Die GPK-S rügt, dass das Ziel des einheitlichen Versicherungsvollzugs gemäss Artikel 64 Absatz 2 IVG trotz weit reichenden Aufsichtskompetenzen bisher nicht erreicht und auch nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt wurde. Bundesrat und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) haben ihre Spielräume in derAufsicht nicht genutzt. Obschon Schwachstellen hinsichtlich der Bundesaufsicht über die IV bereits im Vorfeld der 4. IVG-Revision aufgelistet wurden, sind heute noch zentrale Aufsichtsfragen nicht geregelt. Es fehlt eine professionell geführte und moderne Aufsicht. Hinzu kommen Abgrenzungsprobleme zur kantonalen Aufsicht und eine teilweise mangelhafte Datenerfassung. Die GPK-S fordert vom Bundesrat eine Gesamtstrategie für eine verstärkte Aufsicht des Bundes über den IV-Vollzug.
Ein ebenso schlechtes Zeugnis wie bei der Aufsicht muss die GPK-S dem Bundesrat und dem BSV in Sachen Vorbereitung der Entscheidungsgrundlagen und der IV-Gesetzgebung ausstellen. Obschon sich die finanzielle Situation der IV bereits seit 1993 dramatisch verschlechterte, haben der Bundesrat und das BSV die Problematik des Rentenwachstums kaum wahrgenommen und nicht aktiv bearbeitet. Es wurde nicht das Mögliche unternommen, um Gegenstrategien zum Rentenwachstum zu entwickeln. Insgesamt hat das BSV seine Aufgaben im Bereich der IV-Gesetzgebung wenig effektiv erfüllt. Die mangelhafte BSV-interne Zusammenarbeit im Bereich der Forschung sowie der unsystematische und späte Einbezug externer Akteure trugen dazu bei. Die fehlende Zusammenarbeit zwischen dem BSV und den kantonalen IV-Stellen blockierte eine effiziente Weiterentwicklung der Gesetzgebung zusätzlich. Die GPK-S fordert den Bundesrat zu einer aktiven Wahrnehmung der Aufgaben der Gesetzgebungsentwicklung und effizienteren Ausschöpfung der verschiednen Ressourcen auf.
Obschon die Zahl der IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern seit Jahren stetig wächst, ist es bis heute nicht möglich, die Gründe dieser Entwicklung völlig schlüssig zu erklären. Es fehlen erhärtete Daten bzw. wissenschaftliche Grundlagen. Auch hier haben Bundesrat und BSV ihre Verantwortung nicht wahrgenommen. Trotz entsprechendem Forschungsauftrag des Bundes gemäss Artikel 68 IVG existiert bis heute noch kein bereinigtes Forschungskonzept zur IV. Um in Zukunft nicht mehr nur auf Annahmen und Mutmassungen abstellen zu müssen, fordert die GPK-S vom Bundesrat eine vertiefte Analyse bestimmter, noch wenig erforschter Rentenursachen.
Weil dem Bund als Arbeitgeber eine besondere Vorbildfunktion zukommt, wollte die GPK-S den Vollzug der IV auf nationaler Ebene mit jenem innerhalb der Bundesverwaltung vergleichen. Die sich ein Jahr dahinziehenden Arbeiten der Bundesverwaltung sind Ausdruck der diesbezüglichen Intransparenz und ungenügenden Datenqualität beim Bund. Die verfügbaren Daten lassen keine aussagekräftigen Interpretationen oder Vergleiche der IV-Situation beim Bund mit den gesamtschweizerischen Entwicklungen zu. Über die tatsächliche IV-Situation beim Bundespersonal muss weiterhin spekuliert werden. Die GPK-S kommt ausserdem zum Schluss, dass der Bundesrat keine Gesamtstrategie zur Beeinflussung und Steuerung der IV-Entwicklung seines Personals hat. Gemäss Bericht vom 17. August 2005 kann der Bundesrat nicht ausschliessen, dass als Folge der Entlastungsprogramme und der Aufgabenverzichtsplanung in naher Zukunft die Invaliditätsfälle steigen könnten. Bereits in einem Bericht der GPK-N vom 18. November 1999 wurden die Tendenzen belegt, bei Restrukturierungen Personal auf Kosten der IV und der Pensionskassen abzubauen. Der Bundesrat scheint angesichts der aktuellen Herausforderungen zu resignieren, wenn er eine Zunahme von Invaliditätsfällen in der Bundesverwaltung infolge von Restrukturierungen in Kauf nimmt. Für die GPK-S ist diese Resignation des Bundesrats nicht verständlich und auch nicht tolerierbar. Die GPK-S fordert vom Bundesrat Transparenz bezüglich der IV-Entwicklung beim Bund, eine Gesamtstrategie sowie zusätzliche Massnahmen zur langfristigen Senkung des IV-Rentenbestands beim Bundespersonal.
Um die Kostenwahrheit der Invalidisierungen abzubilden, fordert die GPK-S den Bundesrat auf, die Auswirkungen der IV-Entwicklung auf die berufliche Vorsorge vertieft zu analysieren.
Aufgrund ihrer Untersuchung kommt die GPK-S zum Schluss, dass im Rahmen der 5. IVG-Revision die Problematik der Aufsicht über den IV-Vollzug vertieft zu thematisieren ist. Die Kommission schlägt u.a. vor, auf die Schaffung einer zusätzlichen Aufsichtskommission, wie dies Artikel 64 b (neu) IVG vorsieht, zu verzichten. Die Aufsichtsverantwortung würde geteilt und es bestünde die Gefahr von Aufsichtslücken. Ausserdem würde die Komplexität in der Aufsicht über den IV-Vollzug zusätzlich vergrössert, was die Wirksamkeit der Aufsicht keineswegs verbessern dürfte.
Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats hat ihren Bericht am 19. August 2005 einstimmig verabschiedet. Der Bericht der Kommission sowie die drei Anhänge (Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle vom 6.6.2005, Bericht Interface vom 1.6.2005, Bericht des Bundesrats vom 17.8.2005) sind auch auf dem Internet unter www.parlament.ch (Rubrik Berichte ?Berichte der Aufsichtskommissionen ?Geschäftsprüfungskommission ?Berichte 2005) abrufbar.
Bern, 29.08.2005 Parlamentsdienste