Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

3. Aussenwirtschaft

94.079 GATT / Uruguay-Runde. Abkommen
GATT / Cycle d'Uruguay. Accords

Botschaft: 19.09.1994 (BBl IV, 1 / FF IV, 1)

Ausgangslage

Die aus der Uruguay-Runde des Gatt hervorgegangenen Abkommen erfassen die meisten wichtigen Aspekte des Handelsverkehrs und der internationalen Wirtschaftstätigkeit. Ziel der Uruguay-Runde war, die Liberalisierung des Welthandels voranzutreiben und diesen Prozess auf Bereiche auszuweiten, die bislang nicht den Gatt-Regeln unterstanden (Dienstleistungen und Investitionen); einen besseren Schutz des geistigen Eigentums zu gewährleisten und die Mechanismen zur Umsetzung der von den Handelspartnern eingegangenen Verpflichtungen zu festigen.

Der Bundesrat geht davon aus, dass die Abkommen der Uruguay-Runde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auf den den Aussenhandelsmärkten stärken werden.
In allen Sektoren, am meisten in der Landwirtschaft, werden Änderungen notwendig sein. Der Bundesrat will, im Einklang mit seiner Agrarpolitik, Gatt-bedingte Einkommenseinbussen der Bauern kompensieren.

Der Einfluss der Ergebnisse der Uruguay-Runde auf die schweizerische Landwirtschaft ist im Licht der gesamten Verhandlungsbeiträge zu würdigen. Aus der Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Handel ergibt sich insgesamt ein Gewinn. Die Fähigkeit der Schweiz, Einkommenstransfers zugunsten der Landwirtschaft zu finanzieren (insbesondere in Form von Direktzahlungen), ist eng an die Leistungsstärke der gesamten, stark auf Exporte ausgerichteten Volkswirtschaft gebunden.

Im einzelnen wird die schweizerische Volkswirtschaft von der durchschnittlichen Zollsenkung der Uruguay-Runde um über ein Drittel und dem erheblicheren Abbau in Bereichen, welche die Schweizer Exporteure direkt betreffen (wie Pharmaprodukte, chemische Produkte, medizinische Ausrüstungen und verarbeitete Agrargüter), profitieren. Der Liberalisierungsprozess des Dienstleistungsverkehrs wirkt sich für die Schweiz besonders vorteilhaft aus: Die Schweiz ist weltweit der fünftgrösste Dienstleistungsexporteur. Das Abkommen über geistiges Eigentum wird auf etlichen Exportmärkten der schweizerischen Industrie den Schutz vor Fälschungen und Piraterie verstärken.

Der Bundesrat möchte des weiteren drei plurilaterale Handelsübereinkünfte, die der Tokio-Runde entstammen und parallel zur Uruguay-Runde überarbeitet worden sind (Übereinkommen über öffentliches Beschaffungswesen, Internationale Übereinkunft über Milcherzeugnisse, Übereinkunft über Rundfleisch), zur Genehmigung vorlegen. Die Abkommen werden als plurilateral bezeichnet, weil sie im Gegensatz zu den übrigen von der WTO erfassten Texten lediglich für die Unterzeichnerstaaten und somit nicht für alle WTO-Mitglieder, verbindlich sind. Aus diesem Grund wird ihre Ratifizierung in einem getrennten Bundesbeschluss behandelt.

