Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) beantragt mit 15 zu 9 Stimmen, der Initiative Fischer 24.463 keine Folge zu geben. Diese verlangt, die Strafprozessordnung so zu ändern, dass die Polizei bei der Orientierung der Bevölkerung das Alter, das Geschlecht und die Staatsangehörigkeit der Täterinnen und Täter, Tatverdächtigen und Opfer bekanntzugeben hat.

Die Kommission sieht in dieser auf Kantonsebene teils gängigen Praxis ein Risiko des Missbrauchs von Personendaten und der politischen Instrumentalisierung. Sie verweist darauf, dass nicht die Staatsangehörigkeit, sondern das sozioökonomische Profil ausschlaggebend für die Straffälligkeit sind. Eine Minderheit ist hingegen der Ansicht, dass ausländische Personen in der Kriminalitätsstatistik übervertreten sind und die Bevölkerung das Recht auf eine transparente und umfassende Information durch die Polizei hat. Während die Mehrheit fürchtet, dass mit dieser Praxis Vorurteile genährt würden, ist die Minderheit der Auffassung, dass so das Vertrauen in die Behörden gefestigt würde. Der Nationalrat wird in der Herbstsession über diese Initiative befinden.

Hoffnung für schwer verschu​ldete Privatpersonen

Die Kommission hat die Detailberatung zur Vorlage des Bundesrates für eine Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (25.019) begonnen und grundsätzlich bekräftigt, dass sie Handlungsbedarf im Bereich der Überschuldung von natürlichen Personen sieht. Sie beantragt ihrem Rat keine Änderungen zum bundesrätlichen Vorschlag zur Einführung eines vereinfachten Nachlassverfahrens. Kritischer sieht sie das neue Verfahren zur Durchführung eines Sanierungskonkurses. Während ihr noch ein Antrag vorliegt, diese Bestimmungen ganz aus der Vorlage zu streichen, hat die Kommission in einer Eventualbereinigung bereits einige Korrekturen vorgenommen. So hat sie beispielsweise entschieden, dass eine Person lediglich ein einziges Mal in ihrem Leben Zugang zu einem Verfahren eines Sanierungskonkurses haben soll (14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung), es sei denn, es lägen aussergewöhnliche Umstände vor, die eine weitere Sanierung erlauben würden (12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung und Stichentscheid des Präsidenten). Zudem soll die Frist für das Verfahren und die Abschöpfung der Einkünfte im Falle eines Sanierungskonkurses (Art. 345 E-SchKG) auf fünf Jahre erhöht werden (15 zu 10 Stimmen). Eine Minderheit beantragt, die Frist bei den vom Bundesrat vorgeschlagenen drei Jahren zu belassen, während eine andere Minderheit fordert, die Frist auf zwei Jahre zu verkürzen. Weiter hat sie mit 14 zu 11 Stimmen beschlossen, dass ein ausserordentlicher Vermögensanfall (Erbschaft, Schenkung, Lotteriegewinne) nach Abschluss des Sanierungskonkursverfahrens ausnahmslos den Gläubigern zukommen soll (Art. 350 E-SchKG). Während eine Minderheit fordert, diesen nachträglichen Zugriff auf das anfallende Vermögen auf die vom Bundesrat beantragten 5 Jahre zu begrenzen, fordert eine andere Minderheit, diese Frist auf 10 Jahre zu verdoppeln. Noch eine andere Position setzt sich für eine differenzierte Betrachtung ein und möchte lediglich die Lotteriegewinne unbeschränkt den Gläubigern zukommen lassen, nicht jedoch Erbschaften oder Schenkungen, für die eine Frist von 5 Jahren gelten soll. Darüber hinaus hat die Kommission mit klarer Mehrheit (23 Stimmen zu 1 Enthaltung) beschlossen, dass die Mietzinsen des Schuldners direkt an den Vermieter ausgerichtet werden. An ihrer nächsten Sitzung wird die Kommission die Detailberatung abschliessen, sodass das Geschäft voraussichtlich in der Herbstsession vom Nationalrat beraten werden kann.

