Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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2. Aussenpolitik
93.100 |
EWR-Nein. Folgeprogramm des
Bundesrates |
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Programme du Conseil fédéral
après le refus de l'EEE |
Botschaft: 24.02.1993 (BBl I, 805 / FF I, 757)
Ausgangslage
Nach der Ablehnung des EWR-Abkommens durch Volk und Stände
am 6. Dezember 1992 ist die Schweiz gehalten, in aussen- und wirtschaftspolitsicher
Hinsicht gegenüber dem In- und Ausland das weitere Vorgehen festzulegen.
Die Vorlage enthält in Berichtsform europa- und
wirtschaftspolitische Ausführungen sowie Erläuterungen und Entwürfe zu 27 Erlassen im
Rahmen der Wiederaufnahme von Eurolex-Vorlagen. Um eine rasche parlamentarische Behandlung
zu ermöglichen, sind die diesbezüglichen Anpassungen gegenüber den bereits einmal
verabschiedeten Vorlagen auf das Allernötigste beschränkt worden.
In einem allgemeinen Teil werden, ausgehend von einer
europapolitischen Standortbestimmung nach der Ablehnung des EWR-Abkommens, die
verschiedenen integrationspolitschen Optionen der Schweiz und diesbezügliche mögliche
Massnahmen erläutert. Im weiteren werden Vorschläge zur markwirtschafltlichen Erneuerung
im Innern unterbreitet. Dabei werden verschiedene Gesetzgebungsaufträge skizziert und
Fristen festgelegt. Im Zentrum stehen die Bereiche Wettbewerbsrecht, Arbeitsmarkt, Bildung
und Forschung, Binnenmarkt Schweiz und die Beschleunigung von Verfahren; weitere Schritte
werden für die Bereiche Finanzen, Infrastruktur, Soziales und Landwirtschaft in Aussicht
gestellt. Mit der Wiederaufnahme ausgewählter Eurolex-Vorlagen sollen die aussen- und
innenpolitischen Voraussetzungen für einen optimalen europapolitischen Kurs und die
angestrebte marktwirtschaftliche Erneuerung geschaffen werden.
Verhandlungen
SR |
16.03.1993 |
AB 1993, 139 |
NR |
26.04.1993 |
AB 1993, 679 |
Über ein Drittel der Standesvertreter beteiligte
sich an der breiten Aussprache über das EWR-Folgeprogramm.
Cavelty (C, GR) erklärte als Präsident der
Aussenpolitischen Kommission, der Alleingang mit der Gefahr einer Isolation und eines
ungesunden Nationalismus sei kein gangbarer Weg. Die Optionen einer Annäherung an den EWR
und die EG müssten offengehalten werden. Wahrgenommen sollten sie aber erst, wenn die
Zeit und die Atmosphäre dafür sprächen. Der Bundesrat solle von sich aus zunächst
keine neue EWR-Abstimmung ansetzen, auch das Gesuch um Beitrittsverhandlungen mit der EG
solle vorerst ruhen. Die Stossrichtung des bundesrätlichen Programms blieb zwar
weitgehend unbestritten, wie Jagmetti (R, ZH) als Präsident der Kommission für
Wirtschaft und Abgaben darlegte. Das Kartellrecht müsse modernisiert, der Austausch
qualifizierter Arbeitskräfte mit dem Ausland erleichert, das Bildungssystem mit der
Schaffung von Fachhochschulen verbessert und der eurokompatible "Binnenmarkt
Schweiz" geschaffen werden. Ein grösseres Gewicht müsse aber auf rasche und
konkrete Massnahmen gelegt werden, welche Investitionen in der Schweiz fördern und so zur
Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen würden, forderten Standesvertreter aus allen
bürgerlichen Parteien. Gefordert wurde auch, dass die Deregulierung nicht auf Kosten der
Randregionen und der Umwelt gehe. Die kleine Kammer stimmte dem Bericht oppostionslos zu.
Im Nationalrat forderte Blocher (V, ZH) die
Rückweisung des Berichtes. Nach dem 6. Dezember müsse die Schweiz ausserhalb des EWR
bleiben. Schuld an den harzigen bilateralen Verhandlungen seien Bundesrat und Verwaltung.
Im Swisslex-Anpassungsprogramm sieht Blocher statt Deregulierung, die für eine
Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit nötig sei, vor allem unnötige
neue Regulierung. Mühlemann (R, TG) bezeichnete die bundesrätliche Poltik als
vernünftig und realistisch. Ziel von bilateralen Verhandlungen mit der EG müsste es
sein, auf dem Freihandesabkommen von 1972 aufbauend einen Freihandelsvertrag 1994 oder
1995 abzuschliessen. Vollmer (S, BE) zeigte sich enttäuscht über den Bundesrat, der mit
seinem EWR-Folgeprogramm das Minimum vom Minimum mache und keine tragfähige Politik
präsentiere. Andernseits lobte er den Bundesrat, das EG-Beitrittsgesuch nicht
zurückgezogen und den späteren EWR-Beitritt nicht ausgeschlossen zu haben. Columberg (C,
GR) begrüsste die rasche Gangart des Bundesrates nach der EWR-Abstimmung. Eine
Revitalisierung der Schweizer Wirtschaft sei nach dem Nein dringend nötig. Die Tatsache,
dass bilaterale Verhandlungen mit der EG bisher kaum angelaufen sind, erklärte er damit,
dass die EG "ein Konzept für die Gesamtbeziehungen zur Schweiz" erarbeiten
wolle. Fischer (V, AG) erklärte, dass die SVP mehrheitlich für den Rückweisungsantrag
Blocher sei. Zölch (V, BE) kritisierte, für das Revitalisierungsprogramm fehlten klare
Vorstellungen und ein Zeitplan. Bär (G, BE) sagte, dass kein Abbau beim Sozialstaat in
Frage komme und die demokratische Rechte nicht beschnitten werden dürften. Bundesrat
Cotti sagte, es gelte wieder den Boden zu finden, damit sich für die Aussen- und
Europapolitik eine solide Mehrheit bilde. Die Abstimmung vom 6. Dezember habe die
Annäherung der Schweiz an Europa gebremst, der Integrationsprozess in Europa gehe aber
weiter und müsse immer wieder neu beurteilt werden. Bundesrat Delamuraz sagte, dass nach
unserem Ausschluss der schwierige Weg der bilateralen Verhandlungen eingeschlagen werden
müsse. Unter Berücksichtigung der Marktgegebenheiten werde der Bundesrat ausserdem im
Inland versuchen, in die wirtschaftliche Immobilität Bewegung zu bringen. Bundesrat
Koller betrachtete die 27 Swisslexvorlagen als Voraussetzung für die Möglichkeit von
bilateralen Verhandlungen. Das Wirtschaftsrecht müsse europafähig sein, die EG werde
keine Hand zu Lösungen bieten, die nicht ihrem Recht entsprächen. Die Europafähigkeit
sei das erste Ziel der Swisslex-Vorlagen.
Der Nationalrat stimmte dem Bericht des Bundesrates
ebenfalls zu und lehnte die Rückweisungsanträge ab. Die 27 Vorlagen werden unter den
Geschäftsnummern 93.101 - 93.127 in den entsprechenden Sachkapiteln behandelt.
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