In jüngster Zeit kam es in der Schweiz wiederholt zu antisemitischen Vorfällen von ungewohnter Gewalt. Diese Einzeltaten sind die Spitze des Eisbergs einer in der Gesellschaft verwurzelten antisemitischen Ideologie, welche mit vorbeugenden Massnahmen aktiv bekämpft werden muss. Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) unterstützt deshalb die von ihrer nationalrätlichen Schwesterkommission (SPK-N) eingereichte Motion 23.4335, welche die Ausarbeitung einer Strategie und eines Aktionsplans gegen Rassismus und Antisemitismus verlangt.

Seit den brutalen Angriffen der Hamas in Israel und dem Kriegsausbruch im Nahen Osten häufen sich die antisemitischen Vorfälle in der Schweiz. So kam es beispielsweise am 2. März 2024 in Zürich zu einem Messerangriff auf einen Mann jüdisch-orthodoxen Glaubens. Laut dem Bericht «Rassismusvorfälle aus der Beratungsarbeit» vom 28. April 2024 der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) wurden 2023 rund 24 Prozent mehr Vorfälle rassistischer Diskriminierung gemeldet als im Vorjahr (Medienmitteilung). Angesichts dieser äusserst beunruhigenden Feststellung und des Umstands, dass sich die Situation betreffend Antisemitismus in den letzten Jahren nicht verbessert hat, beantragt die Kommission mit 6 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung, die Motion 23.4335 der SPK-N anzunehmen, die den Bundesrat dazu auffordert, zusammen mit den Kantonen eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus auszuarbeiten. Es sei höchste Zeit, sich des anhaltenden Problems des Rassismus und des Antisemitismus anzunehmen, das weder soziale noch parteipolitische Grenzen kennt.

Die Kommissionsminderheit ist der Ansicht, dass ein Aktionsplan keine Wirkung zeigen würde gegen Einzelpersonen, die eines Tages beschliessen, tätlich zu werden.

Praxis bei den Grenzkontrollen: Kommission ​verlangt weitere Informationen

Die Kommission hat die Motion von Ständerat Marco Chiesa 23.4448 «Schutz der Schweizer Landesgrenzen» beraten, mit der verlangt wird, dass an den Landesgrenzen wieder systematische Personenkontrollen durchgeführt werden. Bevor die Kommission einen Beschluss fasst, möchte sie von der Verwaltung weitere Informationen, insbesondere über die geltende Praxis in anderen Schengen-Staaten und deren Auswirkungen. Sie wird sich an einer ihrer nächsten Sitzungen erneut mit dem Geschäft befassen.

Mitgliedschaft im Europarat genügt nicht, um als verfol​gungssicherer Staat eingestuft zu werden

Die Kommission beantragt mit 8 zu 2 Stimmen, die Motion Chiesa 23.4534 («Kein Asyl mehr für Personen aus international anerkannten Rechtsstaaten, welche der Europäischen Menschenrechtskonvention unterstellt sind») abzulehnen. Sie ist der Ansicht, dass die blosse Tatsache, dass ein Staat Mitglied des Europarats ist, nicht automatisch bedeutet, dass es keine staatliche Verfolgung bestimmter Personengruppen in diesem Staat gibt. Zudem habe jede asylsuchende Person, auch wenn sie aus einem Staat kommt, der als verfolgungssicher eingestuft ist, Anrecht auf eine Einzelfallprüfung ihres Gesuchs. Die Kommission erachtet die Motion daher als zu pauschal formuliert. Die Kommissionsminderheit ist der Meinung, dass die Kriterien für die Aufnahme in die Liste der verfolgungssicheren Staaten zu subjektiv sind.

Beschleunigung der Digitalisierungsvo​rhaben innerhalb der Bundesverwaltung

Die Kommission beantragt einstimmig, die Motion Silberschmidt 23.4005 «Verfahrensbeschleunigung für Digitalisierungsvorhaben innerhalb der Bundesverwaltung» anzunehmen. Sie erachtet es als zweckmässig, dass für ausgewählte strategisch wichtige Digitalisierungsvorhaben ein «Fast Track» ermöglicht wird. Ihrer Ansicht nach sollen dazu Methoden angewandt werden, mit denen in erster Linie die Aufgaben und die Verfahren optimiert und vereinfacht werden, um so eine höhere Effizienz zu erreichen.

Vertreterinnen und Vertreter von Kanto​nen im Parlamentsgebäude

Die Kommission sieht keinen Mehrwert in der Veröffentlichung der Liste der Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, welche Zutritt zum Parlamentsgebäude haben. Sie spricht sich mit 6 zu 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen die parlamentarische Initiative von Nationalrätin Masshardt (23.425) aus, welche von der Schwesterkommission des Nationalrates knapp angenommen worden war. Angesichts der Vielzahl der Zugangsberechtigten ist nicht einzusehen, warum ausgerechnet die Namen dieser wenigen Personen veröffentlicht werden sollten. Diese Personen kommen als von den Kantonen bestimmte Vertreterinnen und Vertreter ins Parlamentsgebäude. Deshalb geht es nicht an, dass sie auch noch ihre Interessenbindungen angeben müssen, die nichts mit ihrer Funktion als Kantonsvertreter zu tun haben, wie dies die Initiative verlangt. Die Kommission geht davon aus, dass die Kantone Angehörige von Regierung und Verwaltung als Zutrittsberechtigte melden und nicht etwa Mitarbeitende von Agenturen oder Verbänden, die sie mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt haben.

Organisation der obersten Leitung der Parlame​ntsverwaltung: kein Handlungsbedarf

Die Kommission spricht sich mit 8 gegen 4 Stimmen gegen eine Neuorganisation der obersten Leitung der Parlamentsverwaltung aus, wie sie von der Schwesterkommission des Nationalrates gefordert wird (23.471). Nach Ansicht der Kommission hängen die Stärke und Unabhängigkeit der obersten Leitung der Parlamentsverwaltung weniger von den Strukturen der Verwaltungsdelegation als zuständigem Organ ab, sondern vielmehr vom Willen und der Fähigkeiten ihrer Mitglieder zur effektiven Wahrnehmung dieser Führungs- und Aufsichtsfunktion. 

Die Kommission hat am 30. April 2024 unter dem Vorsitz von Ständerat Daniel Fässler
(M-E/AI) in Bern getagt.