Verhandlungen

SR 29.11-30.11.1994 AB 1994, 1095, 1117
NR 06.12-08.12.1994 AB 1994, 2149, 2175, 2196, 2205
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (41:0 / 171:2)

Im Ständerat beteiligte sich fast die Hälfte der Ratsmitglieder an der allgemeinen Aussprache über den Beitritt zur neuen Welthandelsorganisation (WTO) und zu den fast 30 internationalen Verträgen, die in der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) ausgehandelt worden waren. Schallberger (C, NW) zeigte sich bei allem Misstrauen gegenüber internationalen Abkommen überzeugt, dass ein Ausstieg aus dem Gatt-Regelwerk für die Exportindustrie verheerend wäre, Verlierer aber seien die Bauern. Uhlmann (V, TG) forderte, dass die Landwirtschaft nicht auf dem Altar des Gatt geopfert werden dürfe. Im Rat hiess es immer wieder, dass die Schweiz die Leistungen ihrer Bauernschaft nur dann abgelten könne, wenn der Aussenhandel floriere. Eine Gatt-Euphorie kam in der Debatte des Ständerates nicht auf. Das Vertragswerk wurde auf umwelt- entwicklungs- und regionalpolitsche Schwachstellen geprüft. Bedenken äusserten verschiedene Standesvertreter zu den regionalen Auswirkungen des neuen Gatt. Ein regionalpolitischer Handlungsbedarf sei in der Innenpolitik gegeben. Cavelty (C, GR) und Gadient (V, GR) forderten deshalb ein neues Investitionshilfegesetz. Rhinow (R, BL) sagte, dass sich die Schweiz mit dem Gatt einem Schiedsgericht unterziehe. Es dürfe nicht verschwiegen werden, dass damit auch ein Souveränitätsverlust verbunden sei. Für Onken (S, TG) gibt es keine Alternative zum Gatt. Der Vertrag sei zwar ein welthandelspolitischer Durchbruch, aber kein Meilenstein auf dem Weg zu nachhaltigerem Wirtschaften. Nachbesserungen seien nötig. Der Ständerat stimmte dem Beitritt und der Ratifizierung der Abkommen mit 39:0 Stimmen zu.

Im Nationalrat äusserten sich 80 Redner und Rednerinnen zur Vorlage. Verschiedene Votatinnen und Votanten machten auf die Nachteile für die Dritte Welt und den Umweltschutz aufmerksam. Auch Bedenken bezüglich Souveränität und Demokratie wurden geäussert. Gross (S, ZH) zeigte sich erstaunt, dass der Vertrag nur auf seine Handelsdimensionen reduziert werde. Ziegler (S, GE) sagte, dass er gegen das Gatt sei, welches für die Dritte Welt das Todesurteil bedeute. Von der Ratslinken wurden starke Umweltbedenken geäussert. Zum einen ortete man Probleme im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Wirtschaftsaufschwung, welcher mehr Verkehr und damit mehr Belastung bringe. Ihrem tiefen Misstrauen gegen das Abkommen gaben verschiedene Landwirte Ausdruck. Hämmerle (S, GR) hielt fest, zentral am Abkommen sei nicht die Landwirtschaft, sondern das Sozial- und Ökodumping. Man mache jetzt den Bauern Zusicherungen, lasse aber in der Landwirtschaftspolitik einfach alles beim alten. Hess (V, TG) meinte das die Gatt-Auswirkungen auf die Landwirtschaft verharmlost würden. Die Bauern erbrächten Leistungen, die sich nicht beziffern liessen. Landschaftspflege lasse sich nicht importieren. Fischer (R, AG) sagte, dass das Gatt nicht alle Probleme löse, doch gebe es Mittel in die Hand, Probleme in den Bereichen Umwelt und Sozialversicherungen zu lösen. Für Bonny (R, BE) ist das Gatt für die Zukunft der Schweiz als Exportland absolut lebensnotwendig. Er fasste damit die Haltung zahlreicher Redner und Rednerinnen zusammen, die ihre Zustimmung oftmals mit nur geringer Begeisterung vorbrachten.

Der Nationalrat lehnte einen Antrag Goll (S, ZH) mit 134 zu 14 Stimmen ab, das Gatt dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Beim Gatt handle es sich nicht um eine supranationale Gemeinschaft, sondern lediglich um einen Handelsvertrag, wurde argumentiert. Mit 151 zu 1 Stimmen stimmte der Nationalrat dem Beitritt und den Abkommen zu.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

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