Datum: 22.03.2002
Anlass: Jubiläumsfeier 100 Jahre Parlamentsgebäude
Redner/Rednerin: Jacques Herzog; Urs Staub
Funktion: Architekt; Kunsthistoriker, Bundesamt für Kultur
Saal: Nationalrat

Viele Gäste im Bundeshaus waren von weither gekommen und hatten über Geschichte und Zukunftsperspektiven ihrer Heimatstaaten referiert. Anlässlich des 100. Jubiläums des Parlamentsgebäudes erfuhren die Mitglieder der Eidgenössischen Räte durch den Mund eines Kunsthistorikers für einmal etwas über den Saal und das Gebäude, in dem sie sich befanden. Urs Staub, Sektionschef beim Bundesamt für Kultur, konnte sich durch Erklärungen, Geschichten und Anekdoten die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer sichern. Er erzählte von Hans Wilhelm Auer, dem Architekten und Erbauer des Bundeshauses, der unter den 36 eingereichten Projekten zwar nur den zweiten Rang erreicht hatte, dann aber wegen der Vorliebe des Bundesrates für seinen Entwurf doch den Zuschlag erhielt. Staub berichtete auch über die Kosten, die mit der damals enormen Summe von 7,2 Millionen Franken letztlich viel höher ausgefallen waren als prognostiziert worden war. Er bettete den Bau aber auch in die damaligen politisch-kulturellen Verhältnisse ein. Das Bundeshaus habe als Ergebnis des Kulturkampfes auch einen weihevollen Ort des Staatskults dargestellt, denn der Staat habe sich in gewissem Sinne als Kirche verstanden. Schliesslich erinnerte Staub noch daran, dass der Nationalratssaal auf Vorlage eines Theatersaals erbaut worden war. Die Beantwortung der selbstgestellten Frage, ob man damit etwa die Nähe der Politik zum Theater habe unterstreichen wollen, überliess der diplomatische Kulturhistoriker indes seinen Zuhörern. (AB 2002 VBV 485ff.)

Nach dieser Reise in die Vergangenheit hielt erneut ein «Herzog» Einzug im Saal: Nach dem deutschen Staatspräsidenten Roman Herzog (1998) war es diesmal der Schweizer Architekt Jacques Herzog, der vor dem Nationalrat sprach. Er beliess es aber nicht nur beim Sprechen, sondern projizierte Bilder und Katen auf eine grosse Leinwand, um seine Thesen zu untermauern. Die Schweiz, so Herzog, nehme sich selbst als grüne Insel, als unberührte Landschaft wahr. Die Wirklichkeit sehe mit dem sich ausbreitenden Siedlungsbrei im Mittelland jedoch anders aus. Angesichts der «unglaublichen Bevölkerungsdichte» der Schweiz sei eine neue Besiedelungskonzeption dringend erforderlich, welche sich an drei Gebietsformen, nämlich verdichtete Kleinzentren, metropolitane Regionen sowie weitgehend siedlungsfreie Landschaftsräume, ausrichten müsse. (AB 2002 VBV 487ff.)