Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Ständerates will in der Bundesverfassung verankern, dass völkerrechtliche Verträge, die Bestimmungen von Verfassungsrang enthalten oder deren Umsetzung die Änderung der Bundesverfassung erfordert, Volk und Ständen obligatorisch zur Abstimmung unterbreitet werden müssen.

​Die Kommission hat in der Gesamtabstimmung eine entsprechenden Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung einer von den Räten angenommenen Motion mit 9 zu 3 Stimmen zugestimmt (20.016 Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter. Änderung von Artikel 140 der Bundesverfassung, Mo. Caroni 15.3557). Nach verbreiteter, wenn auch umstrittener Auffassung existiert zwar schon heute ein ungeschriebenes Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter. Letztes Anwendungsbeispiel für ein solches ungeschriebenes Referendum war dasjenige über das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) im Jahre 1992  Die Verankerung eines ausdrücklichen obligatorischen Referendums für Staatsverträge mit Verfassungscharakter bietet nun die Möglichkeit, Rechtssicherheit und Transparenz zu schaffen, die demokratischen Mitwirkungsrechte zu klären und zu bekräftigen und gleichzeitig die demokratische Legitimation des Völkerrechts zu stärken und sein Verhältnis zum Landesrecht zu entspannen. Die Verfassung soll dazu auch präzise definieren, was «Bestimmungen von Verfassungsrang» sind.
Mit 8 zu3 Stimmen bei einer Enthaltung lehnte die Kommission hingegen einen Antrag ab, wonach Verfassungsänderungen zur Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags zwingend gleichzeitig mit diesem zur Abstimmung zu bringen sind. Die Bundesversammlung soll hier den bisherigen Spielraum behalten.
Eine Minderheit spricht sich gegen die Vorlage aus, weil sie die neuen Bestimmungen als interpretationsbedürftig erachtet. Sie befürchtet, dass bei jedem völkerrechtlichen Vertrag lange Diskussionen geführt würden, ob dieser dem obligatorischen Referendum untersteht oder nicht.

Parlament in Krisensituationen: Ständeratskommission will sich an Analyse und allfälliger Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen beteiligen

Die Kommission hat sich mit zwei Initiativen ihrer Schwesterkommission befasst, mit welchen die Handlungsfähigkeit des Parlaments auch in Krisensituationen sichergestellt und die Regeln für bundesrätliches Notrecht, namentlich mit Blick auf den Einbezug des Parlaments, überprüft werden soll. Die SPK des Ständerates teilt die Auffassung, dass Handlungsbedarf besteht, Sie hat deshalb der Initiative «20.437 Pa. Iv. Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern» einstimmig und der Initiative «20.438 Pa. Iv. Nutzung der Notrechtskompetenzen und Kontrolle des bundesrätlichen Notrechts in Krisen» mit 9 zu 0 Stimmen und 2 Enthaltungen zugestimmt. Dabei hat die Kommission den Wunsch geäussert, dass vorab eine gründliche Analyse vorgenommen werde und dass die SPK-S in geeigneter Weise in den Ausarbeitungsprozess dieser Initiativen einbezogen werde, z.B. im Rahmen gemeinsam arbeitender Subkommissionen der beiden SPK.

Auch der Bund soll das Institut für Föderalismus finanziell unterstützen

Wie bereits der Nationalrat ist die Kommission ist der Ansicht, dass sich der Bund an der Grundfinanzierung des Instituts für Föderalismus in Freiburg beteiligen soll. Sie beantragt mit 7 zu 3 Stimmen und einer Enthaltung eine vom Nationalrat am 10. September 2019 angenommene Motion zur Annahme (19.3008n Mo. SPK-NR. Kompetenzzentrum für Föderalismus. Beteiligung an der Grundfinanzierung). Die Kommission erachtet es als wichtig, dass der Bund mit einer Grundfinanzierung sicherstellt, dass das Institut weiterhin kurz- und langfristig wissenschaftlich fundierte Dienstleistungen von nationaler Bedeutung anbieten kann. Eine Minderheit sieht keine Notwendigkeit für ein Engagement des Bundes und in dieser Unterstützung einen Präzedenzfall. Sie fürchtet, dass auch zahlreiche andere Institute um Unterstützung nachsuchen könnten.

Konstruktives Referendum in der Ständeratskommission chancenlos

Mit 10 zu 0 Stimmen und 2 Enthaltungen spricht sich die Kommission gegen die Einführung eines konstruktiven Referendums auf Bundesebene aus. Die SPK des Nationalrates hatte einer entsprechenden Initiative mit 15 zu 10 Stimmen zugestimmt (18.446 n Pa.Iv. Wermuth. Mehr Demokratie. Konstruktives Referendum). Danach sollen 50'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone zusammen mit einem Referendum zu einem Gesetz oder einem Bundesbeschluss einen Gegenvorschlag einbringen können. Nach Ansicht der Kommission des Ständerates würde ein solches Instrument das institutionelle Gefüge schwächen. Es ist Pflicht des Parlamentes in einem austarierten Prozess und nicht der Stimmbevölkerung ad hoc, tragfähige Kompromisse zu suchen. Da für die Ausarbeitung eines solchen Referendums ausgeprägtes Expertenwissen gefragt wäre, würden auch nicht die Volksrechte, sondern die Verbandsrechte gestärkt. Zugleich würde der Abstimmungsprozess für die Stimmberechtigten erheblich verkompliziert.

