​Datum: 04.06.1998
Anlass: Jubiläumsfeier 150 Jahre Bundes­staat
Redner/Rednerinnen: Oscar Luigi Scalfaro, René Monory, Thomas Kleistil, Roman Herzog, Prinzessin Anne, Fürst Hans-Adam II, Louise Fréchette
Funktion: Staatspräsident Italien, Senatspräsident Frankreich, Staatspräsident, Staaspräsident, Prinzessin GB und Vertreterin der EU, Staatsoberhaupt Liechtenstein, Stv. Generalsekretärin UNO
Saal: Nationalrat

​In den 1990er Jahren hatte die Schweiz viel zu feiern. Nach 1991, der Feier zu den 700 Jahren Eidgenossenschaft, und 1995, dem Gedenken an das Kriegsende, zelebrierte man 1998 das 150. Jubiläum des Bundesstaates. In diesem Rahmen hielt man den 6. Juni, der zum «Tag der Internationalen Beziehungen» bestimmt worden war, für geeignet, um die Türen des Parlamentes ausserhalb einer Sitzung erneut für ausländische Gastredner zu öffnen. Es war der Anlass mit der bis anhin grössten Anzahl auswärtiger Parlamentsredner. Nacheinander sprachen der italienische Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, der französische Senatspräsident René Monory, der deutsche Staatspräsident Roman Herzog, der österreichische Präsident Thomas Kleistil, die britische Prinzessin Anne – als Vertreterin der EU –, die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Louise Fréchette und der liechtensteinische Fürst Hans-Adam II. Bundespräsident Flavio Cotti schloss die Rednerliste ab, wie übrigens schon 1991, als er ebenfalls den Bundesrat präsidiert hatte. Gastgeber war Nationalratspräsident Ernst Leuenberger. Wie üblich gab es viel Lob für unser Land: Prinzessin Anne hob die Konsensfähigkeit der Schweiz hervor; Roman Herzog bezeichnete die Schweizer Demokratie als Modell für Integration; Thomas Kleistil sprach der Schweiz in diversen Belangen eine Vorreiterrolle zu; und Fürst Hans-Adam II nahm Bezug auf die Toleranz und Freiheit, welche die Schweizer Politik und Wirtschaft geprägt hätten. Gleichzeitig versuchten mehrere Redner, der Schweiz eine stärkere internationale Integration schmackhaft zu machen: Louise Fréchette verhehlte nicht, dass Sie es sehr begrüssen würde, wenn die Schweiz der UNO beitreten würde; René Monory äusserte den Wunsch, dass die Schweiz dereinst auch «zur Familie» – sprich zur EU – gehören werde; Oscar Luigi Scalfaro forderte dazu auf, das Prinzip der Unabhängigkeit im Sinne der Brüderlichkeit neu zu überdenken und fügte an: «Europa erwartet Sie mit offenen Armen.» Bundespräsident Cotti stimmte ebenfalls ein in diesen Chor und bezeichnete die europäische Einigung als eine der grösste Errungenschaften des Millenniums.(Basler Zeitung, 05.06.1998, S.1f; 24 heures, 05.06.1998, S.8; Der Bund S. 2, 27) Die Rekordzahl von Gastreden im Parlament war wohl ein historisches Ereignis, forderte allerdings bei den Zuhörern, bestehend aus National-, Stände- und Bundesräten sowie Kantonsvertretern und Diplomaten, auch ihren Tribut. So berichtete der «Tages-Anzeiger» schonungslos: «Höfliche Langeweile prägt die Mienen, der Applaus bleibt matt, Lethargie greift um sich. Kaspar Villiger scheint einzunicken, Moritz Leuenberger wirkt abwesend, Franz Blankart blickt schon glasig.» (Tages-Anzeiger, 05.06.1998, S. 7.)