Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

9. Verkehr

94.048 Bahn 2000. Bericht des Bundesrates
Rail 2000. Rapport du Conseil fédéral

Botschaft: 11.05.1994 (BBl III, 683 / FF III, 680)

Ausgangslage

Der am 6. Dezember 1987 in Rechtskraft erwachsene Bundesbeschluss betreffend das Konzept Bahn 2000 erwähnt die vier Neubaustrecken

  • Vauderens--Villars-sur-Glâne,
  • Mattstetten--Rothrist,
  • Muttenz--Olten,
  • Zürich Flughafen--Winterthur.

Zur Finanzierung des Konzeptes Bahn 2000 haben die eidgenössischen Räte einen Kredit von 5,4 Milliarden Franken bewilligt (Projektierungs- und Preisstand 1985; Streubereich mindestens +/- 30 %). Das entspricht zum heutigen Geldwert 7,4 Milliarden (+/- 2-3 Mia.) Franken. Die Weiterbearbeitung des Konzeptes durch die SBB ergab Investitionskosten von insgesamt 16 Milliarden Franken (Preisbasis 1991). Darin waren allerdings auch über die Annahmen von 1985 hinaus gehende Konzeptänderungen und Angebotsverbesserungen enthalten.

Die SBB wurden vom Vorsteher des eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes anfangs 1993 beauftragt, im Sinne einer ersten Etappe eine Lösung vorzuschlagen, die die Ziele von Bahn 2000 so weit wie möglich erfüllt, ohne den vom Parlament gesetzten Kreditrahmen zu sprengen.

Die nun präsentierte Lösung entspricht diesem Auftrag. Sie führt zu Infrastrukturkosten von 7,4 Milliarden Franken (+/- 20 %; Projektierungs- und Preisstand 1993; exklusiv Forderungen Dritter, z. B. für zusätzliche Umweltschutzmassnahmen). Sie unterscheidet sich von der Botschaft Bahn 2000 dadurch, dass:

  • weniger Züge eingeplant werden;
  • Neubaustrecken und Ausbauten bestehender Strecken, die aus Kapazitätsgründen vorläufig nicht notwendig sind, zurückgestellt werden, insbesondere die Abschnitte:
  • Siviriez--Villars-sur-Glâne,
  • Liestal--Olten,
  • Zürich-Flughafen--Winterthur;
  • Fahrzeitverkürzungen statt durch Streckenausbau zum Teil durch den Einsatz von Zügen mit aktiver gleisbogenabhängiger Wagenkastenneigung (z. B. Pendolini) erzielt werden;
  • kapazitätssteigernde Ausbauten von Strecken und Bahnhöfen dank Doppelstockwagen mit erhöhtem Sitzplatzangebot vermieden oder teilweise hinausgeschoben werden;
  • im Verkehr mit Lausanne, Biel und Luzern geringfügig längere Fahrzeiten in Kauf genommen werden, was dort zu Anschlussgruppen zu den Minuten 15 und 45 anstatt 00 und 30 führt. In Biel und Luzern können sich dadurch gewisse Probleme ergeben. Sie sind vor allem durch die mangelnde Nachfrage zur integralen Einführung des Halbstundentaktes bedingt.

Die Reduktion der Zugsleistungen gegenüber dem Konzept 1985 führt zu einer Verringerung der über das ordentliche Budget der SBB zu finanzierenden Investitionen ins Rollmaterial um rund 1,3 Milliarden Franken: Trotzdem werden 13 Prozent mehr Intercity- und Schnellzugskilommeter und 24 Prozent mehr Sitzplatzkilometer angeboten.

Aufgrund vorsichtiger Schätzungen der SBB wird der Verkehr dank der ersten Etappe von Bahn 2000 um knapp 15 Prozent zunehmen. Diese Zunahme genügt zur vollen Deckung der Betriebskosten, ermöglicht aber keine volle Verzinsung der Infrastrukturinvestitionen. Bei Zugrundelegung der heute üblichen Zinssätze wird sich das Ergebnis der SBB um rund 340 Millionen Franken pro Jahr verschlechtern. Die unmittelbare Realisierung des Konzeptes von 1985 würde allerdings das Jahresergebnis der SBB um über 1 Milliarde Franken verschlechtern.

Auch ohne Bahn 2000 wäre allerdings mit einer Ergebnisverschlechterung zu rechnen, da der gesetzliche Auftrag an die SBB, ihr Netz dauernd in gutem Zustand zu erhalten und den Erfordernissen des Verkehrs und den Fortschritten der Technik anzupassen, notwendigerweise Investitionen zur Folge haben würde, die über die im Mittelfristplan der SBB aufgeführten und über das ordentliche Budget zu finanzierenden Beiträge hinaus gingen.

Letztere betragen bis 1999 durchschnittlich 1,7 Milliarden Franken pro Jahr. Könnte der Bund den SBB diese Mittel nicht zur Verfügung stellen, so wäre die Verwirklichung der ersten Phase von Bahn 2000 gefährdet.

Das gewählte Vorgehen bringt laut Botschaft keine Änderung des Konzeptes Bahn 2000. Deshalb muss der Bundesbeschluss betreffend das Konzept Bahn 2000 nicht geändert werden.

