eine neue Regelung bringe keinen Zusatznutzen.
- LASTWAGEN: Fuhrhalter bekommen die LSVA zurück, wenn sie einen Container von einem Umschlagterminal in der Schweiz zum Kunden bringen. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, dass Güter so weit wie möglich auf der Schiene transportiert werden. Dass auch die Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Strasse (Duss) in Weil am Rhein davon profitiert, ist nach Ansicht von Claude Janiak (SP/BL) nicht gerechtfertigt. Damit würden ausländische Fuhrhalter mit deutlich günstigeren Kostenstrukturen begünstigt, kritisierte er. Janiak schlug daher vor, Umschlagterminals im grenznahen Ausland von der Rückerstattungsberechtigung der LSVA auszuschliessen. Der Ständerat nahm seine Motion stillschweigend an.
- TIERE: Den Schwänen in der Schweiz droht Ungemach: Der Ständerat will den Schutz der majestätischen Tiere lockern. Er hat mit 19 zu 13 Stimmen gegen den Widerstand der Linken eine entsprechende Motion von Paul Niederberger (CVP/NW) angenommen. Die Höckerschwäne hätten sich mangels natürlicher Feinde und dank des gesetzlichen Schutzes ungestört vermehrt, argumentierte Niederberger. Zwar können bereits heute Höckerschwäne abgeschossen werden, nötig ist aber die Zustimmung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Niederberger verlangt nun ein einfacheres Verfahren: Wie bei den Steinböcken könnte für bestimmte Gebiete eine sinnvolle Populationsgrösse festgelegt werden. Wird die definierte Zahl überschritten, sollen die Kantone den Bestand in Eigenregie regulieren können.
Dienstag, 22. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) NACHRICHTENDIENST: Das neue Nachrichtendienstgesetz ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat hat am Dienstag die letzte Differenz zum Ständerat ausgeräumt. Das letzte Wort könnte allerdings das Stimmvolk haben, denn die Gegner wollen das Referendum ergreifen. Mit dem neuen Gesetz dürfte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. Die Gegner warnen vor Lauschangriff und Totalüberwachung. Verteidigungsminister Ueli Maurer versicherte, die neuen Überwachungsmöglichkeiten würden gezielt eingesetzt, nur in etwa zehn Fällen pro Jahr. Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer wären zudem genehmigungspflichtig: Zustimmen müsste jeweils neben dem Verteidigungsminister ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts.
- BANKGEHEIMNIS: Der Nationalrat will keine neue Sorgfaltspflichten für Banken einführen. Die Vorschläge des Bundesrates, strengere Regeln für unversteuerte Gelder einzuführen, sind am bürgerlichen Widerstand gescheitert. Das neue Gesetz käme den Bankensektor teuer zu stehen und würde dessen Wettbewerbsfähigkeit schaden, argumentierte die Mehrheit. Der Nationalrat beschloss, mit 126 zu 56 Stimmen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Tritt auch die grosse Kammer nicht auf die Vorlage ein, ist diese vom Tisch. Der Bundesrat will dafür sorgen, dass auch für Kunden aus Ländern, mit welchen die Schweiz nicht automatisch Informationen austauscht, strengere Regeln gelten.
- TRANSPORTFLUGZEUGE: Der National will keine Transportflugzeuge kaufen. Zwar stimme er einer Motion aus dem Ständerat zunächst zu, stiess den Entscheid aber wenig später wieder um. Der Vorstoss forderte einen Vorschlag für die Beschaffung von einem oder mehreren Transportflugzeugen für militärische oder humanitäre Einsätze bis spätestens 2018. Verteidigungsminister Ueli Maurer kündigte an, dass dies vom VBS ohnehin geprüft werde. Die SVP stemmte sich jedoch gegen die Motion, weil sie keine Flugzeuge für Auslandeinsätze auf Kosten anderer Rüstungsvorhaben beschaffen will. Auch ein Teil der Linken und Mitglieder anderer Fraktionen waren dagegen. Sie wollen aus unterschiedlichen Gründen bei der heutigen Mietlösung bleiben.
- ARMEE: Die Armee darf weiterhin die zivilen Behörden am World Economic Forum (WEF) in Davos unterstützen. Nach dem Ständerat hat der Nationalrat einem Entwurf des Bundesrates zugestimmt. Chancenlos blieb ein Antrag der SP, einen Drittel der Sicherheitskosten auf Graubünden und die WEF-Organisatoren zu überwälzen. Der Entwurf des Bundesrates sieht vor, in den Jahren 2016 bis 2018 jeweils bis zu 5000 Armeeangehörige einzusetzen. Zum Einsatz kamen in den vergangenen Jahren jeweils rund 3500. Gleich bleiben sollen die Aufgaben der Armee. Dazu gehören der Objekt- und Personenschutz, die Wahrung der Lufthoheit und Sicherheit im Luftraum sowie die logistische Unterstützung. Das Geschäft ist nun bereit für die Schlussabstimmung.
- ARMEEIMMOBILIEN: Der Nationalrat hat Kredite im Umfang von rund 468 Millionen Franken für Armeebauten einstimmig gutgeheissen. Der grösste Teil des Geldes wird für die Instandsetzung älterer Liegenschaften benötigt. Fast 72 Millionen Franken sind für die Sanierung der Mannschaftskaserne auf dem Waffenplatz Thun BE vorgesehen, weitere 55 Millionen Franken fliessen in Erneuerungen auf dem Waffenplatz Isone TI. Total 65 Millionen Franken werden für den Schutz des Kommunikationsnetzes der Armee ausgegeben. Weitere Kredite betreffen den Militärflugplatz Emmen LU oder eine Seilbahn zu einer militärischen Radarstation. Der Ständerat hat die Immobilienbotschaft des Verteidigungsdepartements bereits abgesegnet.
- ERGÄNZUNGSLEISTUNGEN: Bezüger von Ergänzungsleistungen zur AHV oder IV sollen künftig mehr Geld für die Wohnungsmiete erhalten. Der Nationalrat zeigte sich mit diesem Vorschlag des Bundesrats im Grundsatz einverstanden. Im Detail hat er noch nicht darüber beraten - er entschied lediglich, die Vorlage einzeln zu behandeln und nicht in die anstehende Reform der Ergänzungsleistungen (EL) zu integrieren. Der Entscheid fiel mit 97 zu 87 Stimmen bei 4 Enthaltungen - gegen den Willen von FDP und SVP. Die Höchstbeträge sind letztmals 2001 angepasst worden. Da die Mieten seither deutlich gestiegen sind, möchte der Bundesrat die Beträge erhöhen.
- BERUFLICHE VORSORGE: In der beruflichen Vorsorge sollen Versicherte, welche die Anlagestrategie für ihr Vorsorgeguthaben selbst wählen, künftig auch das Risiko dafür tragen. Der Nationalrat hat eine Gesetzesrevision ohne Gegenstimmen angenommen. Betroffen sind ausschliesslich Personen mit einem Jahreslohn von über 126'900 Franken und Vorsorgeeinrichtungen, die nur im überobligatorischen Teil tätig sind. Damit die Versicherten trotzdem einen gewissen Schutz haben, müssen die Vorsorgeeinrichtungen mindestens eine Strategie mit risikoarmen Anlagen anbieten. Verzichten will der Nationalrat aber auf die Zustimmung des Ehegatten oder des eingetragenen Partners bei der Wahl einer Anlagestrategie. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.
- STANDORTFÖRDERUNG: Die Räte streiten weiter über die Standortförderung. Noch immer nicht einig sind sie sich darüber, wie viel Geld für die Förderung von E-Government zur Verfügung stehen soll. Der Nationalrat will den vom Ständerat beschlossenen Betrag um gut 5 Millionen Franken kürzen. Für die Tourismusförderung hingegen möchte er mehr Geld ausgeben: Mit 94 zu 87 Stimmen beschloss der Nationalrat, das Budget von Schweiz Tourismus für die nächsten vier Jahre um fast 10 Millionen auf 230 Millionen Franken zu erhöhen. Ohne zusätzliche Werbung drohten ein Rückgang der Übernachtungen und Umsatzeinbussen von 11 Millionen Franken, warnte CVP-Sprecher Markus Ritter (SG). Für die Aufstockung hatte sich der Ständerat ausgesprochen, der Nationalrat lehnte diese jedoch zunächst ab.
- SCHNEESPORT: Der Bund soll die Bevölkerung darin unterstützen, mehr Schneesport zu treiben. Aus Sicht des Parlamentes braucht es dazu aber keine obligatorische Schneesportwoche. Der Nationalrat ist stillschweigend auf die Linie des Ständerates eingeschwenkt. Die kleine Kammer hatte einen Eingriff in die Autonomie der Kantone befürchtet. Den Anstoss gab eine Motion von Dominique de Buman (CVP/FR). Er forderte, dass der Bundesrat dem Parlament verschiedene Massnahmen unterbreitet, mit denen der Anteil der Schneesport treibenden Bevölkerung gesteigert werden kann. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
- GESUNDHEIT: Der Nationalrat stört sich daran, dass für medizinische Leistungen unterschiedliche Preise vergütet werden, je nachdem, wer bezahlt. Der Bundesrat muss nun in einem Bericht aufzeigen, wie die Preise der obligatorischen Krankenversicherung und der Unfall-, Invaliden- und Militärversicherung angeglichen werden können. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Gesundheitskommission stillschweigend gutgeheissen. Der Bundesrat muss weiter prüfen, wie die Gleichbehandlung der Versicherten bei der Nichtberufsunfallversicherung sichergestellt werden kann.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ENERGIEWENDE: Der Ständerat setzt bei der Energiewende auf die Wasserkraft. Er will nicht nur den Bau neuer Werke fördern, sondern auch bestehende Grosswasserkraftwerke unterstützen. Das hat er am Dienstag im Rahmen der Beratungen zur Energiestrategie beschlossen. Der Rat folgte mit 32 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Vorschlag seiner Kommission: Bestehende Grosswasserkraftwerke sollen künftig Finanzhilfen des Bundes erhalten, wenn sie sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden. Dafür will der Ständerat 0,2 Rappen aus dem Netzzuschlag für erneuerbare Energien reservieren. Der betroffene Kanton müsste mit tieferen Wasserzinsen einen Beitrag leisten. Die Gegner warnten vergeblich vor Eingriffen in den Markt. Anders als der Nationalrat will der Ständerat ferner auch Kleinstwasserkraftwerke fördern. Und er will die Förderung erneuerbarer Energien zeitlich befristen. Die Beratungen gehen am Mittwoch weiter.
Montag, 21. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) BETREIBUNGEN: Wer ungerechtfertigt betrieben wird, soll dafür sorgen können, dass Dritte nicht von der Betreibung erfahren. Dafür hat sich am Montag der Nationalrat als Erstrat ausgesprochen. Einzig die SVP lehnte die Gesetzesrevision ab. Heute ist es relativ aufwendig, bei ungerechtfertigten Betreibungen einen Eintrag aus dem Betreibungsauszug entfernen zu lassen. Nach dem Willen des Nationalrates sollen betriebene Personen in Zukunft beim zuständigen Betreibungsamt ein Gesuch stellen können, dass eine hängige Betreibung Dritten nicht mitgeteilt wird. Das Betreibungsverfahren würde aber weitergeführt. Das Geschäft geht nun an den Ständerat.
