Die Immunitätskommission des Nationalrates (IK-N) ist mit 5 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung nicht auf das Gesuch um Aufhebung der Immunität (16.191) eingetreten. Sie sieht keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den erhobenen Vorwürfen und der amtlichen Stellung oder Tätigkeit von Nationalrat Schwander.

​16.191 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, hatte mit Gesuch vom 2. September 2016 bei der IK-N die Aufhebung der Immunität von Nationalrat Pirmin Schwander beantragt, respektive um Feststellung ersucht, dass kein Anwendungsfall von parlamentarischer Immunität gegeben ist. Nationalrat Pirmin Schwander wird der Gehilfenschaft zur Entführung von Minderjährigen und Gehilfenschaft zum Entziehen von Minderjährigen verdächtigt. Er soll eine Mutter finanziell unterstützt haben, ihre Tochter entführt und der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Biel entzogen zu haben.

Die Kommission hat Nationalrat Pirmin Schwander angehört. Er machte geltend, seit 2014 politisch sehr aktiv zu sein, um im Bereich der KESB Verbesserungen zu erreichen. So habe er auf kantonaler und nationaler Ebene Initiativen erarbeitet und sei am Aufbau eines privaten Vereines zur Unterstützung von Betroffenen in strittigen Fällen beteiligt.

Die Kommission anerkennt den Einsatz von Nationalrat Pirmin Schwander, sieht allerdings keinen unmittelbaren Zusammenhang zu seiner amtlichen Stellung oder Tätigkeit als Nationalrat. Die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe habe nicht sie sondern die Justiz zu beurteilen. In der Eintretensdiskussion wurde darauf hingewiesen, dass die Immunitätsbestimmungen erst 2011 revidiert worden seien. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, das Strafverfolgungsprivileg restriktiver anzuwenden und den Schutzbereich der relativen Immunität enger zu fassen. Es sei daher nicht jegliche im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Mandat stehende Handlung geschützt. Vielmehr müsse eine enge Verbindung zwischen den vorgeworfenen Handlungen und der amtlichen Stellung oder Tätigkeit vorliegen. Es wäre nach Einschätzung der Kommission durchaus denkbar, dass eine nicht der Bundesversammlung angehörende Person in gleicher Weise wie Nationalrat Schwander tätig wäre. Würde im vorliegenden Fall ein unmittelbarer Zusammenhang angenommen, wären in Zukunft kaum mehr Konstellationen denkbar, in denen dieser verneint werden könnte. Eine derart weitgreifende Auslegung der parlamentarischen Immunität würde nach Ansicht der Kommission, deren Glaubwürdigkeit schaden. Die Kommission ist weiter der Ansicht, dass kein Fall missbräuchlicher Strafverfolgung vorliege, durch welche Nationalrat Schwander an der Ausübung seines Mandates gehindert werden soll.

Am 24. Oktober 2016 wird die Rechtskommission als zuständige Kommission des Ständerates das Gesuch behandeln. Bei gleichlautendem Beschluss der ständerätlichen Kommission ist das Nichteintreten definitiv und die Einleitung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft möglich. Sollte die Kommission des Ständerates einen abweichenden Beschluss fällen, würde das Geschäft zur Differenzbereinigung an die Immunitätskommission des Nationalrates zurückgehen.

Die Kommission tagte am 3. Oktober 2016 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Nationalrat Gerhard Pfister (C, ZG) in Bern.