Ein Suppleantensystem bringt nach Ansicht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates keine Stärkung des Parlamentes und seiner Mitglieder. Die Ratsmitglieder brauchen nicht Stellvertreterinnen oder Stellvertreter, sondern wirksame Unterstützung.

​Die Kommission lehnt deshalb die parlamentarische Initiative von Nationalrätin Doris Fiala (RL, ZH) mit 13 zu 11 Stimmen ab (19.492 Pa. Iv. Milizsystem unter Druck. Tragfähige Lösungen finden). Nach Ansicht der Kommission würde der Parlamentsbetrieb zu stark aufgebläht, wenn die Bürgerinnen und Bürger für den Nationalrat Suppleanten und Suppleantinnen wählen würden, welche die ordentlichen Mitglieder des Nationalrates an Sitzungen vertreten können. So müssten z.B. auch Vorstösse der Stellvertreterinnen und Stellvertreter behandelt werden. Das Suppleantensystem stellt zudem keine wirksame Entlastung der Ratsmitglieder dar. Die Parlamentstätigkeit besteht nicht nur in der Teilnahme an Sitzungen, sondern auch in deren Vorbereitung, welche oft zeitintensiver ist. Will ein Parlamentsmitglied sich insbesondere in der Kommissionsarbeit einbringen, muss es die Geschäfte permanent verfolgen können, unabhängig davon, ob es an jeder Sitzung teilnimmt oder nicht.
Für die Kommissionsminderheit würde ein Suppleantensystem eine gute Alternative zur vollständigen Professionalisierung des Parlamentsmandates darstellen. Es gehe nicht um den kurzfristigen Ersatz an Sitzungen, sondern auch um längerfristige Vertretung z.B. bei Mutterschaft oder Krankheit.

Keine Wohnsitzpflicht für Kinder von Flüchtlingen, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen

Mit 17 zu 7 Stimmen lehnt die Kommission die von der Schwesterkommission eingereichte parlamentarische Initiative ab, mit der die Frage der Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen, geklärt werden soll (20.458 «Wohnsitzerfordernis von Flüchtlingen bei AHV und IV»). Die Initiative fordert, dass alle Rentenempfänger – auch die Kinder - in der Schweiz wohnhaft sein müssen, damit Zusatzbeiträge für Kinder beansprucht werden können.
Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids vom Januar 2020 können Renten für Kinder von AHV- oder IV-Bezügern ausbezahlt werden, selbst wenn diese im Ausland wohnen. Die Kommission sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf und ist der Ansicht, dass eine Abweichung eines wichtigen Internationalen Abkommens wie hier der Flüchtlingskonvention nicht begründet werden kann, zumal die Einsparungen aufgrund der wenigen Fälle sehr gering wären.

Schutzbedürftigenstatus bleibt unverändert

Die SPK-N hält an ihrem Entscheid fest und beantragt ihrem Rat mit 12 zu 11 Stimmen, nicht auf den Entwurf des Ständerates einzutreten, wonach bei schutzbedürftigen Personen (S-Status) für den Familiennachzug die gleichen Voraussetzungen gelten sollen wie bei vorläufig Aufgenommenen (16.403 «Familiennachzug. Gleiche Regelung für Schutzbedürftige wie für vorläufig Aufgenommene»). Die Kommission sieht in dieser Änderung keinen Mehrwert, da der S-Status von den Bundesbehörden nie vergeben wurde. Anstatt eine Ungleichbehandlung zu beseitigen, würde diese Anpassung vielmehr die Lage der betreffenden Personen verschlechtern. Falls der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission folgen sollte, wäre diese Vorlage somit vom Tisch.
Eine Minderheit beantragt, auf den Entwurf einzutreten, da mit der geplanten Änderung die Vergabe des Schutzbedürftigenstatus erleichtert werden dürfte und so schutzbedürftigen Personen ein vorläufiger Schutz gewährt werden könnte, ohne das Schweizer Asylsystem zu überlasten.

Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug aufheben

Mit 14 zu 9 Stimmen hält die Kommission auch bei der parlamentarischen Initiative «Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug» (19.464) an ihrer Position fest und beantragt ihrem Rat, Folge zu geben. Schweizerinnen und Schweizer und ihre ausländischen Familienangehörigen aus Drittstaaten sollen hinsichtlich ihrer ausländerrechtlichen Stellung nicht schlechter gestellt sein als EU- oder EFTA-Bürger und deren Angehörige. Eine Minderheit beantragt, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben.

Überprüfung von Mobiltelefonen von Asylsuchenden zur Feststellung ihrer Identität

Mobiltelefone und andere Datenträger von Asylsuchenden sollen überprüft werden können, wenn wegen fehlender Dokumente die Identität der Asylsuchenden nicht ermittelt werden kann. Die Kommission hat die zustimmende Stellungnahme des Bundesrates zur Kenntnis genommen. Die Vorlage 17.423 «Mitwirkungspflicht im Asylverfahren. Überprüfungsmöglichkeit bei Mobiltelefonen» geht nun an den Rat.

Legislaturplanung: keine Selbstentmachtung des Parlamentes

Gemäss der von Ständerat Damian Müller eingereichten parlamentarischen Initiative (20.446 s Pa. Iv. Müller Damian. Fitnesskur für das Parlament. Entschlackung der Legislaturplanung), welche in der SPK des Ständerates eine Mehrheit gefunden hatte, soll das Parlament vom Bericht des Bundesrates zur Legislaturplanung nur noch Kenntnis nehmen. Die SPK des Nationalrates sieht darin eine Entmachtung des Parlamentes und spricht sich mit 18 zu 4 Stimmen und 1 Enthaltung gegen die Initiative aus. Die Bundesversammlung soll – wie dies auch die Bundesverfassung vorsieht – bei der Legislaturplanung qualifiziert mitwirken können.

Nationalratswahlen: Unterlistenverbindungen nur innerhalb einer Partei

Mit 15 zu 9 Stimmen hat die Kommission die Ausarbeitung einer Kommissionsinitiative (21.402 Präzisierung Unterlistenverbindungen) beschlossen, wonach im Bundesgesetz über die politischen Rechte eine Präzisierung vorgenommen werden soll, die klarstellt, dass es sich bei Unterlistenverbindungen nur um Verbindungen innerhalb einer Partei handeln kann. Die heute geltende Formulierung, wonach Unterlistenverbindungen zwischen Listen gleicher Bezeichnung, die sich durch einen Zusatz zur Kennzeichnung der Flügel einer «Gruppierung» unterscheiden, möglich sind, kann zu Rechtsmissbräuchen führen, indem Unterlistenverbindungen über die Parteigrenzen hinausgehen. Gemäss einer Minderheit der Kommission bringt die Initiative keine Klärung: Der Begriff «Partei» sei nicht präziser als «Gruppierung».

Festhalten am konstruktiven Referendum

Trotz des deutlich negativen Verdikts ihrer Schwesterkommission zum konstruktiven Referendum, beantragt die SPK des Nationalrates mit 14 zu 10 Stimmen, an der entsprechenden parlamentarischen Initiative festzuhalten (18.446 n Pa. Iv. Wermuth. Mehr Demokratie. Konstruktives Referendum). Die Kommission erachtet es als Bereicherung der Volksrechte, wenn 50'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone zusammen mit einem Referendum zu einem Gesetz oder einem Bundesbeschluss einen Gegenvorschlag einbringen können. Nach Ansicht der Kommissionsminderheit obliegt es dem Parlament und nicht dem Volk, Gegenvorschläge auszuarbeiten.

Die Kommission tagte am 18. Februar 2021 unter dem Vorsitz von Nationalrat Andreas Glarner (V, AG) in Bern.