Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates ist der Meinung, dass der Proporz bei kantonalen Wahlen grundrechtskonform angewendet werden soll, wenn nach diesem System gewählt wird. Sie spricht sich deshalb gegen eine vom Ständerat angenommene Verfassungsänderung aus, welche den Kantonen mehr Freiheit bei der Ausgestaltung ihres Wahlrechts geben wollte.

​In Umsetzung von zwei Standesinitiativen (14.307 s Kt.Iv. Zug. Wiederherstellung der Souveränität der Kantone bei Wahlfragen. Änderung der Bundesverfassung / 14.316 s Kt.Iv. Uri. Souveränität bei Wahlfragen) hat der Ständerat am 15. März 2018 einer Änderung der Bundesverfassung zugestimmt, wonach die Kantone in der Ausgestaltung ihres Wahlrechts frei sein sollen. Insbesondere sollten auch Kantone mit Proporzwahlrecht - entgegen der bisherigen Praxis des Bundesgerichts – kleinere Wahlkreise festlegen können. Die SPK des Nationalrates beantragt nun aber ihrem Rat mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung, nicht auf die Vorlage einzutreten. Sieht ein Kanton das Proporzwahlrecht vor, dann ist dieses nach Ansicht der Kommission so auszugestalten, dass die Regeln des Proporzes auch wirklich zur Anwendung gelangen. Sind z.B. die Wahlkreise zu klein, so ist mit Wahlkreisverbänden oder speziellen Verteilungsregeln zwischen den Wahlkreisen ein Ausgleich herzustellen, damit dem Gebot der Stimmrechtsgleichheit Rechnung getragen werden kann. Verschiedene Kantone haben denn auch nach entsprechenden Bundesgerichtsentscheiden ihr Wahlrecht angepasst. Somit besteht kein Handlungsbedarf für den Bundesgesetzgeber.

Die Kommissionsminderheit hingegen sieht die kantonale Organisationsautonomie in Frage gestellt, wenn das Bundesgericht den Kantonen bei der Ausgestaltung ihres Wahlrechts so wenig Handlungsspielraum belässt und spricht sich deshalb für die Vorlage des Ständerates aus. So hat sich z.B. der Bündner Souverän mehrmals gegen das Proporzwahlrecht ausgesprochen. Somit solle ihm dieses nicht vom Bund aufgedrängt werden.

Parlamentsrecht: Kommission hält an ihren Forderungen nach mehr Transparenz fest

Die Kommission hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass der Ständerat in der Vorlage für verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts einige von ihr ausgearbeitete Vorschläge, welche der Nationalrat abgelehnt hatte, wiederaufgenommen hat. (16.457 n Pa.Iv. SPK-NR. Verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts). Die SPK hält deshalb an ihren Forderungen fest und beantragt ihrem Rat, in verschiedenen Punkten dem Ständerat zu folgen. So sprach sich die Kommission ohne Gegenantrag dafür aus, dass die Ratsmitglieder im öffentlichen Register der Interessenbindungen neu auch ihre Arbeitgeber angeben müssen. Mit 16 zu 7 stimmte die Kommission zudem einem Antrag zu, wonach die Ratsmitglieder angeben müssen, ob sie die im Interessenregister aufgeführten Tätigkeiten ehrenamtlich ausüben oder ob sie dafür mit mehr als 12'000 Franken pro Jahr entgolten werden. Im Weiteren spricht sich die Kommission wie ebenfalls von ihr ursprünglich vorgeschlagen ohne Gegenantrag dafür aus, dass wichtige Kommissionsunterlagen vermehrt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zurzeit kein weiterer Gesetzgebungsbedarf im Bereich des Asylwesens

Die Kommission hat mit 18 zu 7 Stimmen beschlossen, der Standesinitiative des Kantons Aargau «Für eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes im Asylbereich» (17.312) keine Folge zu geben. Die Initiative stellt drei Forderungen an den Bund: eine höhere Integrationspauschale, eine volle Kostenübernahme während sieben Jahren bei anerkannten Flüchtlingen und eine besondere Pauschale für unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Die Kommission des Ständerates hat der Initiative Folge gegeben, weil es eine Gesetzesänderung brauche, um die Kantone und Gemeinden zu entlasten.

Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass Kantone und Bund bereits über ein neues Finanzierungssystem inklusive einer Erhöhung der Integrationspauschale verhandelt haben und in der Zwischenzeit die Forderungen der Initiative in diesem Rahmen weitgehend erfüllt sind (vgl. die am 30. April 2018 publizierte „Integrationsagenda Schweiz. Ein gemeinsames Programm des Bundes und der Kantone"). Daher besteht kein Gesetzgebungsbedarf und der Initiative ist keine Folge zu geben.

Ein Teil der Mehrheit lehnt die Initiative ab, weil sie den Kostendruck von Kantonen und Gemeinden wegnimmt und das Problembewusstsein über die Missstände im Asylwesen vermindert.

Die Minderheit möchte der Initiative Folge geben, weil die Forderung der Initiative nach einer Verlängerung der vollen Kostenübernahme durch den Bund noch nicht erfüllt ist und der Druck in dieser Frage aufrecht erhalten werden sollte.

Die weitere Aargauer Standesinitiative «Für eine wirksame Flüchtlingspolitik vor Ort anstelle falscher Anreize für Völkerwanderungen» (17.303) verlangt, die Hilfe in oder möglichst nahe von den Herkunftsländern zu verstärken. Finanziert werden soll dies mit Geldern, die man einsparen könnte, wenn die Asylgesuche infolge eines konsequenten Abbaus der Anreize zurückgehen würden. Diese Forderungen sind aber zu unbestimmt, um sie durch eine konkrete Gesetzgebung umsetzen zu können. Nachdem bereits der Ständerat der Initiative aus diesem Grund keine Folge gegeben hat, beantragt nun auch die Kommission des Nationalrates ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben.

Keine Änderung der Regelung der erleichterten Einbürgerung

Die Initiative von Nationalrätin Steinemann (17.489 Keine minderjährigen Sozialhilfebezüger erleichtert einbürgern) fordert eine Ergänzung des Bürgerrechtsgesetzes, welche es ausschliessen würde, dass minderjährige Personen der dritten Ausländergeneration erleichtert eingebürgert werden können, wenn ihre Eltern Sozialhilfe beziehen.
Die Kommission beantragt ihrem Rat mit 16 zu 9 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Die Kommission hat sich durch die Verwaltung informieren lassen, dass jeder Einzelfall genau geprüft wird. Auch wenn die Eltern Sozialhilfe beziehen, können Jugendliche gut integriert sein und sich ernsthaft um eine gute Ausbildung bemühen; sie erfüllen damit die Voraussetzungen für die erleichterte Einbürgerung. Ein Sozialhilfebezug der Eltern darf nicht den Kindern zur Last gelegt werden.

Die Kommission tagt am 3. Mai 2018 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Nationalrat Kurt Fluri (RL/SO) in Bern.