Die WAK-N begrüsst grossmehrheitlich die Richtung der Reform, nimmt an der Vorlage des Bundesrates aber einige Änderungen vor, um unter anderem Ungleichbehandlungen zu beseitigen.

Nachdem die WAK-N an ihrer Sitzung vom 24./25. Januar 2022 auf die Vorlage zur Revision des Mehrwertsteuergesetzes (21.019) eingetreten war und die Detailberatung aufgenommen hatte (vgl. Medienmitteilung vom 25. Januar 2022), hat sie nun die noch offenen Fragen geklärt.

Ein Kernthema der Beratungen war die Einführung der Plattformbesteuerung, die in der Vorlage des Bundesrates durch zwei Massnahmen umgesetzt wird: Einerseits soll eine Auskunftspflicht für alle Plattformen, die Leistungserbringerinnen und -erbringer mit Leistungsempfängerinnen und -empfängern zusammenbringen, andererseits eine MWST-Abrechnungspflicht für Versandhandelsplattformen eingeführt werden. Die Kommission begrüsst die Einführung der Plattformbesteuerung mehrheitlich, will jedoch das Verlagerungsverfahren auf alle steuerpflichtigen Importeurinnen und Importeure ausdehnen, um sicherzustellen, dass inländische Importunternehmen gegenüber ausländischen elektronischen Plattformen, denen das Verlagerungsverfahren gemäss Vorlage zur Verfügung stehen soll, nicht benachteiligt werden (13 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen; Art. 63 Abs. 1 Bst. a). Eine starke Minderheit verlangt, die Steuerpflicht sei auf elektronische Dienstleistungen und Telekomleistungen auszuweiten (11 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Weiter unterstützt die Kommission das Vorhaben des Bundesrates, die Bezugssteuerpflicht für den Handel mit Emissionsrechten gesetzlich zu verankern (Art. 45 Abs. 1 Bst. e). Ein Antrag auf eine Steuerausnahme wurde mit 16 zu 6 Stimmen abgelehnt. Der überwiegende Teil des Handels von Emissionsrechten werde von Unternehmen ausgeführt, die berechtigt seien, die Vorsteuer abzuziehen, und somit nicht mit zusätzlichen Steuerlasten rechnen müssten. Ausserdem sei die Bezugssteuerpflicht ein wirksames Mittel gegen die «Taxe occulte».

Auch bei der Einführung des reduzierten Steuersatzes von 2,5% auf Produkte der Monatshygiene folgt die Kommission dem Bundesrat. Ein Antrag auf Streichung der neuen Bestimmung sowie ein Antrag, die Steuerreduktion auf Babywindeln und Einlagen für inkontinente Personen auszuweiten, wurden mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung bzw. mit 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung abgelehnt (Art. 25 Abs. 2 Bst. a Ziff. 10).

In mehreren Punkten will die Kommission von der Vorlage des Bundesrates abweichen: Bei den ausländischen Reisebüros, die in der Vorlage des Bundesrates von der Steuerpflicht befreit werden sollten, beantragt die Kommissionsmehrheit, beim geltenden Recht zu bleiben (13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung). Weiter will die Mehrheit parallel zur Steuerausnahme für Heilbehandlungen in Spitälern auch Leistungen von Ambulatorien und Tageskliniken von der Steuer ausnehmen (15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung; Art. 21 Abs. 2 Ziff. 2). Mit 12 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen beantragt die Kommission sodann, eine zusätzliche Steuerausnahme für Anlagestiftungen zu schaffen. Schliesslich beantragt sie ihrem Rat, die Steuervertretung für ausländische Unternehmen nicht abzuschaffen (13 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen) und die Steuervorabzugsmöglichkeit bei Holdings auszuweiten (12 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung). Es liegen mehrere Minderheitsanträge, auch zu weiteren Bestimmungen, vor.

In der Gesamtabstimmung hat die Kommission die Vorlage ohne Gegenstimme angenommen. Sie kommt in der Sondersession im Mai in den Nationalrat.

2. Krieg in der Ukraine: Auswirkungen auf den Finanz- und Wirtschaftsstandort Schweiz

Die Kommission hat sich mit den Folgen des Krieges in der Ukraine und seinen Auswirkungen sowohl auf die wirtschaftliche Entwicklung wie auch auf den Finanzplatz Schweiz befasst. Sie hat Vertreter der Dachverbände der Wirtschaft (vertreten durch den Schweizerischen Gewerkschaftsbund, den Schweizerischen Gewerbeverband und Economiesuisse) und im Anschluss den Präsidenten des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Thomas J. Jordan, sowie die relevanten Stellen der Bundesverwaltung angehört.

