Kittelmann, ein Deutscher, der als Kind in die Schweiz kam und später auch das Schweizer Bürgerrecht erhielt, wurde 1916 zum Dr. jur. promoviert. Im gleichen Jahr wurde er in Aarau Schweizer Kurzschriftmeister. Schon zu Schulzeiten lernte Kittelmann die Stenographie nach dem System Stolze-Schrey, das ausser in der Schweiz hauptsächlich in Preussen verbreitet war.
Dank dieser Kompetenz brachte er es zum Bundesstenographen. 1923 wurde er sogar Stellvertreter des Chefstenographen. Daneben war er weiterhin als Rechtsanwalt tätig und wurde Vertrauensanwalt für den Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz, Wilhelm Gustloff. 1933, kurz nach der Machtergreifung Hitlers, trat er der eben gegründeten Ortsgruppe Zürich der NSDAP bei.

 

Hellmuth Kittelmann (1891-1943) auf einem Passbild von 1941 mit dem NSDAP-Parteiabzeichen am Revers.
Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (Ip10 K. 2519n, in: BArch R 3001/63286)

 

Im Mai 1935 wurde die NSDAP-Mitgliedschaft Kittelmanns publik. Sein Chef, der Leiter des Stenographenbüros, stellte Kittelmann vor die Wahl, entweder aus allen nationalsozialistischen Organisationen in der Schweiz auszutreten oder sein Amt als Bundesstenograph aufzugeben. Kittelmann entschied sich, die Ortsgruppe Zürich der NSDAP zu verlassen.   

Später stellte sich heraus, dass Kittelmann nunmehr Mitglied der Auslandsorganisation der NSDAP in Hamburg war. Der damalige Schweizer Bundeskanzler entliess deshalb Kittelmann Ende 1935 fristlos und ohne Pensionsansprüche aus dem Bundesdienst.   

Der «Fall Kittelmann» wirbelte in der schweizerischen Presselandschaft viel Staub auf.

 

Ausschnitte aus verschiedenen Schweizer Tageszeitungen

 

Die Affäre Kittelmann gab Anlass für weitergehende Forderungen. So nahmen zahlreiche Zeitungen die im «Bund» erhobene Forderung auf, der Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz, Wilhelm Gustloff, sei auszuweisen. Die «Gazette de Lausanne» schrieb: «Die Öffentlichkeit hat schon wiederholt die Ausweisung Gustloffs gefordert. Bis jetzt aber war Bern taub auf diesem Ohr. Folgt nun endlich die Einsicht?»

Die Ermordung Gustloffs in Davos durch den jugoslawischen Studenten David Frankfurter verdrängte den Fall Kittelmann dann völlig aus dem öffentlichen Bewusstsein. Kittelmann verzichtete freiwillig auf sein Schweizer Bürgerrecht und zog nach Berlin.

 

Spottgedicht auf Kittelmann im «Nebelspalter» von 1936
Aus: Nebelspalter, Nr. 6/1936, S. 18 (Abdruck mit Genehmigung des Nebelspalter-Verlages, Horn)