​Datum: 10.03.1999
Anlass: Jubiläumsfeier 50 Jahre Europarat
Redner/Rednerin: Arpád Göncz, Daniel Tarschys
Funktion: Staatspräsident Ungarn, Generalsekretär Europarat
Saal: Nationalrat

​Auch im letzten Jahr des Jahrtausends bildete ein Jubiläumsanlass den Hintergrund für die Einladung ausländischer Gäste. Zu feiern gab es das 50-jährige Bestehen des Europarates. Geladen waren der ungarische Präsident Arpád Göncz und der Schwede Daniel Tarschys, seines Zeichens Generalsekretär des Europarates. Alle Redner des Anlasses, Nationalratspräsidentin Trix Heberlein, Bundespräsidentin Ruth Dreifuss, Nationalrat Victor Ruffy, Präsident der Schweizer Delegation beim Europarat, und die beiden Gastreferenten hoben, wie konnte es anders sein, die Bedeutung dieser Institution für die Stabilität und den Zusammenhalt auf dem Kontinent hervor.

Arpád Göncz, erinnerte daran, dass gleichzeitig mit dem Entschluss der zehn westlichen Gründungsländer zur Festschreibung der Freiheits- und Menschenrechte im östlichen Teil Europas die dunkle Zeit der kommunistischen Diktatur begonnen habe. Dort habe man auch von Freiheits- und Menschenrechten gesprochen, doch in der Praxis seien sie täglich
verletzt worden. Daher sei es wichtig, dass diese Rechte konkret festgeschrieben und garantiert würden. Hierbei habe sich der Europarat grosse Verdienste erworben. Der ungarische Präsident zeigte sich erfreut, dass viele Staaten des früheren Ostblocks – darunter sein Land als allererstes – in der Zwischenzeit Mitglieder des Europarates geworden waren. Noch seien Probleme zu bewältigen, z.B. die Frage der nationalen Minderheiten, weshalb der Europarat auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen müsse. Göncz schloss mit dem Wunsch, dass diese Organisation noch lange das Herz, der Motor und die Beschützerin des alten Kontinents bleiben möge.

Nach Göncz, der auf Ungarisch gesprochen hatte, konnten die Zuhörer ihre Kopfhörer ablegen, denn Daniel Tarschys hielt seine Rede in den Landessprachen Italienisch, Französisch und Deutsch. Er konzentrierte sich darauf, die wichtige Rolle der Schweiz in Bezug auf den Europarat hervorzuheben. Die kleine Schweiz sei eine grosse europäische Nation. Er erinnerte daran, dass Winston Churchill 1946 mit seiner berühmten Rede in der Schweiz – allerdings nicht im Parlament, sondern an der Universität Zürich – den Grundstein für die Gründung des Europarates gelegt hatte. Zahlreiche Schweizer Persönlichkeiten hätten sich seit dem Beitritt 1963 um die Institution verdient gemacht und sich insbesondere aktiv an der Neugestaltung beteiligt. Hierfür danke er der Schweiz. Weiter bestritt der Generalsekretär, dass der Europarat mit dem Beitritt osteuropäischer Länder seine ethisch-moralischen Standards gesenkt habe. Man weiche kein Jota von den Prinzipen ab. Er gab aber auch zu bedenken, dass angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten in diesen Staaten keine Quantensprünge in Sachen Demokratie zu erwarten seien. Man könne kein Land vom Europarat fernhalten, das den ehrlichen Willen habe, der Wertegemeinschaft beizutreten. Das Ziel sei, Trennungslinien abzuschaffen und nicht neue Abgrenzungen herzustellen.

Quellen: AB 1999 V 614ff; sda, 10.03.1999 (it)