Sorgfaltspflichten für Berateri​nnen und Berater

Die Kommission ist mit 15 zu 9 Stimmen auf den Entwurf 2 der Vorlage 24.046 eingetreten. Dieser regelt die Sorgfaltspflichten von Beraterinnen und Beratern im Geldwäschereigesetz (GwG) und wurde von ihrer Schwesterkommission erarbeitet. In der Detailberatung folgt die Kommission mehrheitlich dem Ständerat und befürwortet den risikobasierten Ansatz zur Unterstellung von Beraterinnen und Berater unter das GwG. In zwei Punkten weicht sie jedoch vom Ständerat ab: Während sie die Unterstellung von Amtsnotariaten unter die Sorgfaltspflichten – wie der Ständerat - unterstützt, beantragt sie, nicht nur die Ausnahme zu streichen, sondern die Unterstellung und insbesondere die Aufsicht ausdrücklich im Gesetz regeln (13 zu 9 Stimmen bei 2 Enthaltungen). Ausserdem beantragt sie mit 14 zu 11 Stimmen, dass die Tätigkeiten der Immobilienvermittlung, sofern der Kaufpreis ausschliesslich über einen Finanzintermediär gezahlt und erhalten wird, vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden. Eine Minderheit spricht sich gegen diese Ausnahme aus. Mehrere weitere Minderheiten nehmen die ursprünglichen Anträge des Bundesrates wieder auf. Sie vertreten die Ansicht, dass die Vorlage in der mehrheitlichen beschlossenen Fassung angesichts der zahlreichen Ausnahmen kaum zur wirksamen Bekämpfung der Geldwäscherei beitragen könne. Eine weitere Minderheit lehnt den Entwurf gesamthaft ab und beantragt, nicht darauf einzutreten. Sie ist der Meinung, das Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei in der Schweiz sei ausreichend, weshalb auf den zusätzlichen administrativen Aufwand für Beraterinnen und Berater verzichten werden könne.

In der Gesamtabstimmung hat die Kommission den Entwurf 2 mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltungen angenommen. Die Beratung durch den Nationalrat ist für die Herbstsession vorgesehen.

Strafbarkeit v​on Cybergrooming und Cybermobbing

Nachdem die Kommission im Februar Anhörungen durchgeführt hatte, hat sie sich jetzt mit dem weiteren Vorgehen zur Umsetzung von zwei parlamentarischen Initiativen befasst, die neue Straftatbestände im Bereich des Cybermobbing (20.445) und des Cybergroomings (18.434) fordern. Mit 13 zu 12 Stimmen hat sie entschieden, ihre Arbeiten an der Umsetzung der pa.IV. Suter 20.445 weiterzuführen und einen Vorentwurf zur Strafbarkeit von Cybermobbing auszuarbeiten, der technologieneutral sein soll. Auch für das Cybergrooming soll eine technologieneutrale Lösung erarbeitet werden.

Weitere Gesc​häfte

  • Die RK-N hat sich ein zweites Mal mit der Initiative Steinemann 22.478, welche die Polizei vor Racheanzeigen und rechtlichen Schikanen schützen will, befasst, nachdem ihre ständerätliche Schwesterkommission der Initiative die Zustimmung verweigert hatte. Sie beantragt ihrem Rat mit 14 zu 8 Stimmen, auf dieses Vorhaben zu verzichten, da das geltende Recht den Kantonen bereits erlaubt, die Eröffnung von Strafverfahren gegen Amtsträgerinnen und Amtsträger wegen im Amt begangener Verbrechen oder Vergehen von der Zustimmung einer aussergerichtlichen Behörde abhängig zu machen. Die Minderheit beantragt dem Rat, der Initiative zuzustimmen. Der Nationalrat wird sich in der Herbstsession mit diesem Geschäft befassen.
  • Die Kommission beantragt ihren Rat einstimmig, die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage in Umsetzung der beiden parlamentarischen Initiativen Vogler 16.428/16.429 («Paradigmenwechsel bei Artikel 420 ZGB», «Anpassung von Artikel 420 ZGB») um 2 Jahre zu verlängern. Um Doppelspurigkeiten zu vermeiden, will die Kommission zuerst die vom Bundesrat angekündigte Botschaft zu einer Änderung im Erwachsenenschutzrecht abwarten, bevor sie über das weitere Vorgehen entscheidet.
  • Mit 16 zu 8 Stimmen beantragt die Kommission, der parlamentarischen Initiative Schmid 24.429 («Keine automatische Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)») keine Folge zu geben. Eine Minderheit beantragt Folgegeben.
  • Die Kommission hat die Beratung der Motion Regazzi 24.4464, «Eine Strategie gegen den Missbrauch unserer Bilder», begonnen und mit 14 zu 11 Stimmen entschieden, die Beratung an ihrer nächsten Sitzung fortzusetzen. Sie teilt zwar die Einschätzung, dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht, wünscht aber, weitere Vorgehensweisen zu prüfen.

Die Kommission tagte am 3./4. Juli 2025 unter dem Vorsitz von Nationalrat Vincent Maitre (M-E, GE) in Bern.