Im März 2020 schuf der Bundesrat den Covid-19-Erwerbsersatz (CEE) zur Unterstützung der Selbstständigerwerbenden, deren Erwerbstätigkeit von der Covid-19-Pandemie betroffen war. Dieses CEE-System – und namentlich das hohe Missbrauchsrisiko – wurden in den darauffolgenden Monaten verschiedentlich kritisiert. Vor diesem Hintergrund beschloss die GPK‑N, sich damit zu befassen, wie das CEE-System konzipiert worden war und bis September 2020 umgesetzt wurde. Diese Arbeiten sind Teil der im Mai 2020 von den GPK von National- und Ständerat lancierten Inspektion über den Umgang des Bundesrates und der Bundesverwaltung mit der Covid-19-Pandemie.
Nachdem die GPK-N den Sachverhalt geprüft und sich mit den beteiligten Akteuren ausgetauscht hat, beurteilt sie in ihrem heute veröffentlichten Bericht die Einführung und Umsetzung des CEE in den ersten Krisenmonaten insgesamt positiv. Die grösste Schwäche dieses Instruments – die begrenzte Aufsicht und die beschränkten Möglichkeiten zur Missbrauchsbekämpfung – ist darauf zurückzuführen, dass der Bundesrat so rasch wie möglich ein breit angelegtes, einfaches, speditives und unbürokratisches Unterstützungssystem einführen wollte. Diese Schwäche wurde nach Meinung der GPK-N angesichts der Krisensituation bewusst in Kauf genommen.
Den Ansatz des Bundesrates bei der Schaffung des CEE erachtet die Kommission als geeignet. Sie beurteilt die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Bundesbehörden bei der Einführung dieses Instruments positiv. Beim Austausch zwischen dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht sie allerdings Optimierungspotenzial und ersucht deshalb den Bundesrat, sicherzustellen, dass in dieser Sache die nötigen Lehren gezogen werden.
Die GPK-N hat sich auch mit der Verlängerung des CEE Anfang Juli 2020 befasst, die verschiedentlich kritisiert wurde. Sie kommt zum Schluss, dass damals eine angemessene Interessenabwägung vorgenommen wurde zwischen einer Stärkung der Aufsicht, die zu höheren Kosten und einer längeren Bearbeitungsdauer geführt hätte, und der Missbrauchsgefahr. Diese hat sich in nachträglichen Abklärungen als gering erwiesen. Die GPK-N bedauert allerdings, dass das BSV nicht in der Lage ist, anzugeben, welcher Anteil der Selbstständigerwerbenden damals tatsächlich auf den CEE verzichtete. Sie erachtet es für wichtig, dass dieser Aspekt im Rahmen künftiger Evaluationen so gut wie möglich abgeklärt wird.
In Bezug auf die Umsetzung des Entschädigungssystems durch das BSV und die Ausgleichskassen hat die GPK-N keinen Handlungsbedarf aus Sicht der Oberaufsicht erkannt. Die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Bundesbehörden und den Ausgleichskassen wurde als gut bezeichnet. Nach Meinung der Kommission hat die Covid-19-Krise allerdings gewisse allgemeine Probleme hinsichtlich der Struktur des AHV/IV/EO-Systems zutage gefördert, namentlich was die Aufsicht des BSV über die Ausgleichskassen, die Harmonisierung der Daten und die Digitalisierung angeht. Für die GPK-N ist es wichtig, dass der Bundesrat diese Punkte vertieft.
Die GPK-N hat ferner geprüft, wie das BSV und die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) die Umsetzung des CEE beaufsichtigten. Mangels detaillierter Daten beruhte das System weitestgehend auf dem Vertrauensprinzip. Die Kontrollen des BSV und der EFK haben gezeigt, dass die Anzahl Fälle von Doppelzahlungen oder Bezüge von Beträgen über dem zulässigen Maximum gering waren, worüber sich die Kommission erfreut zeigt. Die GPK-N begrüsst die Bestrebungen der Aufsichtsbehörden und gelangt zum Schluss, dass diese ihre Aufgaben so gewissenhaft erfüllt haben, wie dies auf der Grundlage der verfügbaren Daten möglich war.
Die Kommission hat ausserdem von den Herausforderungen Kenntnis genommen, welche die Aufsicht über die Tätigkeit und die Finanzlage der Selbstständigerwerbenden in einem solchen Kontext mit sich bringt. Sie hält fest, dass die Selbstständigerwerbenden eine Kategorie von Erwerbstätigen darstellen, die im Sozialversicherungsbereich bislang wenig dokumentiert ist. Deshalb ersucht sie den Bundesrat, zu prüfen, ob es nicht sinnvoll wäre, ausgehend von den Erfahrungen aus der Pandemie die soziale Absicherung der Selbstständigerwerbenden eingehender zu untersuchen.
Die Kommission hat am 18. Februar 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP, LU) in Bern getagt.