- FLÜCHTLINGE: Der Bundesrat sieht nach wie vor keinen Anlass, an der Grenze wieder systematische Kontrollen durchzuführen. Die Forderung war aus der SVP-Fraktion laut geworden, weil seit letzter Woche an den Grenzen von Deutschland, Österreich und Slowenien wieder kontrolliert wird. Es handle sich um temporäre Grenzkontrollen zur Abwehr einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit, erklärte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in der Fragestunde im Nationalrat. Das Vorgehen sei damit Schengen-konform. In der Schweiz wäre dies nicht der Fall. Auch für den von der SVP geforderten Armeeeinsatz an der Grenze sieht der Bundesrat keinen Anlass.
- JUSTIZ: Der Bundesrat muss in einem Bericht aufzeigen, wie Behördenentscheide, Gerichtsurteile oder Willensäusserungen öffentlich bekannt gemacht werden. Auch sollen die Vor- und Nachteile des heutigen Systems dargelegt werden. Der Nationalrat hiess ein Postulat von alt Nationalrat Mauro Poggia (MCR/GE) stillschweigend gut. Derzeit sei nicht für alle Rechtsbereiche einheitlich geregelt, wie bei Schriftstücken, die eine gesetzliche Frist auslösen, die Fristen bekannt gegeben werden, begründete Poggia seinen Antrag. Es sei aber von grösster Bedeutung, dass sichergestellt sei, dass man sich auf den Beginn einer Frist verlassen könne und dass die Frist die Rechte der Betroffenen respektiere.
- STALKING: Der Bundesrat macht nach Ansicht des Nationalrats zu wenig für den Schutz von Stalkingopfern. Die grosse Kammer hat eine Motion von Doris Fiala (FDP/ZH) gutgeheissen, wonach der Bundesrat "umgehend" Massnahmen treffen soll. Die Art und Weise, wie das Thema auf die lange Bank geschoben werde, sei absolut inakzeptabel, kritisierte Fiala. Der Bundesrat hatte früher argumentiert, er wolle zuerst einen Bericht abwarten, bevor er tätig werde. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga stellte im Rat konkrete Schritte in Aussicht. Die Motion anzunehmen, erziele deshalb keine Wirkung. Der Nationalrat stimmte der Motion mit 158 zu 5 Stimmen dennoch zu. Nun ist der Ständerat am Zug.
- JUGENDGEWALT: Der Nationalrat will straffällige Jugendliche nicht härter anpacken. Er hat eine Motion des Zürcher SVP-Nationalrats Hans Fehr abgelehnt, welche eine drastische Verschärfung des Jugendstrafrechts verlangte. Unter anderem sollten bei schweren Verbrechen generell unbedingte Strafen ausgesprochen werden. Unter Umständen sollten Jugendliche sogar nach dem Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden. Fehr hatte die Motion 2013 eingereicht. Unter dem Eindruck der Affäre Carlos hatte die Mehrheit des Nationalrats den Vorstoss unterzeichnet. Dieser scheiterte nun aber mit 89 zu 79 Stimmen bei 8 Enthaltungen.
- HAFT: Der Nationalrat ist dagegen, den Polizeigewahrsam von 24 auf 72 Stunden zu verlängern. Er lehnte eine Motion der Berner SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler ab. Ihrer Ansicht nach würde es ein längerer Polizeigewahrsam erlauben, die polizeilichen Verfahren seriös durchzuführen. Heute muss spätestens 96 Stunden nach der Verhaftung ein richterlicher Entscheid vorliegen, was der Bundesverfassung und der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht. Das wäre nicht mehr der Fall, wenn der Polizeigewahrsam verlängert würde.
- VERDINGKINDER: Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen sollen keine Gebühren für Nachforschungen nach verschwundenem Geld zahlen. Der Nationalrat hat einem Postulat von Ursula Schneider Schüttel (SP/FR) mit 95 zu 78 Stimmen zugestimmt. Viele Opfer hätten das Bedürfnis, selber aktiv zu werden, begründete Schneider Schüttel ihren Vorstoss im Rat. Für Nachforschungen müssten die ehemaligen Verdingkinder den Banken aber teilweise "happige" Gebühren von bis zu 180 Franken pro Stunden bezahlen. Der Bundesrat sprach sich für das Postulat aus. Er habe eine solche Regelung bereits vorgesehen, erklärte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.
- STAATENLOSIGKEIT: Der Bundesrat will prüfen, ob ein Beitritt der Schweiz zum UNO-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit sinnvoll wäre. Das sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Nationalrat. Das Übereinkommen regelt, wie Staatenlosen die Staatsbürgerschaft des Wohnsitzstaates verliehen werden kann und bietet Lösungen für Probleme an, die mit der Staatenlosigkeit verbunden sind. Das Thema aufgebracht hatte Nationalrätin Nadine Masshardt (SP/BE). Weltweit gelten laut Masshardt über 12 Millionen Menschen als staatenlos, etwa die Hälfte davon sind Kinder. Das UNO-Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 wurde bisher von über 60 Staaten ratifiziert.
- STRAFRECHT: Der Nationalrat will kein nationales Register über Sexual- und Gewaltverbrecher schaffen. Er hat eine Motion von Andrea Geissbühler (SVP/BE) mit 97 zu 75 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Geissbühler argumentierte, mit dem Register könne mehr Transparenz beim Umgang mit gemeingefährlichen Sexual- und Gewalttätern geschaffen und die Bevölkerung besser geschützt werden. Aus Sicht des Bundesrates erhöht ein zusätzliches Register die Sicherheit jedoch nicht. Die zuständigen Vollzugsbehörden hätten bereits heute Zugriff auf alle erforderlichen Informationen, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga.
- MIETRECHT: Der Nationalrat will den zulässigen Mietertrag nicht vom Hypozins abkoppeln. Er hat eine parlamentarische Initiative von Olivier Feller (FDP/VD) knapp mit 81 zu 78 Stimmen abgelehnt. Damit ist diese vom Tisch. Der Nationalrat folgte mit seinem Entscheid der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission, die Fellers Initiative zur Ablehnung empfahl. Die parlamentarische Initiative sei der falsche Weg, um in einem solch komplexen Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden, argumentierte die Kommissionmehrheit. Das Thema müsse ganzheitlich und nicht nur punktuell angegangen werden.
- GRUNDBUCH: Grundeigentümer sollen einsehen können, welche Abfragen Behörden oder Firmen zur ihrem Grundstück im elektronischen Grundbuch tätigen. Der Nationalrat stimmte mit 123 zu 52 Stimmen einer Motion zu, die der Zürcher SVP-Nationalrat und Präsident des Hauseigentümerverbands Hans Egloff eingereicht hatte. Mit dem Einsichtsrecht für Grundeigentümer möchte Egloff den Missbrauch bekämpfen. Via das Onlineportal Terravis können Behörden, zugriffsberechtigte Firmen und Berufsleute beispielsweise die Pfandrechte sehen, mit denen die Grundstücke belastet sind. Mit Zugriffsvertrag wird kein Intereressensnachweis verlangt. Die Motion geht nun an den Ständerat.
- ERBSCHAFTEN: Der Bundesrat soll zurzeit die Möglichkeiten für den Abschluss eines internationalen Abkommens über Erbsachen nicht prüfen. Anders als der Ständerat hat der Nationalrat eine Motion von Luc Recordon (Grüne/VD) stillschweigend abgelehnt. Damit ist diese vom Tisch. Mit der EU bestehe derzeit gar keine Möglichkeit, ein solches Übereinkommen abzuschliessen, gab Kommissionssprecherin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) zu bedenken. Recordon wollte mit seiner Motion verhindern, dass die Schweiz vom Rechtsraum ausgeschlossen werde, den eine Anfang Jahr in Kraft getretene EU-Verordnung schafft.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ENERGIEWENDE: Der Ständerat will keinen "Marschhalt" bei der Energiestrategie. Er hat am Montag die Beratungen aufgenommen und erste Entscheide gefällt. Dagegen stellten sich nur wenige: Mit zwei Gegenstimmen - jenen von Werner Hösli (SVP/GL) und Peter Föhn (SVP/SZ) - beschloss der Rat, auf die Vorlage einzutreten. Ebenso erfolglos war Thomas Hefti (FDP/GL), der dem Rat beantragte, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Zur Energiewende gebe es keine Alternative, lautete der Tenor. Neue Atomkraftwerke würden in den nächsten Jahrzehnten schon allein aus ökonomischen Gründen nicht gebaut. Der Atomstrom müsse also ersetzt werden. Als erstes beschloss der Ständerat dann allerdings, die Ziele für den Ausbau der Produktion aus erneuerbaren Energien zu senken. Die Mehrheit sieht das als Konsequenz aus Entscheiden, die noch folgen werden: Die vorberatende Kommission möchte die Förderung erneuerbarer Energien zeitlich begrenzen und 0,2 Rappen für bestehende Wasserkraftwerke reservieren. Die Beratungen gehen am Dienstag und Mittwoch weiter.
- GÜTERVERKEHR: Die Räte haben sich auf die Revision des Gütertransportgesetzes geeinigt. Mit dieser bekommt der Schienengüterverkehr bessere Rahmenbedingungen, muss sich aber mehr als heute am Markt behaupten. Grundsätzlich werden nur noch Infrastrukturen gefördert, in gewissen Fällen gibt es aber immer noch Betriebssubventionen. Eine davon ist die Unterstützung für die Erneuerung von Umschlaganlagen und Anschlussgleisen, die der Nationalrat beschlossen hat. Nachdem der Ständerat in dieser Frage einlenkte, ist das Gesetz bereit für die Schlussabstimmung.
- STANDORTFÖRDERUNG: Bei der Tourismusförderung werden sich die Räte nicht einig. Der Nationalrat will dafür in den nächsten vier Jahren 220,5 Millionen Franken ausgeben. Der Ständerat beharrt jedoch darauf, das Budget von Schweiz Tourismus um fast 10 Millionen Franken zu erhöhen. Die Marketingorganisation brauche mehr Mittel, um die Auswirkungen des starken Frankens abzufedern, lautete der Tenor. Es handelt sich um einen von einem halben Dutzend Krediten für die Standortförderung. Umstritten ist auch noch der Betrag zur Förderung von E-Government. Mit den Massnahmen sollen KMU administrativ entlastet werden.
Donnerstag, 17. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) NAHRUNGSMITTEL: Der Nationalrat empfiehlt dem Stimmvolk, die Initiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln" abzulehnen. Er hat sich am Donnerstag gegen das Volksbegehren der JUSO ausgesprochen. Die Mehrheit hielt einen Spekulationsstopp für den falschen Weg, um Hunger in der Welt zu bekämpfen. Die Initiative verlangt ein Verbot für Banken, Vermögensverwalter und Versicherungen, in Finanzinstrumente zu investieren, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen. Der Entscheid fiel mit 119 zu 51 Stimmen. Bereits abgelehnt hatte der Ständerat die Initiative. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung.
