Mit 17 zu 8 Stimmen hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) den Verpflichtungskredit für das Programm zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (DigiSanté; 23.076) in der Gesamtabstimmung gutgeheissen. Sie war bereits an ihrer letzten Sitzung auf die Vorlage eingetreten. Mit dem grossangelegten Programm sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren die Behandlungsqualität, die Effizienz und Transparenz des Gesundheitssystems sowie die Patientensicherheit erhöht werden.
Die Finanzkommission des Nationalrates (FK-N) hatte sich ebenfalls mit dem Verpflichtungskredit befasst und beantragt, dass sämtliche zusätzlichen Stellen, die im Rahmen des Programms «DigiSanté» geschaffen werden, innerhalb des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI) kompensiert werden müssen. Die SGK-N lehnt diesen Antrag mit 17 zu 8 Stimmen ab. Sie sieht die Umsetzung des Programms bei einer solchen Kompensationspflicht gefährdet, da mehr Arbeiten extern vergeben werden müssten, somit weniger Mittel für Projekte zur Verfügung stünden und es zu grossen Verzögerungen kommen könnte. Zudem seien bereits erhebliche Eigenleistungen des EDI vorgesehen, die nicht in den Kredit einfliessen. Eine Minderheit beantragt, den Antrag der FK-N zu übernehmen.
Mit 21 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen ergänzt die Kommission den Bundesbeschluss zum Verpflichtungskredit jedoch um Vorgaben zur Priorisierung der Vorhaben, zur Zielsetzung und zum Einbezug der externen Akteure. Zudem soll das EDI dem Parlament jährlich Bericht erstatten. Massgeblich für die Priorisierung soll dabei der erwartbare Nutzen für die Akteure sowie die Patientinnen und Patienten sein. Die Ziele müssen messbar sein und adäquat kontrolliert werden. Weiter hält die SGK-N mit 13 zu 12 Stimmen im Bundesbeschluss explizit fest, dass die Leistungen der Bundesverwaltung der gesamten Bevölkerung zugänglich sein müssen und insbesondere auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen geachtet werden soll. Eine Minderheit lehnt diese Ergänzung ab.
Die Vorlage ist damit bereit für die Frühjahrssession.
Basierend auf einem Bericht der Verwaltung zu Praxis- und Klinikinformationssystemen hat die SGK-N zudem mit 13 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen beschlossen, ein Kommissionspostulat einzureichen, mit dem die Einführung von Mindeststandards für Herstellende solcher Primärsysteme im OKP-Bereich geprüft werden sollen (24.3013).
Personen in arbeitgeberähnlicher Stellung sollen rascher Arbeitslosenentschädigung erhalten
Mit 13 zu 12 Stimmen verabschiedete die Kommission ihren Entwurf in Erfüllung der Pa. Iv. Silberschmidt. Unternehmerinnen und Unternehmer, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, sollen auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sein (20.406) zuhanden des Rates. Sie hatte davor die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis genommen. Als Reaktion auf eingegangene Stellungnahmen aus dem Kulturbereich beschloss die SGK-N mit 13 zu 12 Stimmen, die Mehrheitsvariante um eine Bestimmung zu ergänzen, welche für Personen mit häufig wechselnden oder befristeten Arbeitsverhältnissen gewisse Ausnahmen vorsieht. So müssen diese nicht mindestens zwei Jahre im entsprechenden Betrieb gearbeitet haben, um Zugang zu Arbeitslosenentschädigung zu erhalten. Zudem sind sie von der Rückzahlungspflicht bei Wiedereinstellung im gleichen Betrieb ausgenommen. Weiter beschloss die Kommission einstimmig, eine Evaluationsklausel in die Vorlage aufzunehmen. Der Bundesrat muss damit fünf Jahre nach Inkrafttreten der Revision die Umsetzung, Wirksamkeit und finanziellen Konsequenzen der Vorlage überprüfen und allenfalls Anpassungen vorschlagen. Insgesamt hält die SGK-N mit 13 zu 12 Stimmen an der Mehrheitsvariante aus der Vernehmlassung fest und zieht diese der Variante «Beitragspflicht nur für bezugsberechtigte Personen» vor. Verschiedene Minderheiten stellen ihre Anträge aus der Vernehmlassung im Rat erneut zur Debatte. Als nächstes erhält nun der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Vorlage sollte voraussichtlich für die Sommersession bereit sein.