Protokollpflicht bei Einbürgerungen: Kommission sieht keinen Handlungsbedarf

Es ist nicht Sache des Bundes, den Kantonen und Gemeinden vorzuschreiben, wie sie ordentliche Einbürgerungsverfahren protokollieren. Die Kommission spricht sich deshalb mit 7 zu 4 Stimmen und einer Enthaltung gegen eine von der Kommission des Nationalrates angenommene parlamentarische Initiative aus, welche die Protokollierung von Gesprächen im Einbürgerungsverfahren auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeeben verlangt (18.478 n Pa.Iv. Wermuth. Recht auf nachvollziehbare Einbürgerungsverfahren. Protokollpflicht). Der Bund soll sich im Einbürgerungsverfahren auf den Erlass von Mindestvorschriften beschränken. Die Protokollierung wird zudem bereits von der Gerichtspraxis verlangt. Für die Minderheit gehört eine Protokollierungspflicht zu einem rechtsstaatlich korrekten Verfahren und soll, weil sie offenbar nicht überall erfüllt wird, gesetzlich verankert werden.

Nebenbeschäftigungen des höheren Kaders der Bundesverwaltung sollen veröffentlicht werden

Die Kommission hat mit 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Kommissionsmotion verabschiedet, die den Bundesrat beauftragt, die bewilligten Nebenbeschäftigungen und öffentlichen Ämter der Topkader und der höheren Kader der Bundesverwaltung (ab Lohnklasse 30) in einem Register zu veröffentlichen (20.3911 Öffentliches Register der Nebenbeschäftigungen von höheren Kadern in der Bundesverwaltung). In den Augen der Kommission besteht ein öffentliches Interesse daran, dass in diesem Bereich die gleiche Transparenz herrscht wie bei den Parlamentsmitgliedern, deren Interessenbindungen ebenfalls veröffentlicht werden. Die Minderheit ist der Ansicht, dass das geltende Recht ausreichend Transparenz bietet, namentlich durch die Pflicht, Nebenbeschäftigungen, die einen Interessenkonflikt darstellen könnten, zu melden und genehmigen zu lassen. Die Kommission hat ausserdem einstimmig beschlossen, eine Motion des Nationalrates zum gleichen Thema (17.4127 n Mo. Nationalrat [Bigler]. Transparenz in der Verwaltung) abzulehnen, da diese in ihren Augen zu weit geht.

Situation der Flüchtlinge in Griechenland muss verbessert werden

Die Kommission hat mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung eine Motion des Nationalrates angenommen, die den Bundesrat beauftragt, auf eine substanzielle Verbesserung der Situation der Flüchtlinge auf den ägäischen Inseln hinzuwirken und sich auf europäischer Ebene für eine Reform der Dublin-Abkommen einzusetzen (20.3143 n Mo. Nationalrat [SPK-NR]. Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens). Sie hat zur Kenntnis genommen, dass die Motionsanliegen bereits weitgehend erfüllt sind, und möchte das Engagement des Bundesrates in diesem Bereich unterstützen. Die Minderheit beantragt die Ablehnung der Motion, da das Parlament in ihren Augen keine Symbolpolitik betreiben soll. Die Kommission hat davon Kenntnis genommen, dass sich der Bundesrat bereit erklärt hat, unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, die einen Bezug zur Schweiz haben. In Anbetracht dessen und den bereits getroffenen Massnahmen in Zusammenhang mit UMAs erachtet sie die Petition 20.2008 (Schutz für Kinder auf der Flucht) folglich als erledigt.

Klärung der Situation bei den AHV- und IV-Renten für Flüchtlinge

Die Kommission hat mit 6 zu 5 Stimmen eine Kommissionsinitiative angenommen, mit der die Frage der Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge, die eine AHV- oder IV-Rente beziehen, geklärt werden soll (20.458 Wohnsitzerfordernis von Flüchtlingen bei AHV und IV). Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheids von Januar 2020 können Kindern von Invaliden Renten ausbezahlt werden, selbst wenn diese Kinder im Ausland wohnen. In den Augen der Kommissionsmehrheit muss klar geregelt sein, dass alle Rentenempfänger in der Schweiz wohnhaft sein müssen. Die Minderheit hingegen ist der Ansicht, dass derart geringe Einsparungen keine direkte Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigen.

Abschreibung der St. Galler Standesinitiative zu den Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen

Die Kommission beantragt ihrem Rat ferner, die St. Galler Standesinitiative 16.307 (Änderung des Ausländergesetzes. Mehr Verbindlichkeit und Durchsetzung des geltenden Rechts bei Integration, Sozialhilfe, Schulpflichten und strafrechtlichen Massnahmen) abzuschreiben, so wie dies der Nationalrat bereits getan hat. Ihrer Ansicht nach sind die Ziele dieser Initiative inzwischen weitgehend erreicht.
 

Die Kommission tagte am 25./26. Juni 2020 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Ständerat Andrea Caroni (RL/AR) in Bern.