- UNO-ABKOMMEN: Die Schweiz soll das UNO-Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ratifizieren. Dafür hat sich der Nationalrat als Erstrat ausgesprochen. Gegen die Vorlage stellte sich einzig die SVP. Das UNO-Übereinkommen hat zum Ziel, das Verschwindenlassen von Personen zu bekämpfen und konsequent zu verfolgen. Dabei geht es um Menschen, die vom Staat oder mit dessen Billigung festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt werden. Mit der Ratifikation des UNO-Übereinkommens will der Bundesrat die internationalen Bestrebungen im Kampf gegen dieses Verbrechen unterstützen.
- MILCHMARKT: Der Bundesrat muss die wirtschaftliche Situation und die Perspektiven der Schweizer Milchwirtschaft in einem Bericht aufzeigen. Diesen Auftrag hat der Nationalrat dem Bundesrat erteilt. Auch Öffnungsvarianten für den Milchmarkt sollen im Bericht dargelegt werden. Gegen letzteres hatte sich Bauernverbandsdirektor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois gewehrt. Der Nationalrat sprach sich jedoch mit 102 zu 63 Stimmen bei 8 Enthaltungen dafür aus, auch die Möglichkeiten einer Öffnung des Milchmarkts im Bericht aufzuzeigen. Unbestritten war in der grossen Kammer, dass es einen Bericht zur Situation der Milchwirtschaft braucht: Der Nationalrat hiess das Postulat seiner Wirtschaftskommission stillschweigend gut.
- KINDERARBEIT: Der Bundesrat soll dem Parlament einen Bericht über alle Massnahmen und Aktionen zu unterbreiten, die der Bund zur Bekämpfung der Kinderarbeit auf internationaler Ebene ergriffen hat. Der Nationalrat hat ein Postulat seiner Bildungskommission mit dieser Forderung angenommen, mit 93 zu 63 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Im Bericht soll der Bundesrat auch die Rolle der Schweizer Unternehmen aufzeigen. Eine Auslegeordnung werde helfen, mögliche Mängel zu erkennen, sagte Aline Trede (Grüne/BE) im Namen der Kommission. Dagegen stellte sich Peter Keller (SVP/NW). Niemand sei für Kinderarbeit, stellte er fest. Einen Bericht dazu brauche es aber nicht. So wenig, wie die Schweiz die halbe Welt aufnehmen könne, müsse sie auswärts den Weltmoralisten spielen. Der Bundesrat dagegen zeigte sich mit dem Auftrag einverstanden. Die Internationale Arbeitsorganisation schätzt, dass weltweit rund 168 Millionen Kinder arbeiten müssen.
- VERTRÄGE: Der Nationalrat hat den Bericht des Bundesrates zu den im Jahr 2014 abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen stillschweigend zur Kenntnis genommen. Im letzten Jahr wurden 439 Verträge neu abgeschlossen und 270 geändert. Anhand des Berichts kann das Parlament überprüfen, ob die Verträge in die Zuständigkeit des Bundesrates fallen oder nicht. Falls es der Ansicht ist, ein Vertrag bedürfe einer parlamentarischen Genehmigung, kann es den Bundesrat beauftragen, ihm diesen nachträglich zu unterbreiten.
Der Ständerat in Kürze
(sda) STRASSEN: Das Nationalstrassennetz braucht eine solide Finanzierung. Der Bundesrat hat darum vorgeschlagen, einen neuen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) zu schaffen. Auf Antrag des Thurgauer SVP-Ständerats Roland Eberle hat die kleine Kammer am Donnerstag nun aber beschlossen, die NAF-Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Der Auftrag an die Kommission lautet, den Netzbeschluss darin zu integrieren und für die nötige Finanzierung zu sorgen. Wegen der Finanzierung ist der Netzbeschluss 2013 beim Volk durchgefallen. Mit diesem sollen 400 Kilometer Strasse, für die derzeit die Kantone zuständig sind, ins Nationalstrassennetz aufgenommen werden. Das Parlament hatte beschlossen, die dafür nötigen Mittel durch einer Erhöhung des Vignettenpreises von 40 Franken auf 100 Franken zu beschaffen. In der Referendumsabstimmung sprachen sich über 60 Prozent der Bevölkerung und alle Kantone gegen den Preisaufschlag aus.
- ENERGIE: Das Parlament will erst dann über die Stromeffizienz-Initiative diskutieren, wenn das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 unter Dach und Fach ist. Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat für eine Verlängerung der Frist für die Behandlung der Initiative ausgesprochen. Nach Ansicht der Mehrheit kann keine Abstimmungsempfehlung zur Initiative gefasst werden, bevor der Inhalt der Strategie bekannt ist.
Mittwoch, 16. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) BANKGEHEIMNIS: Das Ende des Bankgeheimnisses für ausländische Bankkunden ist eingeläutet: Der Nationalrat hat am Mittwoch den rechtlichen Grundlagen zum automatischen Informationsaustausch (AIA) zugestimmt, gegen den Willen der SVP. Für die Ratslinke war es ein "historischer Moment". Die Vertreter der bürgerlichen Mitteparteien zeigten sich zwar weniger begeistert. Auch sie sind aber überzeugt davon, dass kein Weg am AIA vorbei führt. Umstritten war im Nationalrat der Umgang mit Daten, welche die Schweizer Behörden von anderen Staaten erhalten - also Daten zu Bankkonten von Personen, die in der Schweiz steuerpflichtig sind und im Ausland Konten haben. Weil im Inland das Bankgeheimnis weiterhin gelten wird, wollte die SVP die Verwendung dieser Daten durch die Schweizer Steuerbehörden verhindern oder einschränken. Der Rat lehnte das ganz knapp ab. Ja sagte der Rat zu einem Antrag von Fabio Regazzi (CVP/TI) für eine Steueramnestie. Die vorgeschlagene Regelung soll Steuerhinterziehern einen Anreiz bieten, ihre Schwarzgelder zu deklarieren.
- WALD: Das Parlament möchte den Bau von Windrädern im Wald erleichtern. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat bei der Revision des Waldgesetzes eine entsprechende Ergänzung angebracht. Zudem will der Nationalrat der Schweizer Holzbranche unter die Arme greifen. Er sprach sich mit grosser Mehrheit dafür aus, Absatzförderungsmassnahmen zugunsten von Schweizer Holz in die Vorlage aufzunehmen. Auch beim Bau von öffentlichen Gebäuden und Anlagen soll der Bund nach Ansicht des Nationalrats die Verwendung Schweizer Holz fördern. Bundesrätin Doris Leuthard warnte mit Verweis auf das WTO-Recht vergeblich, damit begebe man sich juristisch in ein Minenfeld. Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.
- BANKGEHEIMNIS: Der Nationalrat hat am Mittwochabend seine Beratungen zur Revision des Geldwäschereigesetzes begonnen. Entschieden hat er noch nichts. Folgt der Rat der vorberatenden Kommission, wird er sich gegen neue Sorgfaltspflichten für Banken aussprechen. Die Mehrheit der Kommission argumentiert, mit den neuen Pflichten würde den Banken eine polizeiliche Aufgabe übertragen. Auch käme die Umsetzung den Bankensektor teuer zu stehen und würde dessen Wettbewerbsfähigkeit schaden. Die Beratungen werden nächste Woche fortgesetzt.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ALTERSVORSORGE: Zur Finanzierung der AHV soll die Mehrwertsteuer in den nächsten Jahren schrittweise um 1 Prozent angehoben werden. Das hat der Ständerat am Mittwoch beschlossen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene höhere Mindestbeteiligung der Versicherten am Gewinn von Lebensversicherern lehnte er ab. Es handelt sich um die letzten Beschlüsse zur Reform der Altersvorsorge. Die wichtigsten Entscheide hatte der Ständerat schon an den beiden vorangehenden Tagen getroffen: Das Frauenrentenalter wird auf 65 Jahre angehoben, der Umwandlungssatz in der beruflichen Vorsorge gesenkt. Als Ausgleich sollen neue AHV Renten substanziell erhöht werden. Der Ständerat hofft, mit diesem Anreiz beim Volk eine Mehrheit für die Reform zu finden.
- UNFALLVERSICHERUNG: Der Ständerat hat das Unfallversicherungsgesetz über die Ziellinie gebracht. Versichert sind künftig auch Personen, die einen gültigen Arbeitsvertrag besitzen, aber die Stelle noch nicht angetreten haben. Gesetzlich explizit verankert und damit verbessert wird auch der UVG-Versicherungsschutz für Arbeitslose. Für den Fall einer Katastrophe sieht die Gesetzesrevision eine Ereignis-Höchstgrenze vor. Um Schäden zu decken, die darüber hinausgehen, sollen die Versicherer einen Ausgleichsfonds schaffen. Damit findet die seit Jahren blockierte Reform einen Abschluss. Der Ständerat hat eine letzte, technische Differenz zum Nationalrat bereinigt. Das Geschäft ist nun bereit für die Schlussabstimmung.
- BÜRGSCHAFTEN: Der Ständerat möchte die Obergrenze für Bürgschaften an KMU von 500'000 Franken auf 1 Million Franken erhöhen. Er hat eine Motion angenommen, die eine entsprechende Änderung des Gesetzes über Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen verlangt. Der starke Franken und die wirtschaftlichen Unsicherheiten seien für die Unternehmen eine riesige Herausforderung, sagte Motionär Raphaël Comte (FDP/NE). Eine höhere Bürgschaftsobergrenze wäre in dieser Situation von grossem Nutzen. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann zweifelte daran, dass es dafür ein Bedürfnis gibt. Er erinnerte daran, dass nur wenige Kreditnehmer die geltende Limite ausnützen. Seiner Ansicht nach dürfte die Nachfrage nach grösseren Bürgschaften daher bescheiden sein. Der Ständerat nahm die Motion trotzdem mit 20 zu 14 Stimmen an.
- STANDORTPOLITIK: Bundesnahe Betriebe wie die SBB oder die Post sollen bei der Wahl ihrer Standorte darauf achten, dass sie die regionale Standortpolitik des Bundesrates einhalten. Der Ständerat hat mit 33 zu 6 Stimmen eine entsprechende Motion von Alex Kuprecht (SVP/SZ) angenommen. Auslöser für die Motion war die Ankündigung der RUAG, den Standort in Brunnen SZ zu schliessen. Damit gehen rund 110 Arbeitsplätze verloren. Der Bund sollte deshalb die angestrebte regionale Standortpolitik mit den Eignerstrategien der bundesnahen Betriebe verknüpfen. Der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus. Nach seiner Ansicht würde die unternehmerische Freiheit eingeschränkt. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
- REGULIERUNG: Die staatliche Regulierung verursacht bei Unternehmen Kosten von rund 10 Milliarden Franken pro Jahr. Das hat der Bundesrat in einem Bericht festgestellt. Der Ständerat will nun, dass die Landesregierung bis im nächsten Jahr darlegt, wie die Regulierungen abgebaut werden können. Er stimmte mit 17 zu 14 Stimmen knapp einem Postulat von Peter Föhn (SVP/SZ) zu. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann versicherte, der Bundesrat sei auf gutem Weg. Mehr als die Hälfte der im Bericht vorgeschlagenen Massnahmen seien bis Ende 2016 umgesetzt. Der Bundesrat lehnte das Postulat deshalb ab.