Familienzulagen: Kommission will Kaufkraft der Familien stärken
Die Kommission hat der Pa. Iv. Jost. Starke Familien durch angepasste Zulagen (23.406) mit 13 zu 12 Stimmen Folge gegeben. Die Initiative verlangt, die Mindestbeträge der Familienzulagen um 50 Franken zu erhöhen, womit die Kinderzulage künftig mindestens 250 Franken und die Ausbildungszulage mindestens 300 Franken betragen würde. Die Mehrheit der Kantone müsste ihre Praxis anpassen, da bislang nur einige Kantone Familienzulagen in Höhe von 250 Franken ausrichten. Die Kommission betont, dass die Erhöhung der Zulagen den Familien in prekären Lebensverhältnissen und den Familien aus der Mittelschicht helfen würde, dem Kaufkraftverlust zu begegnen, mit dem sie aufgrund der Inflation sowie der Prämien- und Mieterhöhungen derzeit konfrontiert sind. Auf diese Weise will die Kommission unter anderem das Risiko mindern, dass Kinder in die Armut abgleiten. Mit 16 zu 8 Stimmen beantragt sie allerdings, der Pa. Iv. Piller Carrard. Die Kaufkraft der Familien stärken(22.499) keine Folge zu geben, da die geforderte Erhöhung um 100 Franken und die damit verbundenen Mehrkosten in ihren Augen kaum zu finanzieren wären.
KVG: Werbung nicht mit Prämien finanzieren
Die Kommission hat mit 12 zu 12 Stimmen und Stichentscheid ihrer Präsidentin beschlossen, der Pa. Iv. (Hurni) Piller Carrard. Schluss mit Werbung auf dem Rücken der Versicherten! (22.497) Folge zu geben. Die Werbung für die obligatorische Krankenversicherung darf von den Krankenversicherern derzeit als Verwaltungsaufwand verbucht werden und wird demzufolge über die Prämien der Versicherten finanziert. Im Jahr 2022 beliefen sich diese Werbekosten auf knapp 73 Millionen Franken. Die Kommissionsmehrheit verweist darauf, dass die Grundversicherung obligatorisch ist und die Werbung weder der Prävention noch der Gesundheitsförderung dient und somit keinen Mehrwert bringt. In ihren Augen sollten die entsprechenden Ausgaben deshalb nicht mit Prämien finanziert werden. Die aktuelle Praxis erachtet sie angesichts der kontinuierlich steigenden Prämien nicht mehr als hinnehmbar. Sie weist darauf hin, dass das Werbeverbot nur die obligatorische Krankenversicherung beträfe und die Krankenversicherer weiterhin Werbung für ihre Produkte im Bereich der Zusatzversicherungen machen dürften.
Die Initiative wird nun als nächstes von der ständerätlichen Schwesterkommission geprüft.
Weitere Geschäfte
Die Kommission ist bei der Vorlage des Bundesrates zur Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (Digitalisierung in der Erwerbsersatzordnung; 23.067) dem Entwurf des Bundesrates gefolgt und hat ihn in der Gesamtabstimmung mit 16 zu 7 Stimmen angenommen. Sie war bereits an ihrer vorherigen Sitzung auf den Entwurf eingetreten, hatte aber um zusätzliche Informationen über die finanziellen Auswirkungen dieser Änderung gebeten. Eine Minderheit beantragt dem Rat in der Frühjahrssession, nicht auf den Entwurf einzutreten, da sie bezweifelt, dass die Vorlage zu einer Vereinfachung führt.
