Im Nachgang zur letzten Sitzung (siehe Medienmitteilung vom 26. Juni 2024) wurden drei damals eingereichte Konzeptanträge zur Ausgestaltung der Individualbesteuerung ausformuliert und nun in der Kommission beraten. Die Kommission lehnt sowohl ein aufkommensneutrales Modell (mit 20 zu 5 Stimmen) als auch einen Antrag ab, der die Mindereinnahmen mittels Erhöhung der Progression im 9. und 10. Einkommensdezil auf 500 Mio. Franken beschränken wollte (mit 16 zu 9 Stimmen). Ebenfalls abgelehnt wird eine Integration der Kita-Finanzierung gemäss Entwurf des Nationalrates in die Vorlage (mit 20 zu 5 Stimmen). Alle drei Anträge werden als Minderheitsanträge eingereicht. Mit 13 zu 12 Stimmen nahm die Kommission hingegen einen Antrag an, der ein Inkrafttreten der Initiative spätestens innerhalb von 6 Jahren nach der Volksabstimmung bzw. nach Ablauf der Referendumsfrist fordert. Eine Minderheit spricht sich gegen diese Forderung aus. Das Geschäft ist damit bereit für die Beratung in der Herbstsession des Nationalrates.
Die Kommission beriet zudem drei Standesinitiativen der Kantone Luzern (23.300), Graubünden (23.305) und Basel-Landschaft (23.313), welche ebenfalls die Einführung einer Individualbesteuerung fordern. Vor dem Hintergrund der nun an den Rat überwiesenen Vorlage hierzu beschloss die Kommission, diesen keine Folge zu geben.
Eigenmietwert: Nationalrat verfolgt anderes Konzept als Ständerat
Die Kommission hat sich mit den verbleibenden Differenzen beim Eigenmietwert (17.400) befasst. Bezüglich der Zweitliegenschaften beantragt sie ihrem Rat mit 21 zu 3 Stimmen, an seinem früheren Beschluss festzuhalten und aus steuersystematischen Gründen einen vollständigen Systemwechsel (also unter Einbezug der Zweitliegenschaften) umzusetzen. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Vorlage zur Schaffung der Grundlage für eine besondere Liegenschaftssteuer (22.454, vgl. Medienmitteilung vom 26. Juni 2024), womit die Kantone ihre Einnahmenausfälle kompensieren könnten. Beim Schuldzinsenabzug spricht sich eine knappe Kommissionsmehrheit (13 zu 12 Stimmen) für die Anwendung der quotal-restriktiven Methode aus. Dabei ergibt sich die Höhe des Schuldzinsenabzugs aus der Quote von unbeweglichem Vermögen (ohne selbstgenutztes Wohneigentum) am Gesamtvermögen. Nach dieser Methode sind einerseits die Einnahmenausfälle am geringsten, andererseits werden steuerplanerische Aktivitäten am ehesten verhindert. Zwei Minderheitsanträge verlangen einen Schuldzinsenabzug von bis zu 70 bzw. 100 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge. Der Nationalrat wird das Geschäft während der Herbstsession beraten.
Vereinfachtes Zulassungsverfahren für moderne Pflanzenschutzmittel
Mit 16 zu 9 Stimmen hat die Kommission einen Vorentwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 22.441 "Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen" angenommen. Sie möchte damit ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel schaffen, die in einem EU-Nachbarland der Schweiz, in den Niederlanden oder in Belgien bereits zugelassen sind. Diese Pflanzenschutzmittel sollen die Schweizer Behörden nur noch in jenen Bereichen detailliert überprüfen, die in der Schweiz besonders geschützt sind, wie z.B. die Gewässer. So soll sichergestellt werden, dass in der Schweiz moderne Pflanzenschutzmittel mit ihren zahlreichen Vorteilen ohne Verzögerung zur Verfügung stehen. Als Grundlage dafür soll die Schweiz die Genehmigung von Wirkstoffen für Pflanzenschutzmittel durch die Europäischen Union automatisch übernehmen.
Eine Minderheit der Kommission befürchtet, dass mit diesem neuen Zulassungsverfahren die Risiken von Pflanzenschutzmitteln für Mensch, Tier und Umwelt nicht mehr angemessen berücksichtigt werden. Sie lehnt die Vorlage daher ab. Weitere Minderheiten fordern zudem verschiedene Einschränkungen des Anwendungsbereiches des neuen Zulassungsverfahrens.
Im nächsten Schritt wird die Kommission Mitte September eine Vernehmlassung zum Vorentwurf eröffnen.
Vorlage für mehr Gestaltungsfreiheit bei der Telearbeit reif für die Vernehmlassung
Die Kommission verabschiedet mit 18 zu 7 Stimmen eine Vernehmlassungsvorlage in Umsetzung der parlamentarischen Initiative «Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice» (16.484). In Anbetracht der heutigen Realitäten in der Arbeitswelt erachtet die Kommission eine flexiblere Ausgestaltung des Arbeitsrechts als unabdingbar. Eine Minderheit der Kommission beantragt Nichteintreten auf den Entwurf, der in ihren Augen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes darstellt, was schlussendlich auch hohe Kosten für die Wirtschaft mit sich bringen würde.