- STEUERSCHLUPFLOCH: Der Ständerat will nichts ändern an der Art und Weise, wie Freizügigkeitsguthaben von Auswanderern besteuert werden. Er hat eine parlamentarische Initiative aus dem Nationalrat abgelehnt, mit 24 zu 15 Stimmen. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Der Nationalrat wollte ein Steuerschlupfloch schliessen. Betroffen hätte das Personen, die vor der Pensionierung in ein Land ausserhalb der EU oder EFTA ziehen. Ihr Freizügigkeitsguthaben sollte nach dem Willen des Nationalrates neu am Ort des letzten Schweizer Wohnsitzes statt wie heute am Sitz der Freizügigkeitsstiftung besteuert werden, wenn die Auszahlung nach dem Wegzug erfolgt. Vorgeschlagen hatte dies Roland Fischer (GLP/LU). Er begründete den Vorstoss damit, dass die heutige Regelung in der Praxis missbraucht werde. Um Steuern zu umgehen, transferierten manche kurz vor dem Wegzug aus der Schweiz das Freizügigkeitsguthaben in einen steuergünstigen Kanton.
- UMWELTSCHUTZ: Der Bund soll den Kantonen für den Umweltschutz nicht mehr Mittel zur Verfügung stellen. Der Ständerat hat sich stillschweigend gegen eine Standesinitiative des Kantons Bern ausgesprochen. Der Kanton verweist in seiner Initiative auf die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Diese habe aufgezeigt, dass es für die Umsetzung der bestehenden Aufgaben deutlich mehr Mittel bräuchte, als der Bund heute den Kantonen zur Verfügung stelle. Trotzdem übertrage der Bund den Kantonen immer neue Aufgaben. Mehr Mittel verlangt der Kanton Bern namentlich für die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie oder des revidierten Gewässerschutzgesetzes. Er möchte, dass alle Bundesprojekte mit Bundesgeldern finanziert werden. Die Umweltkommission werde sich mit dem Problem befassen, sei aber nicht mit dem Vorschlag einverstanden, sagte Sprecher Werner Luginbühl (BDP/BE). Mit der Standesinitiative wird sich auch noch der Nationalrat befassen.
- PARLAMENT: Die Sitzungen des Ständerates sollen auch künftig nicht im Internet in die jeweiligen Landessprachen übersetzt werden. Die kleine Kammer hat stillschweigend beschlossen, ein Postulat des früheren SP-Ständerates und heutigen Bundesrates Alain Berset abzuschreiben. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission befand die jährlichen Kosten von 720'000 Franken als zu hoch. Es gehöre zudem zur Kultur der kleinen Kammer, Verständnis für die Sprache und Mentalität der anderen Landesteile zu entwickeln. Anders als im Ständerat werden die Verhandlungen im Nationalrat im Internet auf Deutsch, Französisch und Italienisch übertragen.
- FREIHANDEL: Der Bundesrat soll Abkommen, welche den Freihandel verstärken, konsequent vorantreiben. Damit will der Ständerat Unternehmen von staatlichen Regulierungen entlasten. Er hat stillschweigend einer Motion von Karin Keller-Sutter (FDP/SG) zugestimmt. Konkret geht es um die sogenannte Euro-Med-Konvention, welche einen zollfreien Handelsraum zwischen der EU, EFTA, Mittelmeerländern und dem Westbalkan zum Ziel hat. Für die Schweizer Wirtschaft entstehe so die Möglichkeit, Produkte in einem dieser Staaten zu verarbeiten und dann zollfrei in der Euro-Med-Zone zu exportieren oder umgekehrt. Der Bundesrat befürwortet ebenfalls die Motion. Der Vorstoss geht nun an den Nationalrat.
- KONSUM: Hersteller sollen für Produkte auch dann Garantie- und Installationsarbeiten durchführen, wenn diese direkt in einem EWR-Staat eingekauft wurden. Damit will der Ständerat die Preisinsel Schweiz bekämpfen. Er hat mit 35 zu 4 Stimmen eine Motion von Hans Hess (FDP/OW) angenommen. Bei vielen Konsum- und Investitionsgütern, die durch Fachleute montiert, installiert oder gewartet werden müssten, werde der Direkteinkauf im Ausland verhindert, erklärte Hess. Der Grund: Auf Druck der Hersteller und Importeure verweigerten Handwerker vielfach eine solche Dienstleistung. Nach Ansicht des Bundesrates sind staatliche Regelungen für vertikale Lieferketten aber wenig geeignet, um die Preisinsel Schweiz zu bekämpfen. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
Dienstag, 15. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) ZIVILDIENST: Das neue Zivildienstgesetz ist unter Dach und Fach. Der Nationalrat hat am Dienstag die letzte Differenz zum Ständerat ausgeräumt: Zivildienstleistende dürfen in Zukunft auch an Schulen eingesetzt werden. Der Entscheid fiel mit 97 zu 87 Stimmen bei 5 Enthaltungen knapp. Damit soll der künftige Bedarf gedeckt werden. Zivis dürfen aber die Verantwortung für den Unterricht nicht übernehmen und werden somit keine Lehrkräfte ersetzen. Zu den weiteren Neuerungen gehört, dass Kursbesuche für alle Arten von Einsätzen obligatorisch sein sollen und das Gesuch für den Zivildienst erst nach der Rekrutierung eingereicht werden darf. Das Geschäft ist nun bereit für die Schlussabstimmung.
- INNOVATION: Der Bund kann den nationalen Innovationspark mit Bürgschaften und Bauland unterstützen. Der Nationalrat schwenkte im letzten umstrittenen Punkt auf die Linie des Ständerats ein und brachte die Vorlage damit unter Dach und Fach. Das Parlament gab damit wie vom Bundesrat beantragt grünes Licht für einen Rahmenkredit von 350 Millionen Franken für Bürgschaften zur Vorfinanzierung von Geräten und Einrichtungen. Zudem kann der Bund eigene Grundstücke zu marktüblichen Preisen im Baurecht für das Projekt abgeben. Vorgesehen sind vorerst fünf Standorte: zwei Hubs in der Nähe der beiden ETH Zürich und Lausanne sowie Netzwerkstandorte im Kanton Aargau, in der Region Nordwestschweiz und in Biel.
- LANDWIRTSCHAFT: Der Nationalrat bleibt dabei: Das Cassis-de-Dijon-Prinzip für Lebensmittel soll wieder aufgehoben werden. Er hat einer entsprechenden Gesetzesänderung zum zweiten Mal zugestimmt, mit 105 zu 71 Stimmen bei 11 Enthaltungen. Durchsetzen dürfte sich aber der Ständerat, der am Cassis-de-Dijon-Prinzip festhalten will. Die Schweiz wendet das Prinzip seit 2010 an. Damit können in der EU zugelassene Produkte auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden. Für Lebensmittel braucht es eine Bewilligung des Bundes. Den Bauern ist der erleichterte Import dennoch ein Dorn im Auge. Sie sehen darin eine Gefahr für die hohen Schweizer Qualitätsstandards und die einheimische Landwirtschaft. Die Befürworter erleichterter Importe werfen den Gegnern Protektionismus vor.
- STANDORTFÖRDERUNG: Der Nationalrat will den Tourismus unterstützen, aber weniger stark als der Ständerat. Er hat daran festgehalten, den Zahlungsrahmen der Marketingorganisation Schweiz Tourismus für die nächsten vier Jahre bei 220,5 Millionen Franken zu belassen. Belassen will es der Nationalrat auch dabei, den Betrag zur Förderung von E-Government um 5,3 Millionen auf 12,4 Millionen Franken zu kürzen. Auf die Linie des Ständerates eingeschwenkt ist die grosse Kammer dagegen beim Zahlungsrahmen für die Exportförderung. Er entschied mit Stichentscheid des Ratspräsidenten, den Betrag um 4,4 Millionen auf 94 Millionen Franken zu erhöhen. In der Version des Nationalrates ist das Paket damit 373 Millionen Franken schwer. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat.
- FORSCHUNG: Die Schweiz soll sich weiterhin am europäischen Röntgenlaser European XFEL beteiligen. Der Nationalrat hat dem als Erstrat zugestimmt, gegen den Willen der SVP. Die Europäische Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage (European XFEL) ist eine Synchrotronstrahlungsquelle, eine Art Supermikroskop. Sie soll der Wissenschaft ab 2018 neue Einblicke in die Struktur von Molekülen ermöglichen. Die Forschungsanlage besteht aus einem rund sechs Kilometer langen Tunnelsystem. An dem Grossprojekt in Hamburg sind elf Länder beteiligt, die Gesamtkosten belaufen sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Ab 2018 soll die Schweiz jährlich rund 1,8 Millionen Franken an den Betrieb beitragen, was einem Anteil von 1,5 Prozent entspricht.
- NAHRUNGSMITTEL: Die Volksinitiative "Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln" stösst im Nationalrat auf breiten Widerstand. Das Anliegen der JUSO, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, ist im Rat zwar unbestritten. Die bürgerliche Mehrheit hält ein Spekulationsverbot aber für das falsche Mittel. Der Ständerat hatte die Volksinitiative in der Sommersession zur Ablehnung empfohlen. Der Nationalrat setzt seine Beratungen am Donnerstag fort. Die Initiative verlangt ein Verbot für Banken, Vermögensverwalter oder Versicherungen, in Finanzinstrumente zu investieren, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen. Damit soll der Spekulation mit Nahrungsmitteln ein Riegel geschoben werden.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ALTERSVORSORGE: Frauen sollen ein Jahr länger arbeiten, die Renten der beruflichen Vorsorge sinken. Als Ausgleich steigt die AHV. Damit hofft der Ständerat, beim Volk eine Mehrheit für die Reform der Altersvorsorge zu finden. Aus dem gleichen Grund strich er am Dienstag die Abschaffung der Witwenrente für Frauen ohne Betreuungspflichten aus der Vorlage. Andererseits lehnte es der Ständerat auch ab, Personen mit tiefem Einkommen den vorzeitigen Altersrücktritt zu erleichtern. Den Bund will er stärker zur Kasse bitten als vom Bundesrat vorgeschlagen. Ob und um wie viel die Mehrwertsteuer zur Finanzierung der AHV aufschlägt, hat der Ständerat noch nicht entschieden. Die Debatte wird am Mittwoch fortgesetzt.