Die Kommission hat sich über den Verordnungsentwurf des Bundesrates zur Anpassung der Tarifstruktur für die ambulante Physiotherapie informieren lassen. Wie ihre Schwesterkommission will auch die SGK-N die Entwicklungen bei dieser umstrittenen Vorlage eng verfolgen. Sie beabsichtigt, das Thema an einer nächsten Sitzung erneut zu behandeln. Mit 12 zu 11 Stimmen hat die Kommission zudem beschlossen, ein Postulat (24.3014) einzureichen, mit dem untersucht werden soll, in welcher Weise die Teuerung in den Tarifverträgen der verschiedenen Leistungserbringenden berücksichtigt werden kann.
Die Kommission liess sich zur Tabakprodukteverordnung konsultieren. Sie empfiehlt dem Bundesrat in verschiedenen Punkten Anpassungen vorzunehmen. So soll auf eine physische beigelegte Produktinformation verzichtet werden. Stattdessen sollen diese Informationen direkt auf der Verpackung angebracht werden können und nicht in allen Amtssprachen vorliegen müssen. Weiter sollen beim Sponsoring keine Warnhinweise notwendig sein. Schliesslich weist die Kommission darauf hin, dass sichergestellt werden muss, dass das vorgesehene Informationssystem für die Meldung von Produkten einfach zu handhaben ist.
Die Kommission liess sich zum geplanten Kooperationsabkommen im Gesundheitsbereich informieren, welches der Entwurf des Bundesrates für ein Verhandlungsmandat mit der EU vorsieht. Sie verzichtet auf Empfehlungen zuhanden des Bundesrates.
Die Kommission hat sich ferner über die Verhandlungen in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Anpassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften und zum Abschluss eines neuen Pandemieabkommens informiert. Mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung empfiehlt sie dem Bundesrat, den Beschluss über einen allfälligen Beitritt zum WHO-Pandemieabkommen dem Parlament zu unterbreiten.
Die Kommission hat sich ausserdem mit dem Thema Long Covid befasst und hierzu eine Delegation der Organisation «Long Covid Schweiz» angehört. Sie hält fest, dass der Handlungsbedarf von allen Beteiligten, Bundesrat eingeschlossen, anerkannt wird, jedoch noch erhebliche Herausforderungen zu überwinden sind, bis eine angemessene und wirksame Versorgung der erkrankten Personen sichergestellt ist. Die Kommission betont die Wichtigkeit wissenschaftlicher Forschung zum Thema und würde die Schaffung von Kompetenzzentren zur Behandlung von Long Covid begrüssen.
Mit 16 zu 7 Stimmen beantragt die Kommission, der Kt. Iv. VD. Das KVG ist dahin gehend zu ändern, dass die Kantone, die dies wünschen, per Gesetz eine kantonale Einrichtung schaffen können, welche die Prämien festlegt und erhebt sowie sämtliche Kosten finanziert, die zulasten der OKP gehen (21.322) keine Folge zu geben und folgt damit dem Beschluss des Ständerates. Die Kommission sieht in der Initiative einen zu grossen, unnötigen Eingriff ins aktuelle System und verweist auf eine Reihe ähnlicher Vorhaben, die ebenfalls keine Mehrheit gefunden haben.
Die Kommission beantragt mit 17 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Frist zur Umsetzung der Pa. Iv. Humbel. Wettbewerbspreise bei Medizinalprodukten der Mittel- und Gegenständeliste (16.419) zu verlängern. Sie beschloss zudem, mit den weiteren Arbeiten abzuwarten, bis die Botschaft zu einer Revision im verwandten Bereich der Laboranalysen vorliegt, mit der die Preise auch in diesem Bereich neu von den Tarifpartnern ausgehandelt und nicht mehr von den Behörden festgelegt werden sollen. Zum Einstieg hatte die Kommission die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis genommen.
Die Kommission beantragt mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Frist zur Umsetzung der Mo. Nationalrat (Darbellay). Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen (11.3811) um ein Jahr zu verlängern.
Die Kommission tagte vom 22. bis 23. Februar 2024 in Bern unter der Leitung von Nationalrätin Barbara Gysi (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.