Am Finanzpolitischen Seminar befassten sich die Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte zwei Tage lang eingehend mit der Entwicklungszusammenarbeit resp. deren Resultaten in den von Armut betroffenen Kontinenten und Ländern. Die Kommissionsmitglieder nahmen dabei eine Auslegeordnung der (schweizerischen) Entwicklungszusammenarbeit vor, widmeten sich Alternativen zur klassischen Internationalen Zusammenarbeit und diskutierten Strategien im Umgang mit Flüchtlingen in Krisenregionen. Als Oberaufsichtsgremien schenkten die beiden Finanzkommissionen den Kriterien der Zweckmässigkeit, Wirksamkeit und Effizienz besondere Aufmerksamkeit.

​Die Finanzkommissionen der eig. Räte führen jedes Jahr ein gemeinsames Seminar durch. Sie widmen sich dabei vertieft einem finanzpolitisch aktuellen Thema, zu welchem Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingeladen werden. Angesichts der sich verändernden nationalen und globalen Rahmenbedingungen, wie etwa der sich verschlechternde Haushaltslage der Schweiz sowie den Krisen im Nahen und Mittleren Osten, hatte sich die für die Organisation der diesjährigen Tagung verantwortliche Finanzkommission des Ständerates entschieden, die Entwicklungszusammenarbeit ins Zentrum der Beratungen zu stellen.
Manuel Sager, Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), legte in seinem Referat die Strategie und Wirksamkeit der schweizerischen Entwicklungs-zusammenarbeit dar. Besondere Bedeutung liess er dabei den «Sustainable Development Goals» (SDG) resp. deren Eingang in die Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2017-2020 zukommen. Michel Huissoud, Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), präsentierte die Resultate einer EFK-Evaluation von 14 ausgewählten, seit mehreren Jahren abgeschlossenen Entwicklungshilfeprojekten in Südafrika und Indien und hielt fest, dass sich diese grundsätzlich mit Erfolg weiterentwickelt haben.
Gilles Carbonnier, Professor für Entwicklungsökonomie am Institut de hautes études internationales et du développement (IHEID) in Genf, sprach zu den globalen Finanzflüssen und der Rolle der Schweiz in diesem Geflecht. Er zeigte auf, dass die illegalen Finanzflüsse vom Süd nach Nord die Summe der vom Westen geleisteten Entwicklungshilfe bei weitem übersteigen. Deren starke Zunahme ist eng verknüpft mit dem internationalen Handel und tangiert auch die Schweiz. Ferner hielt er fest, dass die Entwicklungsfinanzierung eine vermehrte Mobilisierung von Steuergeldern armer Länder erfordere.
Mark Herkenrath, Geschäftsleiter von Alliance Sud, setzte sich in seinem Referat mit der Frage auseinander, was Entwicklungshilfe zu leisten vermag. Er führte aus, dass instrumentalisierte Hilfe, d.h. Entwicklungszusammenarbeit im Austausch für Steuer- oder Migrationsabkommen, primär den Empfängerregierungen nütze. Effektive Entwicklungszusammenarbeit schaffe hingegen Perspektiven für die Bevölkerung und lindere die Ursachen von Flucht und Terror.
Wolfgang Drechsler, Afrikakorrespondent mit Wohnsitz in Kapstadt, setzte sich in seinem Referat mit den Missständen im Bereich der Umsetzung entwicklungspolitischer Strategien in Afrika auseinander. Er zeigte sich überzeugt, dass Entwicklung weder an den Westen noch an China delegiert werden kann, sondern nur von innen kommen, also von Afrika selbst unternommen werden müsse.
Elisio Macamo, Professor für Afrikastudien an der Universität Basel, warnte vor Vereinfachungen. Entwicklungshelfer bewegten sich in einem komplexen Umfeld, das nach differenzierten Antworten verlange. Zudem setzte sich Macamo kritisch mit dem im Westen vorherrschenden technischen und zuweilen ahistorischen Verständnis von Entwicklung auseinander.
Peter Bissegger, Director Market Development von Swisscontact, präsentierte in seinem Referat das Konzept und die Methode von «Making Markets Work for the Poor» (M4P) und leuchtete die Stärken und Schwächen dieses Ansatzes aus. Er zeigte sich überzeugt, dass nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit einer eher privatwirtschaftlichen Logik folgen müsse. So gelte es die Märkte derart zu gestalten, dass diese auf die Bedürfnisse von Armen reagieren könnten.
Philip Mader, Forscher am Institute of Development Studies in Brigthon, referierte über die Mikrofinanz als Mittel zur Armutsbekämpfung. Er zeigte, dass dieses Instrument keineswegs zu wachsendem Wohlstand bei den Kreditnehmern führen muss. Dr. Mader beklagte denn auch eine «Finanzialisierung» der Armut, von welcher insbesondere die internationalen Finanzakteuren profitierten, während die Armen arm blieben.
Kilian Kleinschmidt berichtete von seinen Erfahrungen als ehemaliger Leiter des Camp Zaatari (Jordanien), dem zweitgrössten Flüchtlingslager der Welt. Er unterstrich die Bedeutung, Raum für Individualität für Flüchtlinge zu schaffen. Nothilfe sei zwar wichtig und unverzichtbar, doch müsse verhindert werden, dass der Mensch im Flüchtlingslagern zum Massenobjekt werde. Dabei zeigte er, wie aus Flüchtlingscamps funktionierende Städte werden können, was kombiniert mit Sonderwirtschaftszonen menschenwürdige Lebensperspektiven für die Flüchtlinge vor Ort schafft.
Manuel Herz, Architekt sowie Professor für Urban and Territorial Studies in Basel, befasste sich in seinem Referat mit den Flüchtlingslagern in der algerischen Wüste, in denen die aus der Westsahara stammenden Sahrauis seit über drei Jahrzehnten in weitgehender Selbstverwaltung leben. Er betonte dabei, dass diese Orte eben nicht Schauplatz von Elend und Verzweiflung seien, sondern aufgrund ihrer Urbanität als Exempel für moderne und der Menschenwürde gerecht werdende Flüchtlingslager dienten.

Das Finanzpolitische Seminar der Finanzkommissionen der eidg. Räte fand am 30. Juni und 1. Juli 2016 unter der Leitung der Tagungspräsidentin, Ständerätin Anita Fetz (SP/BS), im Congress Center in Basel statt. Neben den Mitgliedern der Finanzkommissionen und den oben aufgeführten Gästen nahmen weitere Vertreter der Bundesverwaltung, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft an der Tagung teil. Das Seminar bot zudem die Gelegenheit, den Austausch mit dem Gastkanton zu pflegen. Im Rahmen eines gemeinsamen Nachtessens trafen sich die Finanzkommissionen mit einer Delegation der Basler Regierung. Dr. Guy Morin, Regierungspräsident und Vorsteher des Präsidialdepartements, überbrachte die Grussbotschaft des Kantons und erläuterte die Bedeutung der bilateralen Verträge für Basel-Stadt als Wirtschaftsstandort.