Die Bahn-2000-Investitionen der Privatbahnen werden über die Rahmenkredite gemäss Artikel 56 des Eisenbahngesetzes finanziert. Für die Vereinabahn besteht eine eigene Rechtsgrundlage, während weitere Investitionen in die Netze von BLS, RhB, BT und SOB, die ebenfalls im Sinne von Bahn 2000 liegen, über Neat-Kredite finanziert werden.

Verhandlungen

SR 04.10.1994 AB 1994, 998
NR 06.03.1995 AB 1995, 353, 384

Anlässlich der Behandlung des Berichtes zu Bahn 2000 im Ständerat war von "mehrfach gebrochenem Rückgrat der Bahn 2000", von "löchrigem Flickwerk" oder vom "Gelotter im Taktfahrplan" die Rede. Dennoch fand sich der Ständerat mehrheitlich damit ab, dass von Bahn 2000 zum vollen Preis nur eine erste Etappe realisiert werden kann. Die kleine Kammer kam mit dem Bundesrat zum Schluss, dass das vom Volk 1987 gutgeheissene Konzept nicht geändert werden muss. Ein etappenweises Vorgehen sei im Bundesbeschluss ausdrücklich vorgesehen, wie Bundesrat Ogi in Erinnerung rief. Er erhielt viel Lob dafür, dass er im Jahre 1993 die Notbremse gezogen hatte, als sich Gesamtkosten von 16 Milliarden oder mehr abzeichneten.

Umso härter ging man mit der früheren Führung des EVED und der SBB ins Gericht. "Wir sind zum Teil angelogen worden", sagte Piller (S, FR) und Büttiker (R, SO) sprach von der "schludrigsten Vorlage, die je in unserem Land Abstimmungsreife erlangte".

Auch mit dem Bericht des Bundesrates waren nicht alle zufrieden. Büttiker (R, SO) beantragte namens der Kommissionsminderheit Rückweisung, damit der Bundesrat auch über Umfang, Zeitraum und Finanzierung der nächsten Etappen verbindlich Auskunft gebe. Der Rat lehnte dies mit 32 zu 5 Stimmen ab. Oppositionslos wurde jedoch eine Motion überwiesen, die eine neue Vorlage verlangt, falls auf einzelne Neubaustrecken definitiv verzichtet werden sollte. Rechtzeitig soll der Bundesrat dem Parlament auch die Kredite für weitere Etappen unterbreiten.

Trotz harscher Kritik akzeptierte auch der Nationalrat die Etappierung von Bahn 2000. Wie bereits im Ständerat gab es auch im Nationalrat heftige Kritik an EVED und SBB wegen der Bearbeitung des Bahn-2000-Projektes. Vertreter aus FDP, GPS, LdU/EVP, FPS und CVP verlangten gleich mit fünf Anträgen, der Bericht sei an den Bundesrat zurückzuweisen.

Namens einer Kommissionsminderheit empfahl Diener (G, ZH) Rückweisung mit dem Auftrag, die Etappierungsdiskussion von Bahn 2000 mit jener zur Neat zu verknüpfen. Es brauche endlich ein Gesamtkonzept für den öffentlichen Verkehr. Der Bericht zeichne gar keine echte Etappierung vor, denn die erste Etappe verbrauche den ganzen Kredit und die zweite Etappe bleibe ein Phantom, monierte Wanner (R, SO). Genaue Angaben über die zweite Etappe forderte auch Baumberger (C, ZH). "Verkehrsachsen sind Wohlstandsachsen" - unter diesem Motto setzte er sich vor allem für die Neubaustrecke Zürich-Flughafen--Winterthur ein. Auch Vertreter anderer Regionen bemängelten, dass Bahn und Bus 2000 nicht mehr die ursprünglich versprochenen flächendeckenden Verbesserungen des Angebots brächten. Verschiedene Kritiker hielten fest, es sei unabdingbar, Bahn 2000 und die Neat gemeinsam zu betrachten. Diese Verknüpfung hielt Kommissionssprecher Vollmer (S, BE) nicht für zwingend: "Die Neat kann ohne Bahn 2000 nicht funktionieren, aber die Bahn 2000 muss allenfalls auch ohne Neat funktionieren."

Hinter den Etappierungsbericht stellten sich die SVP und die SP. Binder (V, ZH) lobte Bundesrat Ogi für dessen "klares und konsequentes Handeln" und hielt fest, die wesentlichen Ziele von Bahn 2000 würden mit der ersten Etappe erreicht. Namens der SP wandte sich auch Herczog (S, ZH) gegen die Rückweisung des Berichts. Bundesrat und Parlament sollten jedoch aus den Fehlern lernen. Nötig sei künftig eine bessere Koordination der Verkehrsträger und eine Gesamtfinanzierung, welche die Kostenwahrheit verwirkliche.

Die Rückweisungsanträge wurden schliesslich alle verworfen und der Bericht des Bundesrates wurde zur Kenntnis genommen.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

Hauptinhaltverzeichnis
Inhaltverzeichnis des aktuellen Kapitels Index Inhaltverzeichnis des folgenen Kapitels
Rückkehr zum SeitenbeginnRückkehr zum Seitenbeginn

HomeHome