Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) hat sich mit der jüngsten Kritik der Helsinki-Kommission an der Funktionsweise der Schweizer Justiz befasst. Zu diesem Thema hörte die APK-N Bundesrat Ignazio Cassis, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), sowie den Bundesanwalt Stefan Blättler an.

Die APK-N befasste sich mit den jüngsten Erklärungen der Helsinki-Kommission, einer unabhängigen parlamentarischen Kommission des US-Kongresses, zusammengesetzt aus 18 Abgeordneten. Die Helsinki-Kommission fordert die Verhängung von Sanktionen gegen drei ehemalige Vertreter der Schweizer Strafverfolgungsbehörden, denen sie vorwirft, drei russischen Staatsbürgern Zugang zu eingefrorenen Geldern verschafft zu haben, welche wegen Ermittlungen in einem Steuerbetrugs-Fall (Magnitski-Affäre) in der Schweiz eingefroren wurden.

Die APK-N nahm die Position des EDA zur Kenntnis, das gegenüber den US-Behörden über mehrere diplomatische Kanäle gegen die Vorschläge der Helsinki-Kommission protestiert hat und die unbelegten Anschuldigungen als inakzeptabel zurückwies. Die APK-N nahm ebenfalls die vom Bundesanwalt dargelegte Verfahrensgeschichte der fraglichen Steuerbetrugsaffäre mit Russland zur Kenntnis.

In den Diskussionen der APK-N ging es unter anderem um den Einfluss der Helsinki-Kommission auf die Entscheidungsträger der US-Politik und um die Frage, wie die Aussagen der Kommission zu interpretieren sind. Einige Kommissionsmitglieder erinnerten daran, dass die Schweiz ein funktionierender Rechtsstaat mit strikter Gewaltentrennung sei und jede versuchte Einflussnahme auf Justizverfahren eine Einmischung in innere Angelegenheiten bedeute. Andere Mitglieder der APK-N äusserten punktuelle Kritik am Vorgehen der Bundesanwaltschaft in der Vergangenheit. Schliesslich brachten einige Kommissionsmitglieder ihre Bedenken bezüglich der Reputationsrisiken im Zusammenhang mit den Anschuldigungen der Helsinki-Kommission zum Ausdruck.

Weitere Themen und Be​​schlüsse

Die APK-N wurde über die jüngsten Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) informiert. Sie beschäftigte sich mit der Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs, namentlich den Perspektiven in Bezug auf ein allfälliges Mandat für Verhandlungen mit der EU. Die Kommission erkundigte sich nach dem aktuellen Stand der Sondierungsgespräche und nahm Kenntnis von den geplanten nächsten Schritten. Wenn die Gespräche zufriedenstellend voranschreiten, wird sich der Bundesrat bis Ende Jahr auf die Verabschiedung eines Verhandlungsmandats vorbereiten. Zu den Richt- und Leitlinien dieses Mandats wird er die APK konsultieren. Bundesrat Cassis informierte die APK-N ebenfalls über sein Treffen vom 18. Juli 2023 mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič. Im Austausch mit der APK-N ging es ferner um die nächsten Schritte der Sondierungsgespräche sowie das gemeinsame Dokument Schweiz-EU – das sogenannte «Common understanding – a joint document» –, welches als Basis für den Entscheid über die Aufnahme von Verhandlungen und für die Ausarbeitung eines Verhandlungsmandats dienen soll. Weiter wurden auch die Aussichten auf Abkommen in den Bereichen Elektrizität und Gesundheit thematisiert.

Die Kommission informierte sich über die Ergebnisse des letzten BRICS-Gipfels und die diesbezügliche Einschätzung des EDA. In diesem Zusammenhang nahm sie einstimmig ein Postulat (23.3970 «Bericht des Bundesrates zu den BRICS-Staaten») an, das den Bundesrat beauftragt, darüber Bericht zu erstatten, wie er den Einfluss der BRICS-Staaten in den nächsten Jahren auf die Weltordnung einschätzt und mit welcher Strategie die Schweiz dieser Staatengruppe begegnen wird. Nach Ansicht der Kommission ist die Position der Schweiz gegenüber den BRICS unklar; der schriftliche Bericht des Bundesrates soll dazu beitragen, das Wesen und die Entwicklungen dieses Bündnisses besser zu verstehen.

Mit 11 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung verabschiedete die APK-N eine Motion (23.3969 «Russische und andere ausländische Spione konsequent ausweisen»), die den Bundesrat beauftragt, sämtliche ausländischen Personen, welche durch verbotene nachrichtendienstliche Tätigkeit die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz oder die Rolle der Schweiz als Gaststaat gefährden und nicht strafrechtlich verfolgt werden können, konsequent des Landes zu verweisen. Nach Ansicht der Mehrheit der Kommission gefährdet verbotener Nachrichtendienst nicht nur potentiell schützenswerte Informationen und Geheimnisse der Schweiz, von Bürgerinnen und Bürgerinnen oder Unternehmen, sondern gefährdet auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewisser Gemeinschaften und beschädigt das Ansehen der Schweiz als sicherer Gaststaat. Die Minderheit unterstützt hingegen die Praxis des Bundesrates, gemäss seiner Zuständigkeit allfällige Ausweisungen oder Verurteilungen von Mitarbeitern ausländischer Geheimdienste, solange die Spionagetätigkeit nicht die innere Sicherheit der Schweiz bedroht, zurückhaltend zu handhaben.

Die APK-N hat den Bericht des Bundesrates über die Aktivitäten der schweizerischen Migrationsaussenpolitik 2022 beraten und zur Kenntnis genommen. Die Kommission diskutierte dabei insbesondere die Situation in Afghanistan, die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Migration sowie die Perspektiven der ukrainischen Flüchtlinge.

Schliesslich hat die Kommission mit 13 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung einen Antrag abgelehnt, der den Beitritt der Schweiz zur «Russian Elites, Proxies and Oligarchs Task Force» der G7 forderte. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass die Zusammenarbeit mit der Task Force auf technischer Ebene zufriedenstellend funktioniert, und dass ein Beitritt keinen Mehrwert mit sich bringen würde.

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