Mit ihrem Entwurf regelt die Kommission nicht nur den Bereich des Homeoffice, sondern die Telearbeit generell. Sie sieht – bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung – insbesondere eine Verlängerung der maximalen Zeitspanne für die tägliche Arbeitszeit von 14 auf 17 Stunden und eine Reduktion der Mindestruhezeit von 11 auf 9 Stunden vor. Zudem soll gelegentliche Sonntagsarbeit aus eigenem Antrieb erlaubt werden, was eine Minderheit allerdings ablehnt. Die Kommission sieht die Vorlage ausdrücklich als Möglichkeit für die Arbeitnehmenden, ihre Arbeitszeiten individueller zu wählen, was gerade im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auf Betreuungsarbeit grosse Vorteile verspricht. Sie nimmt Bedenken in Bezug auf den Gesundheitsschutz ernst und hat deshalb insbesondere das Recht auf Nichterreichbarkeit in ihren Entwurf integriert. In einer Variante schickt die Kommission zudem entsprechende Anpassungen im Obligationenrecht in die Vernehmlassung. Damit würden die geplanten Flexibilisierungen kohärent umgesetzt und einen weiteren Kreis von Arbeitnehmenden einschliessen.
Familienzulagen sollen steuerbar bleiben
Die Initiative 24.411 von Nationalrätin Martina Bircher verlangt, dass Familienzulagen auf Kantons- und Gemeindeebene steuerbefreit werden. Mit 16 zu 8 Stimmen lehnt die Kommission dieses Anliegen ab. Die Mehrheit hegt sehr wohl Sympathien für Massnahmen zur Entlastung von Familien, hält die Steuerbefreiung von Kinderzulagen jedoch nicht für ein zielgerichtetes Instrument. Die Steuerbefreiung nur auf Kantons- und Gemeindeebene vorzusehen, wie dies die Initiative vorschlägt, widerspreche ausserdem der Steuerlogik.
Gesundheitsschutz von Bauarbeitenden bei Hitzewellen
Mit 15 zu 7 Stimmen bei 1 Enthaltung sprach sich die WAK-N für eine neue Kommissionsmotion aus (24.3820), die den Schutz der Bauarbeitenden während Hitzewellen zum Ziel hat. Insbesondere öffentliche Bauherren stünden in der Pflicht. Sie sollen künftig vertraglich keine Konventionalstrafen mehr vorsehen dürfen, wenn die Arbeiten wegen hitzebedingter Unterbrechungen in Verzug geraten. Die Kommission will mit ihrer Motion einem gemeinsamen Anliegen von Baumeistern und Gewerkschaften zu einer möglichst raschen Umsetzung verhelfen.
Geplante Erhöhung der Tabaksteuer positiv aufgenommen
Im Rahmen einer Konsultation durch den Bundesrat spricht sich die Kommission mit 13 zu 12 Stimmen für die geplante Erhöhung der Tabaksteuer aus. Neben dem primär damit verfolgten Ziel zusätzlicher Mittel für den Bundeshaushalt begrüsst die WAK-N diese auch unter dem Gesichtspunkt des Preisniveaus in den Nachbarstaaten. Diskutiert wurden sowohl eine umfassendere Nutzung des bundesrätlichen Spielraumes zur Erhöhung der Steuer auf verschiedene Tabakprodukte als auch eine gänzliche Ablehnung dieser Massnahme mindestens bis zum Vorliegen des Berichtes zum Postulat «Gesamtschau des Markts für Tabak- und Tabakersatzprodukte» (23.3588) der WAK-N.
Knappes Ja zur Senkung der Mehrwertsteuer-Freigrenze im Reiseverkehr
Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat mit 12 zu 11 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die geplante Senkung der Mehrwertsteuer-Freigrenze im Reiseverkehr von derzeit 300 Franken auf neu 150 Franken umsetzen. Der Bundesrat will mit dieser Senkung einen Auftrag des Parlaments umsetzen (Mo. 19.3975). Während die Mehrheit der WAK-N davon überzeugt ist, dass sich mit einer tieferen Wertfreigrenze Wertschöpfung in die Schweiz zurückholen lasse, befürchtet ein Teil der Kommission, dass damit die Kaufkraft von einkommensschwachen Personen geschwächt und die Bürokratie erhöht würde.
Austausch zur Lage der Schweizer Volkswirtschaft
Die Kommission liess sich den aktuellen Lagebericht des Bundesrates zur Schweizer Volkswirtschaft vorstellen. Zur Vertiefung der Schwerpunktthemen führte sie zusätzlich Anhörungen mit Vertretungen von Economiesuisse, dem Schweizer Gewerbeverband, Swisscleantech, Swisssolar, der Chambre vaudoise du commerce et de l’industrie sowie der Wissenschaft durch.
Die Kommission hat am 19./20. August 2024 unter dem Vorsitz von Nationalrat Thomas Aeschi (SVP/ZG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrätin Karin Keller-Sutter in Bern getagt.