Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

3. Aussenwirtschaft

94.080 GATT/Uruguay-Runde. Gesetzesänderungen
GATT/Cycle d'Uruguay. Modification des lois

Botschaft: 19.09.1994 (BBl IV, 950 / FF IV, 995)

Ausgangslage

Zusammen mit der Botschaft zur Ratifikation der GATT/WTO-Abkommen unterbreitet der Bundesrat eine Botschaft mit Änderungsvorschlägen zu 16 Gesetzerlassen sowie ein neues Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen. Diese Gesetzesanpassungen sind notwendig, damit die Schweiz die Ergebnisse der Uruguay-Runde ratifizieren kann.

Bei diesen Vorschlägen liess sich der Bundesrat vom Grundsatz leiten, dass ausschliesslich jene Änderungen vorgeschlagen werden, die zur Ratifizierung unerlässlich sind.

Im Bereich des geistigen Eigentums (Urheberrechte und verwandte Schutzrechte, Marken, gewerbliche Muster und Modelle, Patente) geht es bei der Revision der Bundesgesetze darum, Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Alle Änderungen in den Bereichen Landwirtschaft, Alkohol-Gesetzgebung, Zollrecht und wirtschaftliche Landesversorgung sind eng an die Umsetzung des Prinzips der ausnahmslosen Tarifizierung gebunden. Kraft dieses Grundsatzes kann der Schutz der landwirtschaftlichen Produktion an der Grenze aufrechterhalten werden, jedoch nur in Form von Zöllen.

In der Bankengesetzgebung sind die Zulassungsbedingungen anzupassen, welche die Eidgenössische Bankenkommission ausländischen Banken auferlegen kann, die sich in der Schweiz niederlassen wollen. Aufgrund der Meistbegünstigungsklausel des Allgemeinen Dienstleistungsabkommens (GATS) ist die ausnahmslose Gegenrechtsbedingung, wonach einer ausländischen Bank nur dann die Niederlassung in unserem Land bewilligt werden kann, wenn ihr Heimatstaat den Schweizer Banken Gegenrecht gewährt, nicht mit dem GATS vereinbar.

Im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesen bedingt die Einsetzung einer Rekursinstanz gemäss dem Gatt-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen die Ausarbeitung eines neuen Bundesgesetzes. Der Entwurf soll im selben Zug noch offene Fragen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens des Bundes regeln. Das Gesetz garantiert Gleichbehandlung der Anbieter auf Basis des Gegenrechts, es führt transparente Vergabeverfahren ein und fördert eine Intensivierung der Konkurrenz und damit eine Begünstigung der rationellen Verwendung öffentlicher Mittel. Es räumt Anbietern deren Offerte missbräuchlich nicht berücksichtigt wird, ein Rekursrecht ein.

Verhandlungen

SR 30.11.1994 AB 1994, 1121
NR 06.12.1994 AB 1994, 2149

1. Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

SR 05.12.1994 AB 1994, 1156
NR 14.12.1994 AB 1994, 2317
NR/SR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 180:2)

2. Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben

SR 05.12.1994 AB 1994, 1156
NR 14.12.1994 AB 1994, 2318
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 180:2)

3. Bundesgesetz betreffend die gewerblichen Muster und Modelle

SR 05.12.1994 AB 1994, 1157
NR 14.12.1994 AB 1994, 2319
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:1 / 181:2)

4. Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente

SR 05.12.1994 AB 1994, 1157
NR 14.12.1994 AB 1994, 2320
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 130:47)

5. Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung

SR 01.12.1994 AB 1994, 1144
NR 12.12.1994 AB 1994, 2258
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 154:2)

6. Zolltarifgesetz

SR 06.12.1994 AB 1994, 1163
NR 14.12.1994 AB 1994, 2311
SR 15.12.1994 AB 1994, 1323
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 173:3)

7. Zollgesetz

SR 06.12.1994 AB 1994, 1164
NR 14.12.1994 AB 1994, 2315
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 178:2)

8. Bundesbeschluss über die Anpassung des Generaltarifs an die dem Protokoll von Marrakesch zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen von 1994 beigefügte Liste LIX-Schweiz-Liechtenstein

