Geschätzte Kolleginnen und Kollegen
Wir haben heute zum zweiten Mal die Ehre, in diesem Saale Michail Sergejewitsch Gorbatschow begrüssen zu dürfen.
Michail Gorbatschow wurde vor sieben Jahren, am 17. Juni 1993, als er von meinem Vorgänger Hans Rudolf Nebiker zu Gesprächen in die Schweiz eingeladen worden war, von den Mitgliedern aller Fraktionen des Nationalrates herzlich begrüsst, als er auf der Diplomatentribüne Platz nahm.
Bis zum Jahre 1989 mussten die Völker Osteuropas sich dem Joch totalitärer Regime beugen und kannten weder Rechte noch Freiheiten. Heute erleben wir ein Europa, das sich immer mehr der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und den grundlegenden Menschenrechten öffnet. Die Gefahr, die uns mit der Übermacht der konventionellen Streitkräfte des Warschauer Paktes drohte, ist von uns gewichen, die Berliner Mauer wurde niedergerissen, Deutschland wurde wieder vereinigt und der Kalte Krieg ist der Vergangenheit anheim gefallen.
Die bedeutenden Leistungen, derer sich Präsident Gorbatschow bei dieser historischen Entwicklung verdient gemacht hat, dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Michail Gorbatschow verfolgte bei seiner Aussenpolitik drei Ziele:
• die Ost-West-Entspannung über Abrüstungsverhandlungen mit den Vereinigten Staaten;
• die Verstärkung des Wirtschaftsverkehrs;
• die weltweite Anerkennung der Staatsgrenzen.
1985 fand in Genf das erste Gipfelgespräch mit US-Präsident Reagan statt und bereits 1987 wurde in Washington das erste Abkommen über die Abrüstung der nuklearen Mittelstreckenraketen geschlossen.
Präsident Gorbatschow ist auch der Rückzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan zu verdanken. Für seine Abrüstungs- und Friedensinitiativen erhielt er vor zehn Jahren den Friedensnobelpreis.
Glasnost und Perestroika wurden in Michail Gorbatschows Reformprogramm gross geschrieben, doch liessen sich dadurch die immensen innenpolitischen Probleme nicht lösen. Es erwies sich als sehr schwierig, aus den Trümmern der Planwirtschaft eine leistungsfähige Marktwirtschaft zu errichten. Aber die Staatspartei wurde zerschlagen und an den Wahlen hielt die Kandidatenpluralität Einzug. Michail Gorbatschow wollte die UdSSR mit einem neuen Vertrag erneuern. Dieser wurde allerdings mit dem versuchten Staatsstreich vom 19. August 1991 vereitelt.
Präsident Gorbatschow weilt heute unter uns, um über eine grosse Bedrohung der Menschheit zu sprechen: über die Bedrohung durch die Massenvernichtungswaffen, die Gegenstand zahlreicher Motionen unserer beiden Räte bildet. Dass dieses Thema auch uns sehr beunruhigt, zeigt sich nur schon an der Anzahl der Mitunterzeichner und –unterzeichnerinnen dieser Vorstösse.
Herr Präsident, wir heissen Sie bei uns herzlich willkommen. Ich bitte Sie, nun das Wort zu ergreifen.