- VORSORGE: Die Regeln für patronale Wohlfahrtsfonds, die Unternehmen für Notlagen freiwillig einrichten, werden gelockert. Der Ständerat ist in den letzten strittigen Punkten auf die Linie des Nationalrats eingeschwenkt. Mit der Lockerung der Regeln will das Parlament verhindern, dass die Zahl der Wohlfahrtsfonds weiter sinkt. Aus Sicht der Räte drohte die Gefahr, dass Wohlfahrtsfonds nach und nach verschwinden, weil für sie bisher dieselben strengen Regeln gelten wie für die obligatorischen Stiftungen der beruflichen Vorsorge. Patronale Wohlfahrtsfonds werden alleine mit Arbeitgeberbeiträgen gespiesen. Unternehmen führen sie, um Arbeitnehmer und deren Angehörige in Not- und Härtefällen zu unterstützen, Pensionskassen zu sanieren oder Restrukturierungen abzufedern.
Montag, 14. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) UMWELT: Der Nationalrat will keine neue Regeln für einen schonenderen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Er hat am Montag den Gegenvorschlag zur Initiative "Grüne Wirtschaft" knapp abgelehnt. Bürgerlichen Vertretern war die Vorlage zu wenig wirtschaftsfreundlich. Sie stimmten in der Gesamtabstimmung dagegen, obwohl sie zuvor einen grossen Teil ihrer Forderungen durchgebracht hatte. Der Entscheid fiel mit 95 zu 92 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat. Mit der Volksinitiative "Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)" wollen die Grünen erreichen, dass der Ressourcen- und Energieverbrauch sinkt.
- FLÜCHTLINGSKRISE: Der Bundesrat zieht derzeit nicht in Betracht, an den Schweizer Grenzen wieder Grenzkontrollen einzuführen. Die Voraussetzungen dafür seien nicht gegeben. Weder die öffentliche Ordnung noch die innere Sicherheit seien bedroht, schreibt der Bundesrat in Antworten auf Fragen aus der Fragestunde des Nationalrates. Der Bundesrat hält fest, wegen der ausserordentlichen Flüchtlingssituation stosse das Dublin-System an seine Grenzen. Solche Situationen könnten nur mit einer fairen Verteilung von Asylsuchenden gelöst werden. Eine volle Sicherung der Landesgrenzen, wie sie von rechter Seite gefordert wird, wäre laut dem Bundesrat praktisch unmöglich, ebenso wie die Kontrolle aller Fahrzeuge und Insassen an den Grenzübergängen. Eine solche habe in den vergangenen Jahrzehnten auch nie stattgefunden, schreibt der Bundesrat.
- SERVICE PUBLIC: Das Parlament empfiehlt dem Stimmvolk, die Volksinitiative "Pro Service public" abzulehnen. Die Initiative stärke den Service public nicht, sondern schade ihm, warnten Nationalräte von links bis rechts. Kein einziger Parlamentarier unterstützt das Volksbegehren. Der Nationalrat folgte stillschweigend dem Antrag des Bundesrates, sich gegen die Volksinitiative auszusprechen. Diese verlangt, dass bundesnahe Unternehmen wie Post, Swisscom und SBB in der Grundversorgung nicht nach Gewinnen streben und auf Quersubventionierung verzichten sollen. Hinter der Initiative stehen die Konsumentenzeitschriften "K-Tipp", "Saldo", "Bon à Savoir" und "Spendere Meglio".
- POST: Die Post könnte künftig weniger Kioskartikel und andere Drittprodukte verkaufen dürfen. Der Nationalrat hat den Bundesrat beauftragt zu prüfen, ob und wie der Bund als Eigner erreichen kann, dass die Post beim Sortiment Mass hält. Er überwies stillschweigend ein entsprechendes Postulat der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF). Nach dem Willen der Kommission soll der Bundesrat insbesondere prüfen, ob er bei der Festlegung der strategischen Ziele für die Post auf eine Beschränkung hinwirken kann. Die Post hat allerdings bereits auf die Kritik an ihrem Sortiment reagiert. Sie gab im April bekannt, sie wolle das Angebot von Drittprodukten straffen.
- FISCHEREI: Der Bundesrat soll einen Bericht über die Situation der Schweizer Gewässer vorlegen, in denen Fischerei betrieben wird. Der Nationalrat hat mit 125 zu 47 Stimmen ein Postulat seiner Umweltkommission angenommen. Die Qualität der Seen und Fliessgewässer hierzulande habe sich in den letzten Jahrzehnten beträchtlich verbessert. Nach wie vor prekär sei aber die Situation für die Berufsfischerei, begründet die Kommission ihr Anliegen. Der Bundesrat lehnt das Postulat ab. Zur ökologischen Situation der Gewässer lägen bereits eine Vielzahl von Publikationen vor. Für eine Analyse der Herausforderungen der Berufsfischerei sei die zuständige Organisation der Arbeitswelt zuständig.
- KLIMA: Die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent bis 2020 soll vollständig im Inland erreicht werden. Der Nationalrat hat mit 106 zu 73 Stimmen eine Motion seiner Umweltkommission abgelehnt, die Hälfte der Emissionen mittels Zertifikaten im Ausland zu realisieren. Das Ziel in der laufenden Periode sei unrealistisch, wenn dieses nur im Inland umgesetzt werden soll, argumentierte die Kommissionsmehrheit. Der Bundesrat lehnt die Motion ebenfalls ab. Das Parlament selbst habe das reine Inlandziel entgegen seinen Vorschlägen im Gesetz verankert, sagte Umweltministerin Doris Leuthard im Rat. Der Vorstoss ist damit vom Tisch.
- DSCHIHADISMUS: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat bisher 40 Dschihad-Reisende aus der Schweiz gezählt. Es handelt sich dabei um bestätigte Fälle. Hinzu kommen 29 Verdachtsfälle. Bei ihnen wird vermutet, dass sie aus dschihadistischen Motiven in ein Konfliktgebiet gereist sind. Das schreibt der Bundesrat in seiner Antwort auf eine Frage aus der Fragestunde des Nationalrates. Von den 69 Verdachtsfällen handelt es sich bei 24 Personen um Schweizer Bürger. 45 Personen haben eine andere Nationalität. Drei dieser Personen haben in der Schweiz Asyl erhalten. Dabei handle es sich um bestätigte Fälle, schreibt der Bundesrat. In zwei Fällen sei das Asyl widerrufen worden. Im dritten Fall sei das nicht möglich gewesen, weil die betroffene Person eingebürgert worden sei.
- BEHINDERTE: Der Bundesrat soll Gehbehinderte von Parkgebühren gänzlich ausnehmen. Der Nationalrat hat mit 80 zu 77 Stimmen bei 21 Enthaltungen einer Motion von Barbara Gysi (SP/SG) zugestimmt. Gehbehinderte können heute ihre Autos im Parkverbot bis zu drei Stunden lang und auf Parkplätzen unbegrenzt abstellen. Ob das Parkieren kostenpflichtig oder kostenfrei ist, obliegt weiterhin den Kantonen. Um dies herauszufinden, müssten Gehbehinderte aber einen unverhältnismässig hohen Aufwand betreiben, begründet Gysi ihren Vorstoss. Dagegen seien die Einnahmenausfälle zu vernachlässigen, weil es relativ wenige Betroffene gebe. Der Bundesrat lehnt den Vorstoss ab. Die Frage der Gebühren sei aber Kantonssache. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.
- KARIKATUR: Der Bundesrat bedauert, dass der Schweizer Botschafter in Iran vor Unternehmern in Zürich eine Karikatur mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gezeigt hat. Er betrachtet diese als "deplatziert", wie er in seiner Antwort auf eine Frage aus dem Nationalrat schreibt. Botschafter Giulio Haas habe indes nicht die Absicht gehabt, jemanden zu beleidigen, betont der Bundesrat. Sollte er dies bewirkt haben, bedauere er es. Der Botschafter geniesse weiterhin das Vertrauen des Aussendepartements. Seine Arbeit werde geschätzt, Sanktionen würden nicht in Betracht gezogen. Die Karikatur zeigte eine iranische und eine amerikanische Friedenstaube, die auf Netanjahus Kopf ihr Geschäft verrichten.
- WEINBAU: Das Pilzschutzmittel "Moon Privilege" ist in der Schweiz nicht mehr zugelassen. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat die Zulassung ausgesetzt, wie der Bundesrat in einer Antwort auf eine Frage aus der Fragestunde des Nationalrates schreibt. Der Hersteller des Fungizids, Bayer, hatte ebenfalls empfohlen, das Mittel nicht mehr zu verwenden, bis die Ursachen der Schäden an Reben geklärt seien. Schweizer Winzer machen das Pilzschutzmittel verantwortlich für Schäden, die vor allem in den Waadtländer, den Neuenburger und den Walliser Rebbergen festgestellt wurden. Die Blätter der Pflanzen waren deformiert, und es wuchsen keine Beeren. Die gleichen Symptome waren auch bei Reben in Deutschland, in Österreich und im Südtirol aufgetreten.
- MEDIEN: Der Bundesrat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die geplante Werbeallianz von SRG, Swisscom und Ringier die Unabhängigkeit der Medien vom Staat gefährden könnte. Eine Empfehlung zur Kooperation wird der Bundesrat nicht abgeben. Das sei im Gesetz nicht vorgesehen, sagte Medienministerin Doris Leuthard in der Fragestunde des Nationalrats. Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) prüfe derzeit, ob die Beteiligung der SRG den Entfaltungsspielraum privater Verlagshäuser und Medienanbieter übermässig beschränke. Bei Bedarf könnte ihr Departement der SRG Auflagen machen, sagte Leuthard.
- STRASSENVERKEHR: Neue Autos, die in der EU genehmigt wurden, sollen in der Schweiz ohne strassenverkehrsamtliche Prüfung in Verkehr gesetzt werden können. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion von Christophe Darbellay (CVP/VS) mit 88 zu 81 Stimmen bei 9 Enthaltungen angenommen. Bundesrätin Doris Leuthard verwies vergeblich darauf, dass die Schweizer Zulassungsbehörden seit Mai 2012 in solchen Fällen nur noch eine Identifikationsprüfung vornehmen: Es werde nur geprüft, ob das Fahrzeug mit den Angaben übereinstimme. Eine technische Funktionsprüfung gebe es nicht.
- NATIONALRAT: Der Nationalrat hat einen Fauxpas der letzten Session ausgebügelt: Er fügte in seinem Geschäftsreglement Bestimmungen wieder ein, die er zuvor "versehentlich aufgehoben" hatte, wie es die vorberatende Kommission formulierte. In der Sommersession hatte der Nationalrat ein Geschäft zur Legislaturplanung in der Schlussabstimmung versenkt. Allerdings lehnte er nur die Änderung im Parlamentsgesetz ab, jedoch nicht jene im Geschäftsreglement des Nationalrats. Die sachliche und politische Logik hätte in beiden Fällen dasselbe Stimmverhalten verlangt.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ALTERSVORSORGE: Bei der Reform der Altersvorsorge hat der Ständerat am Montag erste wichtige Entscheide gefällt. Er beschloss, das Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre anzuheben. In der beruflichen Vorsorge wird der Mindestumwandlungssatz gesenkt, was zu tieferen Renten führt. Es handelt sich um zwei zentrale Bausteine der Reform, mit welcher der Alterung der Bevölkerung, der höheren Lebenserwartung und den tieferen Erträgen der Pensionskassenguthaben Rechnung getragen werden soll. Unbestrittenes Ziel ist es aber, dass die Altersleistungen insgesamt nicht sinken. Die Ständeratskommission möchte dies unter anderem mit höheren AHV-Renten erreichen. Mit der Diskussion über diesen höchst umstrittenen Vorschlag geht die Debatte in der kleinen Kammer am Dienstagmorgen weiter.
