Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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1. Staatspolitik und Rechtsordnung
93.022 |
Änderung des
Zivilgesetzbuches |
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(Herabsetzung des
zivilrechtlichen Mündigkeits- und Ehefähigkeitsalters |
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Code civil. Révision |
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(Abaissement de l'âge de la
majorité civile et matrimoniale) |
Botschaft: 17.02.1993 (BBl I, 1169 / FF I, 1093)
Ausgangslage
Am 3. März 1991 haben Volk und Stände mit grosser
Mehrheit einer Herabsetzung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre zugestimmt.
Auch wenn das zivilrechtliche Mündigkeitsalter nach schweizerischer Rechtsauffassung
nicht mit dem Stimm- und Wahlrechtsalter identisch sein muss, entspricht es doch der
Tradition im Bund, dass die beiden Altersgrenzen zusammenfallen. Mit der Vorlage, die wir
Ihnen unterbreiten, soll das Mündigkeitsalter von heute 20 Jahren auf 18 Jahren
gesenkt werden. Damit passt sich die Schweiz im übrigen der europäischen
Rechtsentwicklung an, denn die meisten Staaten Europas kennen heute ein Mündigkeitsalter
von 18 Jahren.
Mit der Herabsetzung des zivilrechtlichen
Mündigkeitsalters werden urteilsfähige Jugendliche, die das 18. Altersjahr
vollendet haben, voll handlungsfähig. Sie können sich selbständig durch beliebte
Verträge verpflichten, und sie können heiraten. Der Entwurf lässt das
Ehefähigkeitsalter zwingend mit dem Mündigkeitsalter zusammenfallen. Auf die
Möglichkeit einer vorzeitigen Mündigerklärung soll verzichtet werden.
Die Herabsetzung des Mündigkeitsalters im Zivilgesetzbuch
hat überall dort Auswirkungen auf unsere Rechtsordnung, wo bestimmte Rechte und Pflichten
vom Erreichen des zivilrechtlichen Mündigkeitsalters abhängen. Legt das öffentliche
oder private Recht dagegen eine eigene Altersgrenze fest, so bleibt der bisherige
Rechtszustand grundsätzlich unverändert. Der Entwurf sieht allerdings gewisse
Anpassungen im Sozialversicherungs- und Fürsorgebereich vor.
Für die betroffenen Jugendlichen bringt eine Herabsetzung
des zivilrechtlichen Mündigkeits- und Ehefähigkeitsalters nicht nur Vorteile, sondern
auch Nachteile (z. B. wegen der Gefahr der frühzeitigen Verschuldung durch
Kleinkredite). Trotzdem verzichtet der Entwurf auf spezielle Schutzvorschriften für 18-
20jährige. Ein allgemeiner Ausbau des Rechtschutzes, insbesondere im Bereich des
Kleinkreditwesens, ist vorzuziehen. Notwendig erscheint jedoch eine Änderung von
Artikel 277 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches betreffend die elterliche
Unterhaltspflicht nach der Mündigkeit der Jugendlichen, damit deren Anspruch auf eine
angemessene Ausbildung nicht gefährdet wird.
Verhandlungen
SR |
23.09.1993 |
AB 1994, 659 |
NR |
8., 9., 16.06.1994 |
AB 1994, 929, 964, 1144 |
SR |
20.09.1994 |
AB 1994, 807 |
SR / NR |
07.10.1994 |
Schlussabstimmungen (33:2 / 146:27) |
Der Ständerat verabschiedete die Vorlage
unverändert. Opposition erwuchs ihr lediglich von Morniroli (D, TI).
Im Nationalrat beantragte eine von Stamm (C, LU)
angeführte Kommissionsminderheit Nichteintreten. Die Vorlage bringe für die jungen
Menschen keine nennenswerten Vorteile, sagte Frau Stamm, sondern baue einige wichtige
Schutzvorschriften ab, was vor allem für Jugendliche von Bedeutung sei, die in
schwierigen Verhältnissen aufwachsen würden. Der Rat beschloss jedoch mit 84 zu 20
Stimmen Eintreten. In der Detailberatung wurde ein Antrag einer von Allenspach (R, ZH)
vertretenen Minderheit abgelehnt, welche die 18- bis 20jährigen auch im Arbeitsrecht den
Erwachsenen gleichstellen wollte. Ein Antrag zur Anpassung des Obligationenrechts
bezüglich der Ferienregelung zog Allenspach während der Debatte zurück. Der Nationalrat
beschloss ferner, auch das Bundesgesetz über die Leistungen des Bundes für den Straf-
und Massnahmenvollzug in dem Sinne zu ändern, dass Aufenthaltstage von aufgrund des
Vormundschaftsrechtes eingewiesenen Jugendlichen im Alter von 18 bis 22 Jahren
subventioniert werden können. - Der Ständerat stimmte diesen Änderungen zu.
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