SR 06.12.1994 AB 1994, 1164
NR 14.12.1994 AB 1994, 2315
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 178:8)

9. Landwirtschaftsgesetz

SR 30.11.1994 AB 1994, 1129
NR 08.12.1994 AB 1994, 2209
SR 13.12.1994 AB 1994, 1276
NR 14.12.1994 AB 1994, 2356
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (41:2 / 117:54)

10. Bundesgesetz über gebrannte Wasser

SR 06.12.1994 AB 1994, 1165
NR 14.12.1994 AB 1994, 2316
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (41:0 / 170:2)

11. Bundesgesetz über die Brotgetreideversorgung des Landes

SR 30.11.1994 AB 1994, 1138
NR 12.12.1994 AB 1994, 2255
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 178:4)

12. Zuckerbeschluss

SR 30.11.1994 AB 1994, 1138
NR 12.12.1994 AB 1994, 2255
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (39:2 / 129:24)

13. Milchbeschluss

SR 01.12.1994 AB 1994, 1142
NR 12.12.1994 AB 1994, 2256
SR 13.12.1994 AB 1994, 1279
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 168:2)

14. Milchwirtschaftsbeschluss 1988

SR 01.12.1994 AB 1994, 1143
NR 12.12.1994 AB 1994, 2257
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (41:0 / 164:0)

15. Bundesgesetz über geschützte Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eierprodukte

SR 01.12.1994 AB 1994, 1144
NR 12.12.1994 AB 1994, 2258
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (42:0 / 159:7)

16. Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen

SR 06.12.1994 AB 1994, 1165
NR 14.12.1994 AB 1994, 2317
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (43:0 / 175:11)

17. Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen

SR 06.12.1994 AB 1994, 1166
NR 13.12.1994 AB 1994, 2276
SR 13.12.1994 AB 1994, 1314
NR 14.12.1994 AB 1994, 2358
SR 15.12.1994 AB 1994, 1323
SR/NR 16.12.1994 Schlussabstimmungen (34:5 / 142:35)

Landwirtschaft

Der Ständerat fügte eine Übergangsbestimmung ins Landwirtschaftsgesetz ein, die der Landwirtschaft eine Kompensation der Gatt-bedingten Erlösausfälle zusichert. Gesetzlich garantiert werden für die Jahre 1995 bis 2000 jährlich 90 Millionen Franken, im Schlussjahr also 540 Millionen Franken. Der Bundesrat hatte die Absicht bis 1998 die Direktzahlungen jährlich um 150 Millionen aufzustocken. Weber (U, ZH) und Salvioni (R, TI) meinten, dass durch die Zusicherungen die Bauern auf Kosten der Konsumenten wieder zu Subventionsempfängern gemacht würden. Büttiker (R, SO) entgegnete, man müsse den Bauern eine Brücke schlagen. Bundesrat Delamuraz wollte ins Gatt-Lex nur aufnehmen, was die Abkommen unbedingt verlangen. Er stimmte aber der Übergangsbestimmung zu, um ein moralisches und politisches Zeichen zu setzen, dass weder der Staat noch die übrige Wirtschaft die Bauern im Stiche lassen wollten. Mit 25 zu 8 Stimmen abgelehnt wurde ein Antrag Seiler (V, SH), alle Agrarzölle - und nicht nur einen vom Bundesrat festzulegenden Teil - für Direktzahlungen zu verwenden.

Im Zusammenhang mit den Einfuhrkontingenten für Agrarprodukte war für Piller (S, FR) unverständlich, dass der Bundesrat diesen Kontingentshandel nicht längst abgestellt hat. Schmid (C, AI) räumte ein, dass die Importregelung einen "Abschottungscharakter" aufweise. Wenn die Grenze stark geöffnet würde, käme dies einem kaum verkraftbaren Schlag gegen die Bauern gleich. Bundesrat Delamuraz teilte die Meinung, dass wenn die Kontingentwirtschaft jetzt einer Remedur unterzogen würde, das Gatt-Fuder überlastet wäre. Gemäss Delamuraz wird der Bundesrat ein umfangreiches Reformpaket schnüren und damit die Marktordnungen und Einfuhrregelungen lockern.

