Die Geschäftsprüfungskommissionen der Eidgenössischen Räte (GPK) haben im Januar 2023 entschieden, die Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrates einschliesslich der Rolle des EDI-Vorstehers zu untersuchen und dafür eine Arbeitsgruppe eingesetzt; diese Inspektion haben sie heute abgeschlossen. Sie haben sich in ihrer Untersuchung strikt an die Gewaltentrennung gehalten und die nach wie vor gesiegelten Akten des Zwangsmassnahmengerichts nicht angefordert. Zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung waren zudem verschiedene Unterlagen bereits gelöscht bzw. nicht mehr vorhanden. Die Quellenlage hat sich als insgesamt sehr lückenhaft erwiesen.
Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrats
Die GPK stellen fest, dass Covid-19-Vorlagen des Bundesrates regelmässig Gegenstand von Indiskretionen waren. Ihre Untersuchung bestätigt, dass verschiedene Medien besonders häufig über klassifizierte Informationen verfügten und darüber berichteten. Der CEO der Ringier AG hat vom ehemaligen Kommunikationschef des EDI vertraulich klassifizierte Informationen erhalten, wobei die Auswertung der Medienberichterstattung keine Hinweise auf die Verwendung der übermittelten Informationen in der Berichterstattung ergeben hat. Darüber hinaus konnten gestützt auf die der Arbeitsgruppe zur Verfügung stehenden Quellen weder weitere Empfänger noch Urheber oder allfällige Mitwisser der zahlreichen Indiskretionen während der Pandemie identifiziert werden.
Massnahmen des Bundesrates zur Verhinderung von Indiskretionen – Auswirkungen der Indiskretionen auf seine Geschäftsführung
Die Untersuchung der GPK hat gezeigt, dass der Bundesrat verschiedene Massnahmen getroffen hat, um Indiskretionen zu verhindern. Da diese Massnahmen jedoch nicht erfolgreich waren, wurden sie teilweise kurz nach ihrer Einführung wieder eingestellt. Das Thema wurde zudem in verschiedenen departementübergreifenden Gremien und vereinzelt auch in Bundesratssitzungen angesprochen. Die Kommissionen stellten jedoch fest, dass sich in Bezug auf dieses Thema eine Art Resignation eingestellt hat und dies mitunter ein Grund dafür war, dass keine weitergehenden Massnahmen ergriffen wurden.
Die Anzahl und teilweise auch die Art der Indiskretionen – insbesondere jene aus den Bundesratssitzungen – haben nach den Erkenntnissen der Kommissionen zu einem grossen Vertrauensverlust innerhalb des Bundesrates geführt. Die Häufung von Indiskretionen hatte konkrete Auswirkungen auf die Entscheidfindung und Beschlussfassung des Bundesrates. So wurden einerseits etwa vermehrt Geschäfte höher klassifiziert als notwendig, was dazu geführt hat, dass eine Konsultation der Fachexpertinnen und -experten ausblieb. Andererseits verzichteten die Departementsvorsteherinnen und -vorsteher vermehrt auf das Einreichen von Mitberichten, wodurch die inhaltliche Vorbereitung erschwert wurde. Die GPK bedauern, dass trotz des klar spürbaren Vertrauensverlusts im Zuge der vielen Indiskretionen während der Pandemie erst im Januar 2023 eine Aussprache im Bundesrat stattgefunden hat.
Massnahmen des Vorstehers des EDI und der anderen Departementsvorsteherinnen und -vorsteher zur Verhinderung von Indiskretionen
Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Departementsvorsteher des EDI vom regelmässigen Kontakt zwischen seinem Kommunikationschef und dem CEO der Ringier AG Kenntnis hatte. Der Arbeitsgruppe liegen jedoch keine Nachweise vor, wonach er über den konkreten Inhalt dieses Austausches informiert gewesen wäre oder dass die Indiskretionen in seinem Auftrag erfolgt wären. Für die GPK ist es nur beschränkt nachvollziehbar, dass der Departementsvorsteher des EDI im Wissen um diese Kontakte und die zahlreichen und wiederholt auftretenden Indiskretionen zu Geschäften des EDI keine spezifischen Massnahmen in seinem Departement ergriffen hat.
Alle angehörten Departementsvorsteherinnen und Departementsvorsteher betonten, dass in ihren Departementen eine Nulltoleranz gegolten habe bzw. gelte. Umso erstaunlicher ist aus Sicht der GPK die auffällige Häufigkeit der Verbreitung von vertraulich klassifizierten Informationen, nicht nur im Untersuchungszeitraum, sondern auch in der jüngeren Vergangenheit.
Eine wichtige Massnahme im Kampf gegen Indiskretionen stellt aus Sicht der Kommissionen die Einreichung einer Strafanzeige wegen einer Amtsgeheimnisverletzung dar. Auffallend ist aber, dass mit Ausnahme des EDI im Berichtszeitraum weder ein anderes Departement noch die Bundeskanzlei im Namen des Bundesrates eine Strafanzeige eingereicht hat.
Die GPK bedauern sehr, dass es dem Bundesrat als Gremium bisher nicht gelungen ist, die Problematik der Indiskretionen effektiver anzugehen. Sie richten daher im heute veröffentlichten Bericht neun Empfehlungen an den Bundesrat. Dieser muss nun bis am 2. Februar 2024 Stellung zu den Empfehlungen und Erkenntnissen der GPK nehmen.
Die GPK haben am 17. November 2023 unter dem Vorsitz von Ständerat Matthias Michel (FDP, ZG) und Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP, LU) in Bern getagt und den Bericht mit Mehrheitsbeschluss verabschiedet.