Die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) hat zwei Motionen behandelt, die sich kritisch mit der Praxisänderung des Staatssekretariats für Migration (SEM) in Bezug auf Asylgesuche von afghanischen Staatsbürgerinnen auseinandersetzen (23.4247 und 24.3008). Da die Delegation des SEM einige Punkte klären konnte und sich bereit erklärt hat, das zur Praxisänderung publizierte Faktenblatt an ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) anzupassen, beantragt die Kommission ihrem Rat, beide Motionen abzulehnen.

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan hat sich Situation von Frauen und Mädchen im Land in vielen Lebensbereichen kontinuierlich verschlechtert, sodass es ihnen nicht mehr möglich ist, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Diese Tatsache bewog das SEM im Juni 2023 dazu, seine Praxis zu anpassen. Seither gewährt es Afghaninnen nach einer Einzelfallprüfung in der Regel Asyl. Diese Praxisänderung stiess in den eidgenössischen Räten auf Bedenken, insbesondere bestanden Zweifel daran, ob nach wie vor eine Einzelfallprüfung der Asylgesuche durchgeführt wird. Das SEM hat gegenüber der Kommission bestätigt, dass es auch nach der Praxisänderung keine Kollektivaufnahme gibt und jeder Fall individuell geprüft wird. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass Asylgesuche unter Einhaltung der Rechtsprechung nur dann gutgeheissen werden, wenn nebst den frauenspezifischen Fluchtgründen ein weiteres Verfolgungsmotiv glaubhaft gemacht wird. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang zustimmend davon Kenntnis genommen, dass das SEM angesichts des Urteils des BVGer vom 23. April 2024 (E-2303/2020) bereit ist, das Faktenblatt «Praxisänderung weibliche afghanische Asylsuchende» entsprechend anzupassen. In Würdigung der Erklärungen des SEM beantragt die SPK-S mit 10 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung die Ablehnung der Motion (Bauer) Müller Damian 23.4247 («Die Anpassung der Praxis bei Asylanträgen afghanischer Bürgerinnen korrigieren»), da sie diese als weitgehend erfüllt erachtet. In der Sommersession hatte der Nationalrat im Übrigen eine Motion mit gleichem Inhalt (Mo. Rutz Gregor 23.4241) mit knapper Mehrheit abgelehnt (NR-Beratung vom 27.5.2024).

Die Kommission beantragt ebenfalls mit 9 zu 4 Stimmen (Punkte a und c) und 8 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung (Punkt b) die Ablehnung der Motion 24.3008 («Schutz von Afghaninnen. Einzelfallprüfung und Sicherheitsüberprüfung», Medienmitteilung der SPK-N vom 5.2.2024), die von ihrer Schwesterkommission beschlossen und vom Nationalrat angenommen wurde. Die Mehrheit der SPK-S ist der Ansicht, dass die Motion materiell nichts an der aktuellen Praxis des SEM ändern würde. Mit anderen Worten: Die Motion rennt offene Türen ein, so dass sie gemäss der bewährten Praxis der Kommission abgelehnt werden kann.

Ständeratskommission gibt grünes Licht ​​für Ausarbeitung eine Vorlage zur Änderung des Verfahrens für Nationalratswahlen

Die SPK des Ständerates spricht sich für die Prüfung alternativer Lösungen für das Verfahren zur Wahl des Nationalrates aus. Gewisse Listenverbindungen bei den letzten Wahlen sorgten für Diskussionen und es wurde teilweise eine Listenflut beklagt. Mit 9 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen stimmt die SPK des Ständerates deshalb der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission zu (24.422). Danach soll zum einen für die Zuteilung der Sitze die Methode nach Sainte-Laguë eingeführt werden, welche die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen erhöhen und Listenverbindungen allenfalls überflüssig machen würde. Zum anderen sollen Unterlistenverbindungen in der Anzahl beschränkt werden. Die Ständeratskommission findet die Prüfung dieser Lösungsansätze sinnvoll und wird ihre definitive Beurteilung vornehmen, wenn die Vorlage vorliegt. Die Nationalratskommission kann nun die notwendigen Änderungen des Bundesgesetzes über die politischen Rechte ausarbeiten, welche frühestens bei den Nationalratswahlen 2031 wirksam werden sollen. Da nun die Nationalratskommission in der Pflicht ist, soll der gleiche Auftrag nicht auch an den Bundesrat erteilt werden. Aus diesem Grund wird dem Ständerat mit 10 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen beantragt, die beiden Motionen 23.4355 und 23.4356 von Ständerat Burkart formal abzulehnen.

Gewährleistung d​​er Genfer Verfassungsänderung betreffend Elternschaftsversicherung

Der Bund ist zuständig für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen (Art. 51 Abs. 2 BV). Die Bundesversammlung beurteilt jährlich mehrere Änderungen von Kantonsverfassungen danach, ob sie Bundesrecht nicht widersprechen. Nun beantragt der Bundesrat, dass die in der Volksabstimmung vom 18. Juni 2023 angenommene Änderung der Verfassung des Kantons Genf betreffend die Elternschaftsversicherung nur teilweise gewährleistet werden soll. Bevor die SPK des Ständerates diesen Entscheid fällt, will sie an der nächsten Sitzung vorerst eine Vertretung des Kantons Genf anhören.

Zuteilung der Vorlagen a​​​uf Abstimmungstermine: Engere Vorgaben

Die SPK des Ständerates teilt die Auffassung ihrer nationalrätlichen Schwesterkommissionen, dass Vorlagen nicht gemäss taktischen Überlegungen oder auf Druck von Interessenverbänden früher oder später zur Volksabstimmung gebracht werden sollten. Für die Festlegung des Termins sollten vielmehr möglichst präzise formale Vorgaben gelten. Die Ständeratskommission stimmt deshalb einer parlamentarischen Initiative der SPK des Nationalrates (24.423) mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Danach sollen das Datum der Einreichung von Volksinitiativen und Referenden und das Datum der Schlussabstimmung in den Eidgenössischen Räten bestimmend sein für die Zuteilung einer Vorlage auf einen bestimmten Abstimmungstermin. Die Ständeratskommission legt jedoch Wert darauf, dass doch eine gewisse Flexibilität bestehen bleibt, so dass z.B. thematisch verwandte Vorlagen zum gleichen Zeitpunkt zur Abstimmung kommen.

Kein Programm zum Büro​kratieabbau in der Verwaltung

Die Kommission teilt die Analyse von Nationalrat Burgherr, welcher in seiner Motion die Flut von Regulierungen auch in staatlichen und staatsnahen Bereichen wie z.B. Pflege und Bildung beklagt (23.4182). Allerdings erachtet die Kommission ein umfassendes staatliches Programm zum Abbau dieser Regulierungen als nicht geeignet. Sie beantragt deshalb mit 7 zu 5 Stimmen die Ablehnung der Motion. Vielmehr soll bei konkreten Projekten zur Rechtsentwicklung das Ziel der Vermeidung von Bürokratie zentrale Beachtung finden. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die vom Motionär erwähnten Bereiche staatlicher Tätigkeit weitgehend in kantonaler Kompetenz liegen.

Die Kommission hat am 17. und 18. Juni 2024 unter dem Vorsitz von Ständerat Daniel Fässler (M-E/AI) in Bern getagt.