Der Ständerat hob die Produktionslimite für Zuckerrüben von jährlich 850 000 Tonnen auf. In Zukunft wird der Bundesrat die Zuckerrübenmenge bestimmen. Mit 36 gegen eine Stimme wurde der geänderte Zuckerbeschluss genehmigt.

Den Milchbeschluss, den Milchwirtschaftsbeschluss, das Bundesgesetz über geschützte Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eierprodukte sowie das Bundesgesetz über die wirtschaftliche Landesversorgung passten Ständerat und Nationalrat diskussionslos an die GATT-Abkommen an.

Der Nationalrat stimmte mit 111 gegen vier Stimmen einem Antrag Loeb (R, BE) zu, wonach die Zollkontingente unter Wahrung des Wettbewerbes verteilt werden und von wirtschaftlichen Leistungen abhängig gemacht werden sollen. Die Kontingentsrenten bekämpfen wollte auch der Rückweisungsantrag einer von Strahm (S, BE) geführten Kommissionsminderheit. Mit 97 gegen 60 Stimmen wurde dieser Antrag jedoch abgelehnt.

Der Nationalrat gestand den Bauern weitergehendere Kompensationen der Gatt-bedingten Einkommensausfälle zu, als dies der Ständerat tat. Die grosse Kammer dehnte das Umlagerungsprinzip auch auf jene Einkommenseinbussen aus, die durch den Abbau der Exportsubventionen und durch die Öffnung der Schweiz für ausländische Agrargüter entstehen. Der Nationalrat hob die vom Ständerat verfügte Befristung auf und strich den die Garantie relativierenden Zusatz, wonach bei der Umlagerung die allgemeine Wirtschaftslage und die finanziellen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen seien. Linksgrüne Anträge, die Gelder gezielt für Direktzahlungen zu verwenden, wurden abgelehnt. Ebenfalls ohne Erfolg blieb das Begehren, den zweckgebundenen Teil der Zollerträge ausschliesslich für Direktzahlungen zu verwenden. Mit 122:50 Stimmen stimmte der Nationalrat dem Landwirtschaftsgesetz zu.

In der Differenzbereinigung zum Landwirtschaftsgesetz folgte der Ständerat beim Kontingenthandel mit 26 zu 7 Stimmen dem Beschluss der grossen Kammer.

Der Nationalrat folgte in der Frage des Ausgleichs der Einkommensverluste mit 80 zu 66 Stimmen der Version des Ständerates, die nur je 90 Millionen Franken in den nächsten sechs Jahren vorsieht.

Erfindungen, Urheberrechte

Der Ständerat stimmte ohne Diskussion und Gegenstimmen dem angepassten Bundesgesetz betreffend Erfindungspatente zu. Mit der Anpassung des Bundesgesetzes über Erfindungspatente übernahm er stillschweigend das Trips-Abkommen des GATT. Darin werden Bedingungen präzisiert, wann eine Patentierung wegen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten oder wegen Beeinträchtigung der Gesundheit und des Lebens von Personen, Tieren und Pflanzen verboten werden soll.

Der Nationalrat beschloss bei der Anpassung des Patentgesetzes nur die Sprecher von Kommissionsmehrheit und -minderheit sprechen zu lassen. Bundesrat Koller vertröstete in seinem Votum auf die Botschaft zur Volksinitiative "Zum Schutz von Leben und Umwelt durch Genmanipulation", die der Bundesrat zu einem späteren Zeitpunkt dem Parlament vorlegen werde. Es gehe nicht an, ein Hauptanliegen dieser Initiative über die Hintertür von Gatt-Lex im Patentgesetz zu verankern. Bundi (S, GR) kritisierte, dass über solch wichtige Fragen im Parlament zunehmend nicht mehr eingehend diskutiert werden könne. Das Verbot der Patentierung von menschlichen Leben, Tieren und Pflanzen wolle nicht die Forschung auf diesem Gebiet, sondern bloss die Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse verhindern. Von Felten (S, BS) warf dem Bundesrat vor, mit seinem Verwirrspiel die schleichende Einführung der Patentierbarkeit von Lebewesen zu betreiben. Gonseth (G, BL) meinte, dass der Bundesrat das Volksbegehren restriktiv interpretiere, damit es dann wegen Unvereinbarkeit mit dem Recht des GATT abgelehnt werden könne. Der Nationalrat lehnte es jedoch ab, die Patentierung von gentechnisch veränderten Lebewesen im Rahmen der Gatt-Lex zu verbieten.