- NACHRICHTENDIENST: Beim Nachrichtendienstgesetz zeichnet sich eine Einigung zwischen National- und Ständerat ab. Die kleine Kammer hat sich in einem umstrittenen Punkt der grossen angeschlossen. Dabei geht es um die Frage, wessen Erlaubnis der Nachrichtendienst braucht, um zur Informationsbeschaffung in Computer im Ausland einzudringen. Der Ständerat wollte zunächst, dass dafür dasselbe Genehmigungsverfahren gilt wie für das Eindringen in Computer im Inland. Der Nachrichtendienst müsste demnach die Zustimmung des Verteidigungsministers und eines Richters des Bundesverwaltungsgerichts einholen. Dieses hatte jedoch darauf hingewiesen, dass kein Richter einer solchen Massnahme auf fremdem Territorium zustimmen könnte. Der Ständerat schlägt nun vor, dass der Verteidigungsminister über die Durchführung einer solchen Massnahme entscheidet, und zwar nach Konsultation des Aussenministers und der Justizministerin.
Donnerstag, 10. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) UMWELT: Der Nationalrat will neue Regeln für einen schonenderen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Er hat am Donnerstag erste Entscheide zum Gegenvorschlag der Initiative für eine "Grüne Wirtschaft" gefällt. In einigen Punkten ist er der Wirtschaft mehr entgegengekommen als der Ständerat. So will er bei der Ressourceneffizienz ganz auf freiwillige Massnahmen der Branchen setzen. Erst wenn diese versagen, soll der Bund gesetzliche Regelungen erlassen. Zudem soll es einen "KMU-Schutz" bei der stofflichen Verwertung geben. Der Nationalrat berät das Gesetz am Montag weiter.
- UNFALLVERSICHERUNG: Der Nationalrat hat das Unfallversicherungsgesetz praktisch über die Ziellinie gebracht. Zum Ständerat verbleibt noch eine technische Differenz. Damit stehen die seit Jahren blockierte Reform vor einem Abschluss. Künftig sind auch Personen versichert, die einen gültigen Arbeitsvertrag besitzen, aber die Stelle noch nicht angetreten haben. Gesetzlich explizit verankert und damit verbessert wird auch der UVG-Versicherungsschutz für Arbeitslose. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat.
- BAHN: Der Gütertransport bleibt vorerst eine Kernaufgabe der SBB. Zunächst wollte der Nationalrat die Pflichten des Bahnunternehmens auf Infrastruktur und Personenverkehr beschränken. Nun hat er dem Ständerat nachgegeben und das Pflichtenheft der SBB unverändert gelassen. Zugleich beschloss er bei der Revision des Gütertransportgesetzes, dass nicht nur Bahninfrastrukturen, sondern auch Hafenanlagen vom 250 Millionen Franken schweren Subventionstopf profitieren sollen. Das könnte den geplanten Ausbau des Basler Rheinhafens neuen Schub verleihen. Noch gibt es dort allerdings keine spruchreifen Projekte, weshalb der Verkehrsministerin Doris Leuthard für einen separaten Kredit plädiert hatte.
- QUECKSILBER: Der Nationalrat hat am die Minamata-Konvention gutgeheissen. Diese soll die Freisetzung des gesundheits- und umweltschädlichen Schwermetalls Quecksilber weltweit verringern. Dafür wird die Anwendung in industriellen Prozessen eingeschränkt. Quecksilberhaltige Produkte werden verboten, sofern eine Alternative zur Verfügung steht. Die Schweiz erfüllt die meisten Auflagen der Konvention, Massnahmen sind nur beim Export nötig. Das Abkommen tritt nach der Ratifizierung durch 50 Staaten voraussichtlich 2016 oder 2017 in Kraft. Der Bundesrat hofft, dessen Sekretariat in Genf ansiedeln zu können. Nun muss noch der Ständerat zustimmen.
Der Ständerat in Kürze
(sda) KORRUPTION: Bestechung bei der Vergabe von Sportanlässen ist in der Schweiz künftig strafbar. Der Ständerat hat am Donnerstag die so genannte "Lex FIFA" unter Dach und Fach gebracht. Damit wird Privatbestechung als Straftatbestand im Strafgesetzbuch aufgenommen; zudem gilt sie in schweren Fällen als Offizialdelikt. Heute ist die Bestechung Privater ist nur strafbar, wenn sie zu Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb führt. Die Bestechungsvorwürfe rund um die FIFA hätten die Lücken in dieser Gesetzgebung deutlich gezeigt, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Parlament. Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von Grossanlässen würden heute vom Korruptionsstrafrecht nicht erfasst. Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmung.
- EINBÜRGERUNG: Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation sollen sich in der Schweiz leichter einbürgern lassen können. Der Ständerat hat sich im Grundsatz für eine Änderung der Bundesverfassung und des Bürgerrechtsgesetzes ausgesprochen. Die Frage war aber äusserst umstritten: Bei 21 zu 21 Stimmen bei einer Enthaltung lag der Entscheid in den Händen von Ratspräsident Claude Hêche (SP/JU). Dieser sprach sich dafür aus, auf die Vorlage einzutreten. Über die Details wird der Rat erst später befinden. Die Befürworter der erleichterten Einbürgerung argumentierten, es gehe um Menschen, die perfekt integriert seien. Die Gegner befürchten, die neue Verfassungsbestimmung könnte den Weg für die automatische Einbürgerung bei Geburt in der Schweiz bereiten.
- WHISTLEBLOWER: Der Bundesrat muss bei der Whistleblower-Vorlage über die Bücher. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat stillschweigend entschieden, die Vorlage zurück an den Bundesrat zu schicken. Zwar möchte auch der Ständerat im Gesetz regeln, unter welchen Umständen Meldungen über Missstände am Arbeitsplatz zulässig sind. Der Bundesrat soll den Gesetzesentwurf aber verständlicher und einfacher zu formulieren. Die Grundstruktur der Vorlage, namentlich die Kaskade der Anlaufstellen für Whistleblower, soll nicht geändert werden. Justizministerin Simonetta Sommaruga warnte vor allzu hohen Erwartungen: Wenn man den Entwurf vereinfache, drohe unter Umständen ein Verlust an Präzision.
- FLÜCHTLINGE: Das Parlament hat der Forderung der SVP nach einem Asylmoratorium eine klare Absage erteilt. Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat damit befasst. Mit Ausnahme des Schwyzer SVP-Ständerats Peter Föhn sprach sich niemand dafür aus, per Notrecht das Asylgesetz ausser Kraft zu setzen und keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen. Föhn zog den Vorstoss daher vor der Abstimmung zurück. In seinen Ausführungen hatte er insbesondere auf Asylsuchende aus Eritrea gezielt, aber auch auf jene aus dem Bürgerkriegsland Syrien: Ihm sei aufgefallen, dass viele Syrer in den Fernsehbeiträgen Englisch sprächen. Das könnten also nicht die Ärmsten sein, befand Föhn. Wie am Vortag im Nationalrat erntete die SVP auch im Ständerat Kritik, wenngleich weniger laute. Die Forderung sei unmenschlich, hiess es. Auch von Schande war die Rede.
- BETREIBUNGEN: Inkassobüros und andere gewerbsmässige Gläubigervertreter sollten künftig in allen Kantonen die gleichen Regeln antreffen, wenn sie für ihre Kunden beispielsweise Betreibungen einleiten. Nach dem Nationalrat hiess auch der Ständerat diese Gesetzesänderung gut, mit 27 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung. Heute können die Kantone die Bedingungen festlegen, unter welchen eine Person gewerbsmässig Dritte vor den Betreibungs- und Konkursämtern vertreten darf. Dort, wo es solche Regeln gibt, ist die Vertretungsbefugnis in der Regel den Rechtsanwälten vorbehalten. Entsprechend hoch sind die Kosten für die Gläubiger.
- MAFIA: Der Ständerat möchte die Probleme bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens angehen. Er hat oppositionslos eine Motion seiner Rechtskommission gutgeheissen, die eine Änderung der entsprechenden Strafnorm verlangt. Das Paradebeispiel kenne man aus Filmen, sagte Claude Janiak (SP/BL) im Namen der Kommission. Der Mafiaboss hebe den Finger als Zeichen eines Auftrags, jemanden um die Ecke zu bringen. Ihm auf dieser Basis eine Beteiligung am Verbrechen nachzuweisen, sei schwierig. Der Vorstoss geht nun an den Nationalrat. Der Bundesrat stellt sich nicht gegen den Auftrag. Er gibt aber zu bedenken, dass es nicht einfach sein dürfte, einen griffigeren Straftatbestand zu formulieren, der mehr Verurteilungen ermögliche.
Mittwoch, 9. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) FLÜCHTLINGE: Die Asylverfahren in der Schweiz sollen beschleunigt werden. Das ist das Ziel der Reform, die der Nationalrat am Mittwoch nach rund zehnstündigen Beratungen beschlossen hat. Die Pläne stiessen wie bereits im Ständerat auf breite Zustimmung. Dagegen stellte sich nur die SVP. Ihr wurde vorgeworfen, an Lösungen gar nicht interessiert zu sein. Bei den einzelnen Bestimmungen folgte der Nationalrat ausnahmslos seiner Kommission und blieb damit auf Bundesratskurs. Neben Anträgen der SVP lehnte er auch solche von SP und Grünen ab, die das Botschaftsasyl wieder einführen wollten.
- ASYLMORATORIUM: Der Nationalrat hält nichts von einem Asylmoratorium. Er hat im Rahmen einer Sonderdebatte eine Motion der SVP-Fraktion mit 103 zu 48 Stimmen bei 3 Enthaltungen abgelehnt. Die SVP wurde für den Vorstoss heftig kritisiert. Nach dem Willen der Volkspartei sollte der Bundesrat mittels Notrecht die Anwendung des Asylgesetzes für mindestens ein Jahr teilweise ausser Kraft setzen. Während dieser Zeit dürften keine Personen mehr ins Asylverfahren aufgenommen oder als Flüchtlinge anerkannt werden. Im Nationalrat wurde die Forderung als "menschenverachtend" und "schamlos" bezeichnet. Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte fest, die Motion enthalte "keinen einzigen vernünftigen Vorschlag" für die Bewältigung der Herausforderungen.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ZIVILDIENST: Zivildienstleistende sollen an Schulen eingesetzt werden. Anders als der Nationalrat hat der Ständerat am Mittwoch den Vorschlag des Bundesrates gutgeheissen, solche Einsätze zu ermöglichen. Der Entscheid fiel ohne Gegenstimme. Die kantonale Schulhoheit bleibe gewährleistet und für die Schulen selbst entstehe kein Zwang, befand die Ratsmehrheit. Die Zivis würden zudem keine Lehrpersonen ersetzen. Auf Zustimmung stiessen auch die übrigen Änderungen des Zivildienstgesetzes. Weiter als der Bundesrat geht der Ständerat bei der Finanzhilfe zugunsten der Einsatzbetriebe, wenn diese sich für den Erhalt von Kulturgütern einsetzen. Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat.