Im Rahmen dieser Anhörungen hat die WAK-N sich eingehend über die aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage und mögliche Szenarien ausgetauscht. Auch wenn die direkten Auswirkungen des Ukraine-Konfliktes auf die Schweiz begrenzt sein dürften, da die wirtschaftliche Verflechtung mit Russland und der Ukraine insgesamt verhältnismässig gering ist, so ist doch von indirekten Effekten auszugehen. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass der Preisanstieg in der Schweiz bis anhin zwar begrenzt ist, dass aber von einer höheren Inflationsrate auszugehen ist. Sie sieht der Preisentwicklung mit Respekt entgegen. Zudem weist sie darauf hin, dass insbesondere die Versorgungssicherheit im Energiesektor herausfordernd ist.

An ihrer nächsten Sitzung wird die Kommission sich vertieft mit dieser Thematik befassen.

3. Steuerliche Entlastung von Kranken- und Unfallkosten

Vor dem Hintergrund der immer steigenden Prämienlast gibt die Kommission mit 15 zu 9 Stimmen zwei parlamentarischen Initiativen von Nationalrätin Céline Amaudruz Folge, die verlangen, dass die selbst getragenen Krankheits- und Unfallkosten der Steuerpflichtigen und der von ihnen unterhaltenen Personen ohne Selbstbehalt vom Einkommen abziehbar sein sollen. Dies soll sowohl für die direkte Bundessteuer (21.460) wie für die Kantons- und Gemeindesteuern (21.475) gelten. Im heutigen Recht gilt auf Bundesebene und in den meisten Kantonen ein Selbstbehalt von 5 Prozent.

4. Keine Unterstützung für Zweckbindung von Nationalbankausschüttungen

Die Kommission hat sich mit der Standesinitiative des Kantons Jura 20.326 (Gewinne aus den Direktinvestitionen der SNB zurück an die Schweizer Bevölkerung) befasst. Diese verlangt die Schaffung eines Fonds zur Umsetzung der Energiepolitik 2050, der aus Erträgen aus Aktiendividenden, Obligationen und Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank finanziert würde. Die Kommission beantragt, der Standesinitiative mit 16 zu 7 Stimmen keine Folge zu geben. Die Mehrheit ist der Ansicht, es sei nicht angezeigt, einen Teil der Gewinnausschüttungen der Nationalbank abzuzweigen und mit einer Zweckbindung zu versehen. Sie sähe in einer solchen Regelung einen indirekten Eingriff in die geldpolitische Autonomie der Nationalbank. Ausserdem würden die Ausschüttungen für Bund und Kantone zurückgehen, was zum Beispiel Folgen hätte für den Abbau der Coronaschulden. Die Minderheit hält die politische Absicht der Standesinitiative für legitim und möchte ihr deshalb Folge geben.

5. Weitere Abklärungen zu möglichem Systemwechsel bei der Verrechnungssteuer

Die Kommission hat die Beratung der vom Ständerat angenommenen Motion 19.4635 (Die Benachteiligung von Schweizer Unternehmen durch eine einheitliche Besteuerungspraxis vermeiden) aufgenommen. Sie stellt fest, dass ein gewisser Handlungsbedarf bestehen könnte, da bei der Verrechnungssteuer und bei den direkten Steuern nicht die gleichen Regeln zur Anwendung kommen. Bedenken bereitet ihr allerdings, dass die Auswirkungen eines Systemwechsels mangels Daten nicht berechenbar und die möglichen Verhaltensanpassungen somit nicht abschätzbar sind. Ausserdem befürchtet die Kommission, dass die Umsetzung der Motion Missbräuche bezüglich Dividend Stripping ermöglichen würde. Aus diesem Grund hat sie die Verwaltung beauftragt, bis zu ihrer nächsten Sitzung vom 5./6. Mai 2022 eine Formulierung auszuarbeiten, die sicherstellen würde, dass Dividend Stripping ausgeschlossen ist.

6. Weitere Beschlüsse

Weiter hat die WAK-N mit 16 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung ein Kommissionspostulat mit dem Titel «Potenzial für Schweizer KMU-Wirtschaft bei einem Anschluss an den EU-One-Stop-Shop zur Abrechnung der MWST prüfen» beschlossen (22.3384). Ein Minderheitsantrag liegt vor. Der Vorstoss kommt in der Sommersession in den Nationalrat.

Die Kommission hat am 11./12. April 2022 unter dem Vorsitz von Nationalrat Leo Müller (M-E/LU) und teilweise in Anwesenheit des Bundesrates Ueli Maurer in Bern getagt.