Das Urheberrechts-Gesetz, das Markenschutz-Gesetz und das Gesetz betreffend gewerbliche Muster und Modelle wurden ebenfalls von beiden Räten genehmigt.

Öffentliches Beschaffungswesen

Streitpunkt im Ständerat war die Absicht des Bundesrates, gegen den Widerstand von Bauwirtschaft und Gewerbe im öffentlichen Beschaffungswesen sogenannte Angebotsrunden grundsätzlich zuzulassen. Verschiedene freisinnige Ständeräte meinten, dass Angebotsrunden nicht seriös und zu verbieten seien. Sie erlaubten es den Anbietern, gefahrlos auf hohem Niveau einzusteigen und den Preis zu bestimmen. Gleichzeitig ermögliche dies dem Bund, seine Nachfragemacht auszunützen. Korruption, Willkür und Vetternwirtschaft drohten. Danioth (C, UR) setzte sich mit einem Kompromissvorschlag mit 22 zu 15 Stimmen durch. Danach dürfen Verhandlungen über die Offertpreise nur geführt werden, wenn darauf in der Ausschreibung ausdrücklich hingewiesen worden ist und kein Angebot als das wirtschaftliche günstigste erscheint. Fehlte der Hinweis, so darf verhandelt werden, wenn konkrete Anzeichen für wettbewerbsverzerrende Angebotsabsprachen bestehen, Variantenvorschläge eingereicht worden sind oder technische Fragen des Angebots dies als angezeigt erscheinen lassen.

Der Nationalrat stimmte mit 116 zu 64 Stimmen einem Artikel zu, der nachträgliche Verhandlungen mit den Anbietern erlaubt. Der öffentliche Auftraggeber kann bei der vom Nationalrat beschlossenen Version nach Überprüfung der Offerten, nochmals mit den Anbietern verhandeln, wenn er dies in seiner Ausschreibung angekündigt oder wenn kein Angebot als das günstigste erscheint. Früh (R, AR) stellte einen Rückweisungsantrag. Er sprach von einem Schildbürgerstreich, weil das Gesetz - teilweise ohne Gegenrecht - den Zugang zum Schweizer Beschaffungsmarkt öffne. Die Rückweisung des Gesetzes und Anträge für ein Verbot von Nachverhandlungen fanden im Nationalrat aber keine Gnade. Von sechs Versionen über das Nachverhandeln stammten vier aus den Reihen der FDP. Stucky (R, ZG) wollte wie der Ständerat die Bedingungen solcher Verhandlungen kumulieren, er lehnte jedoch die mündliche Verhandlung ab. Ledergerber (S, ZH) erklärte, die öffentliche Hand der Schweiz kaufe in der Regel 6 bis 10 Prozent teurer ein als Private. Mit einem schärferen Wettbewerb liessen sich pro Jahr zwischen 2 bis 4 Milliarden Franken einsparen.

In der ersten Differenzbereinigung hielten beide Räte an ihren Beschlüssen fest. Nachdem Bundesrat Stich im Ständerat versichert hatte, dass der Bundesrat nicht die Absicht habe in jedem Fall oder in der Mehrzahl der Fälle Verhandlungen über die eingereichten Offerten zu führen, folgte der Ständerat der Fassung des Nationalrates, Angebotsrunden beim öffentlichen Beschaffungswesen zuzulassen.

Bankengesetz, Zollgesetz

Die Gatt-bedingten Anpassungen im Zollrecht und im Bankengesetz wurden vom Ständerat oppositionslos angenommen. Im Zollgesetz führte der Ständerat auf Antrag seiner Kommission einen Rechtsanspruch auf Zollermässigung oder Zollbefreiung für Rohstoffe ein, die die Nahrungsmittelindustrie importiert und als Fertigprodukte wieder ausführt.

Der Nationalrat stimmte ebenfalls oppositionslos den Anpassungen zu.

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