- STANDORTFÖRDERUNG: Der Ständerat will den Tourismus stärker unterstützen. Er hat den Zahlungsrahmen der Marketingorganisation Schweiz Tourismus für die nächsten vier Jahre um 9,5 Millionen Franken auf 230 Millionen Franken erhöht. Die Mehrheit hielt die Aufstockung für nötig, weil die Tourismusbranche dem Wechselkurs besonders stark ausgesetzt sei. Im Rahmen der Standortförderung hiess der Ständerat auch 17,7 Millionen Franken für die Förderung von E-Government gut, um KMU administrativ zu entlasten. Auch der Zahlungsrahmen für die Exportförderung wurde aufgestockt. Insgesamt ist das Standortförderungs-Paket knapp 388 Millionen Franken schwer. Dieses umfasst auch das zweite Mehrjahresprogramm der Neuen Regionalpolitik.
- BILDUNG: Der Ständerat erwartet vom Bundesrat, dass Erwachsene gefördert werden, die einen Berufsabschluss nachholen wollen. Er hat ein Postulat seiner Bildungskommission oppositionslos gutgeheissen. Diese reichte den Vorstoss ein, nachdem sie zwei Vorstösse abgelehnt hatte, die 50 Millionen Franken für eine Qualifizierungsoffensive verlangten. Das Postulat solle den Bundesrat aber ermuntern, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen, sagte Werner Luginbühl (BDP/BE). Der Bund hat 2013 ein entsprechendes Programm lanciert. Berichte gebe es nun genügend, sagte Anita Fetz (SP/BS). Jetzt müsse "Dampf gemacht werden". Bundesrat Johann Schneider-Ammann versicherte, dass "die Ernsthaftigkeit erkannt" sei. Heute haben in der Schweiz rund 400'000 Erwachsene keinen nachobligatorischen Abschluss.
- INNOVATION: Der Bund soll den nationalen Innovationspark unterstützen. Nach dem Nationalrat hat sich auch der Ständerat dafür ausgesprochen. Er möchte bei der Förderung aber weniger weit gehen als die grosse Kammer. Der Ständerat gab grünes Licht für einen Rahmenkredit von 350 Millionen Franken für Bürgschaften zur Vorfinanzierung von Forschungsinfrastrukturen sowie dafür, dass der Bund eigene Grundstücke für das Projekt zu marktüblichen Preisen im Baurecht abgeben kann. Nein sagte der Ständerat mit 21 zu 17 Stimmen zu einer Ergänzung, welche der Nationalrat angebracht hatte: Der Ständerat will nicht, dass die Einnahmen aus dem Baurechtszins der Stiftung "Swiss Innovation Park" zukommen. Die Vorlage geht mit dieser Differenz zurück an den Nationalrat.
- HOCHSCHULEN: Der wissenschaftliche Nachwuchs in der Schweiz soll stärker gefördert werden, und zwar über neue Karrierestrukturen an Hochschulen. Eine Kommission will der Ständerat dazu aber nicht einsetzen. Stillschweigend hat er eine Motion abgelehnt. Damit ist das Geschäft vom Tisch. Der Wissenschaftskommission des Nationalrates, die den Vorstoss eingereicht hat, schwebte ein Anreizsystem für Hochschulen vor, ein mehrstufiges Karrieremodell einzuführen. Das Anliegen war im Ständerat grundsätzlich unbestritten. Eine Expertenkommission einzusetzen, sei aber weder zweckmässig noch sachdienlich. Bundesrat Johann Schneider-Ammann verwies darauf, dass ein entsprechendes Massnahmenpaket bereits in Arbeit sei.
Dienstag, 8. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) KORRUPTION: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat bei der "Lex FIFA" eine Ausnahme eingefügt: Privatbestechung soll nicht immer ein Offizialdelikt sein, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. In leichten Fällen soll die Tat nur auf Antrag verfolgt werden. Abgesehen von dieser Änderung zeigte sich die Mehrheit des Nationalrates mit der Verschärfung des Korruptionsstrafrechts einverstanden, nur die SVP bezeichnete diese als unnötig. Ziel der Vorlage ist es, Privatbestechung - beispielsweise bei der Vergabe von Sportanlässen - besser verfolgen zu können. Privatbestechung soll deshalb neu als Straftatbestand im Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat.
- SERVICE PUBLIC: In der Bundesverfassung werden keine neuen Bestimmungen zur Grundversorgung verankert. Der Nationalrat hat sich zum zweiten Mal dagegen ausgesprochen. Die Vorlage ist damit vom Tisch. Für den Verfassungsartikel votierten SP, Grüne und ein Teil der CVP. Ihnen ging es um ein Bekenntnis zur Grundversorgung und zu den Randregionen. Der Service public gerate im Zuge von Sparmassnahmen zunehmend unter Druck, gab Edith Graf-Litscher (SP/TG) zu bedenken. Die Gegnerinnen und Gegner versicherten, die Grundversorgung sei auch ihnen wichtig. Die geplante Verfassungsbestimmung sei aber überflüssig. Post und der öffentliche Verkehr funktionierten, das Stimmvolk sollte nicht für eine rein symbolische Verfassungsänderung bemüht werden.
- SWISSNESS: Der Nationalrat will die Swissness-Regeln nicht auf Eis legen. Er hat eine Motion seiner Rechtskommission abgelehnt, die einen Marschhalt verlangte. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Der Entscheid fiel mit 108 zu 72 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Die Befürworter der Motion wollten den Bundesrat auffordern, die Swissness-Regeln später als geplant in Kraft zu setzen und die Ausführungsverordnungen zu vereinfachen. Diese seien nicht praxistauglich, sagte Pirmin Schwander (SVP/SZ) sagte. Er sprach von einem "Luxus- und Bürokratiemoloch". Justizministerin Simonetta Sommaruga rief in Erinnerung, dass das Parlament dem Swissness-Gesetz zugestimmt hatte. Der Bundesrat habe wie üblich die Verordnungen erlassen. Dabei habe er viele Anliegen aufgenommen. Er habe sich aber an den Rahmen des Gesetzes halten müssen.
- MENSCHENRECHTE: Ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hat im Nationalrat zu einer Grundsatzdebatte über die Konvention geführt. Der Rat sprach sich schliesslich für die Genehmigung des Protokolls aus, gegen den Willen der SVP. Mit dem Zusatzprotokoll Nr. 15 soll der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entlastet werden. Die wichtigste Änderung: Neu soll in der Präambel der EMRK ausdrücklich das Subsidiaritätsprinzip verankert werden. Das bedeutet, dass in erster Linie die Vertragsstaaten für die Einhaltung und Umsetzung der EMRK verantwortlich sind. Der EGMR kommt erst dann zum Zug, wenn nationale Gerichte bei der Sicherung der Menschenrechte versagen. Der Nationalrat sprach sich mit 136 zu 46 Stimmen bei 2 Enthaltungen für die Genehmigung aus. Nun ist der Ständerat am Zug.
- FIRMENNAMEN: Firmen können künftig ihren Namen beibehalten, wenn Rechtsform oder Eigentümer ändern. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer Revision des Obligationenrechts zugestimmt, mit der das Firmenrecht modernisiert wird. Die Neuerungen waren unbestritten, sie passierten die grosse Kammer ohne Gegenstimme. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmungen am Ende der Session. Die heutigen Bestimmungen würden als zu streng empfunden, sagte Kommissionssprecher Karl Vogler (CVP/OW). Die Änderungen stellten eine Deregulierung dar. Tausende KMU könnten davon profitieren.
- ARBEITSMARKT: Angesichts des Fachkräftemangels soll der Bund während vier Jahren jährlich 50 Millionen Franken in die berufliche Grundbildung investieren. Der Nationalrat hiess als Erstrat eine entsprechende parlamentarische Initiative von Felix Müri (SVP/LU) stillschweigend gut. Mit dem Geld sollen die Kantone etwa das Nachholen eines Lehrabschlusses, das Erarbeiten von arbeitsmarktorientierten Grundkompetenzen oder den beruflichen Wiedereinstieg unterstützen können. Nun muss der Ständerat über die parlamentarische Initiative beraten.
- RECHT: Der Bundesrat muss zur neuen Zivilprozessordnung (ZPO) eine erste Zwischenbilanz ziehen, ihre Praxistauglichkeit prüfen - und allenfalls bis Ende 2018 Verbesserungsvorschläge vorlegen. Diesen Auftrag hat ihm das Parlament erteilt. Nach dem Ständerat hiess auch der Nationalrat eine entsprechende Motion der ständerätlichen Kommission für Rechtsfragen stillschweigend gut. Der Bundesrat zeigte sich mit dem Auftrag einverstanden. Die Schweizerische Zivilprozessordnung trat Anfang 2011 in Kraft und ersetzte die bisherigen 26 Regelwerke der Kantone.
Der Ständerat in Kürze
(sda) MEDIKAMENTE: Der Ständerat will Versandapotheken nicht einschränken. Er hat sich am Dienstag dagegen ausgesprochen, dass das Rezept für ein Medikament schon vor der Bestellung vorliegen muss. Auch in anderen Punkten sind sich National- und Ständerat beim Heilmittelgesetz noch nicht einig. So ist umstritten, ob die Regeln gegen Missbrauch nur gelten, wenn rezeptpflichtige Medikamente verschrieben werden, oder ob sie sich auf alle Heilmittel beziehen. Auch über die Vorschriften selbst haben sich die Räte noch nicht geeinigt. Zudem hält der Ständerat einen längeren Schutz der Zulassungsunterlagen für den besseren Forschungsanreiz. Der Nationalrat hingegen setzt bei Medikamenten gegen seltene Krankheiten auf ein befristetes Monopol.
- UNFALLVERSICHERUNG: Im Unfallversicherungsgesetz sollen Lücken geschlossen werden. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat den Vorschlägen des Bundesrates zugestimmt. Damit kommt die seit Jahren blockierte Revision wieder in Gang. Klar geregelt werden soll etwa der Beginn der Versicherung: Als versichert gilt, wer einen gültigen Arbeitsvertrag hat und nicht erst, wer sich das erste Mal zur neuen Arbeitsstelle begibt. Eine Differenz zwischen den Räten verbleibt aber. Anders als der Ständerat will der Nationalrat die Wartefrist in der Berufsunfallversicherung unter bestimmten Bedingungen auf 30 Tage verlängern. Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat.
- MEDIZIN: Der Bundesrat wird beauftragt, den Einsatz von natürlichem Cannabis als Schmerzmittel untersuchen zu lassen. Prüfen soll er dies im Rahmen eines wissenschaftlichen Pilotprojekts. Nach dem Nationalrat hat der Ständerat oppositionslos einer Motion von Nationalrätin Margrit Kessler (GLP/SG) zugestimmt. Heute können Arzneimittel auf Cannabis-Basis mit einer Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit bezogen werden. Trotzdem greifen viele Schmerzpatienten auf illegale Cannabisprodukte zurück, weil das Bewilligungsverfahren kompliziert ist und die Krankenkassen die hohen Kosten für Cannabis-Medikamente nicht übernehmen. Der Bundesrat zeigt sich bereit, eine entsprechende Studie im Rahmen der bestehenden Forschungskredite zu finanzieren.
- CYBERMOBBING: Wird jemand in sozialen Netzwerken bedroht, beleidigt oder beispielsweise mit peinlichen Videos lächerlich gemacht, spricht man von Cybermobbing. Dagegen braucht es nach Ansicht des Ständerats Massnahmen. Eine nationalen Strategie hält er aber für das falsche Vorgehen. Er hat eine Motion von Nationalrätin Barbara Schmid-Federer (CVP/ZH) stillschweigend abgelehnt. Er hält die umfassenderen Programme von Bund, Kantonen und Gemeinden für den besseren Ansatz. Ausserdem gab es Zweifel, ob die mit der Motion ebenfalls verlangte zentrale Anlaufstelle für Opfer und Eltern bessere Dienste leisten würde als die lokalen Behörden.
- MUTTERSCHAFTSURLAUB: Der Bundesrat soll in einem Bericht prüfen, ob in der Schweiz ein Mutterschaftsurlaub vor der Geburt notwendig ist. Diesen Auftrag hat ihm der Ständerat erteilt. In dem Bericht soll der Bundesrat die Anzahl der betroffenen Schwangeren, die Dauer der Unterbrüche und die finanziellen Aspekte aufzeigen. Die kleine Kammer hiess stillschweigend ein Postulat von Liliane Maury Pasquier (SP/GE) gut. Der Bundesrat hatte ebenfalls dessen Annahme gefordert. Bislang gebe es dazu keine verlässlichen Zahlen, begründet Maury Pasquier ihren Vorstoss. Gemäss Schätzungen unterbreche aber die grosse Mehrheit der Schwangeren ihre Erwerbstätigkeit vor dem Geburtstermin.
Montag, 7. September 2015
Der Nationalrat in Kürze
(sda) NACHRICHTENDIENST: Der Nachrichtendienst soll neue Kompetenzen erhalten, dafür aber stärker kontrolliert werden. Nach dem Ständerat hat sich am Montag auch der Nationalrat für eine neue, unabhängige Aufsichtsbehörde ausgesprochen. In der Formulierung sind sich die Räte noch nicht ganz einig. Fest steht aber die Aufgabe der neuen Aufsichtsbehörde: Diese soll prüfen, ob der Nachrichtendienst des Bundes rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt. Dass der Dienst neue Kompetenzen erhalten soll, hatten die Räte schon früher beschlossen. Künftig soll er Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen. Umstritten ist zwischen den Räten unter anderem noch, ob für das Eindringen in Computer im Ausland eine richterliche Erlaubnis erforderlich ist oder nicht. Nun ist wieder der Ständerat am Zug.
- GESUNDHEITSWESEN: Der Zulassungsstopp für Ärzte soll dauerhaft ins Gesetz aufgenommen werden. Dafür hat sich der Nationalrat als Erstrat ausgesprochen. Der so genannte Ärztestopp war 2001 ins Gesetz aufgenommen worden, um das Wachstum der Gesundheitskosten zu bremsen. Inzwischen wurde die befristete Einschränkung mehrmals verlängert, zuletzt bis Mitte 2016. Diese "Stop-and-go-Politik" müsse beendet werden, fand die Mehrheit des Nationalrats. Sie sprach sich gegen den Widerstand von rechts dafür aus, das geltende Recht ab Mitte 2016 unbefristet weiterzuführen. Der Entscheid fiel in der Gesamtabstimmung mit 128 zu 55 Stimmen bei vier Enthaltungen. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.
- VORSORGE: Die Regeln für patronale Wohlfahrtsfonds, die Unternehmen für Notlagen freiwillig einrichten, sollen gelockert werden. Darin ist sich das Parlament einig. Anders als der Ständerat lehnte der Nationalrat aber auch bei der dritten Beratung Transparenzbestimmungen für Wohlfahrtsfonds ab. Die links-grüne Minderheit, welche Bundesrat und Ständerat folgen wollte, blieb chancenlos: Ihre Anträge wurden mit 127 zu 57 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt. Die Vorlage geht nun wieder an den Ständerat. Beharrt dieser auf seiner Linie, kommt die Einigungskonferenz zum Zug.
- BABYSITTING: Der Nationalrat will die AHV-Bestimmungen für Babysitting weiter lockern. Er hat eine parlamentarische Initiative von Nadja Pieren (SVP/BE) angenommen, mit 104 zu 74 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Die Gegner wiesen vergeblich darauf hin, dass seit Jahresbeginn neue Regeln gelten: Einkommen von Personen bis 25 Jahre, die in Privathaushalten angestellt sind und deren Lohn weniger als 750 Franken im Jahr beträgt, sind von der AHV-Beitragspflicht befreit. Pieren verlangt nun mit ihrer Initiative, dass Babysitting bis zu einem Jahreslohn von 3000 Franken von der AHV-Beitragspflicht befreit wird. Über die parlamentarische Initiative muss noch der Ständerat entscheiden.
- GENUGTUUNG: Wer von einem Gericht eine Genugtuung wegen rechtswidriger Zwangsmassnahmen zugesprochen erhält, soll das Geld nicht in jedem Fall erhalten. Der Nationalrat will, dass die Genugtuung mit den Verfahrenskosten verrechnet wird. Mit 130 zu 53 Stimmen hat er eine parlamentarische Initiative seiner Rechtskommission gutgeheissen. Über den Vorstoss muss noch der Ständerat entscheiden. Im Nationalrat argumentierten die Befürworter, heute müsse der Staat einer Person erst eine Entschädigung ausrichten und dann die ihr auferlegten Gerichtskosten einfordern. Das sei unbefriedigend. Die Gegner einer Änderung sehen in der heutigen Regelung dagegen einen Anreiz für die Behörden, für eine ordnungsgemässe Unterbringung und Inhaftierung zu sorgen.
- ZUHÄLTEREI: Bordelle und Escortservices, die Prostituierte finanziell ausbeuten, sollen nicht von Amtes wegen verfolgt werden. Der Nationalrat hat mit 123 zu 46 Stimmen bei 14 Enthaltungen eine parlamentarische Initiative abgelehnt, die passive Zuhälterei wieder unter Strafe stellen wollte. Die vorberatende Kommission hatte der Initiative des Genfer SP-Nationalrats Carlo Sommaruga zugestimmt. Mit dem Nein des Nationalrates ist der Vorstoss nun aber vom Tisch. Bestraft werden sollte gemäss der Initiative, wer von einer oder einem Prostituierten einen unverhältnismässigen Vermögensvorteil oder einen übersetzten Ertrag erwirtschaftet. Im Blick hatte der SP-Nationalrat dabei Bordelle und Escortservices. Im Rat war auch von überhöhten Mietzinsen für Prostituierte die Rede.
Der Ständerat in Kürze
(sda) ARMEE: Der Ständerat hält an der Armeereform fest. Die Frage des Armeebudgets, die im Nationalrat zum Absturz der Vorlage geführt hat, war am Montag bei der zweiten Beratung des Geschäfts nur am Rand ein Thema; nach dem Nein in der Gesamtabstimmung gab es dazu gar keine Beschlüsse aus der grossen Kammer, über die der Ständerat hätte diskutieren können. Zwar nahm dieser einige kleinere Änderungen an der Vorlage vor, etwa mit dem Verzicht auf eine Ombudsstelle. Im Wesentlichen blieb der Ständerat aber bei seinen früheren Beschlüssen, insbesondere betreffend Gliederung der Armee und Anzahl Wiederholungskurse. Die Vorlage geht nun wieder an den Nationalrat.
- RÜSTUNGSGÜTER: Das Parlament gibt grünes Licht für den Kauf von Aufklärungsdrohnen aus Israel. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat dem Rüstungsprogramm 2015 zugestimmt, das Beschaffungen von insgesamt 542 Millionen Franken vorsieht. Der Entscheid für die Anschaffung der 250 Millionen teuren Drohnen fiel mit 30 zu 12 Stimmen bei 3 Enthaltungen deutlich. Daneben umfasst das Rüstungsprogramm den Kauf von 879 leichten geländegängigen Motorfahrzeuge im Wert von 271 Millionen Franken und neue Schiesssimulatoren zum Sturmgewehr 90. Es ist nicht das einzige Rüstungsprogramm in diesem Jahr: Nach dem Nein zum Kauf der Gripen-Kampfjets hat der Bundesrat im August ein Zusatzprogramm über 874 Millionen Franken vorgelegt.
- BOTSCHAFTEN: Die Armee wird weiterhin für den Botschaftsschutz eingesetzt. Spätestens Ende 2018 sollen dann definitiv die zivilen Behörden übernehmen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat den Assistenzdiensteinsatz ein letztes Mal verlängert. Schon die vorangehende Verlängerung des Botschaftsschutzes hätte die letzte sein sollen. Doch dann stellte sich heraus, dass die Kantone Bern, Genf und Waadt sowie die Stadt Zürich nicht in der Lage sein werden, alle Armeeangehörigen durch eigene Sicherheitskräfte zu ersetzen. Der Bundesrat beantragte daher die Verlängerung des Assistenzdienstes bis längstens 2018. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung. Zu den Assistenzdiensteinsätzen gehören neben dem Botschaftsschutz auch die Sicherheitsmassnahmen im Luftverkehr.
- VOTE ELECTRONIQUE: Der Entscheid des Bundesrates, neun Kantonen die elektronische Stimmabgabe zu verwehren, gibt weiter zu reden. Mehrere Ständeräte äusserten ihren Unmut darüber, dass die Landesregierung dem Consortium Vote électronique für die eidgenössischen Wahlen eine Absage erteilt hatte. Pascale Bruderer (SP/AG) wunderte sich, dass das System nach 18 erfolgreichen Abstimmungen nun plötzlich nicht mehr sicher sei. Das Consortium drohe nun auseinanderzubrechen, sagte Stefan Engler (CVP/GR). Einige Kantone hätten die Absicht geäussert, eigene Wege zu gehen. Mitte August hatte der Bundesrat entschieden, dass bei den kommenden Nationalratswahlen erstmals auch Inländerinnen und Inländer elektronisch wählen können. Das Gesuch vom Consortium Vote électronique lehnte er jedoch wegen Sicherheitslücken ab. Anlass für die Diskussion im Ständerat war eine Interpellation von Christian Levrat (SP/FR).