Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

4. Sicherheitspolitik

93.072 Militärorganisation und Truppenordnung. Totalrevision
Organisation de l'armée et Administration militaire. Loi et arrêté

Botschaft: 08.09.1993 (BBl IV, 1 / FF IV,1)

Ausgangslage

Das geltende Bundesgesetz über die Militärorganisation stammt aus dem Jahre 1907. Es wurde seither in zahlreichen Teilrevisionen den geänderten Bedürfnissen angepasst. Dies hat dazu geführt, dass Inhalt und Systematik nicht mehr überall eine Einheit bilden. Anlass zur Totalrevision der Militärorganisation, die auch als "Wehrverfassung" bezeichnet wird, gibt die Armeereform 95. Die Bestimmungen werden teilweise deutlich gestrafft, die Systematik überarbeitet und die Sprache der heutigen Form angepasst. Dabei soll das neue Gesetz grösstmögliche Flexibilität gewähren, um zeitgerecht neuen Bedürfnissen gerecht werden zu können. Dies soll etwa durch Rahmenbestimmungen sowie durch eine möglichst breite Übertragung von Kompetenzen an den Bundesrat erreicht werden.

Der Inhalt der Reformen wurde im "Armeeleitbild 95" (siehe oben) und im "Sicherheitsbericht 90" vorgezeichnet. Die materiellen Hauptpunkte sind die folgenden: Aufnahme des sicherheitspolitischen Auftrags der Armee ins Gesetz; Aufnahme eines Kapitels über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Angehörigen der Armee; Einführung einer Militärombudsperson; Fixierung der Dienstleistung für die Armeeangehörigen; Aufnahme des Friedensförderungsdienstes als freiwilliger Einsatz für friedenserhaltende Operationen im Ausland; Einführung des Assistenzdienstes als Einsatzart, die zwischen dem Ausbildungsdienst und dem Aktivdienst liegt; Anpassung der Bestimmungen über den Aktivdienst; Neuordnung der Zuständigkeiten für die Gliederung der Armee; Festlegung der Höchstzahl von Waffenplätzen; Einführung eines Bewilligungsverfahrens für die Errichtung militärischer Bauten.

Um die eigentliche Armeereform auf den 1. Januar 1995 verwirklichen zu können, leitete der Bundesrat dem Parlament zwei vorgezogene Bundesbeschlüsse zu (C und D). Darin sind die Kernbestimmungen materiell unverändert aus den alten Gesetzen übernommen worden, welche für die "Armee 95" zwingend notwendig sind (Bereiche Militärdienstpflicht, Ausbildungsdienste, Armeestruktur). Nach der Inkraftsetzung der eigentlichen Reform (Beschlüsse A und B) sollen die Bundesbeschlüsse C und D wieder aufgehoben werden.

Verhandlungen

C. Bundesbeschluss über die Realisierung der "Armee 95" / Arrêté fédéral sur la réalisation de l' "Armée 95"

D. Bundesbeschluss über die Realisierung der Organisation der "Armee 95" / Arrêté fédéral sur la réalisation de l'organisation de l' "Armée 95"

SR 16.12.1993 AB 1993, 1107
NR 10.03.1994 AB 1994, 295
SR 16.03.1994 AB 1994, 274
SR 18.03.1994 Schlussabstimmungen (C 43:0, D 43:0)
NR 18.03.1994 Schlussabstimmungen (C 144:10, D 145:6)

Im Ständerat erklärte Schoch (R, AR) namens der Sicherheitspolitischen Kommission, dass anfänglich gewisse Bedenken bestanden gegenüber einer so weitgehenden Kompetenzübertragung an den Bundesrat. Die Kommission schloss sich dann aber doch dem bundesrätlichen Konzept an, in der Meinung, damit eine Regelung zu bestätigen, die im wesentlichen schon bisher galt und sich über die Jahrzehnte bewährt hatte. Zur ganzen Armeereform betonte Küchler (C, OW), noch selten sei ein Reformvorhaben vom Grossteil der Bevölkerung, aber auch von der Wirtschaft und vom Parlament so positiv aufgenommen worden.

Im Nationalrat machte Meier (G, ZH) als Berichterstatter darauf aufmerksam, dass die grösste Armeereform bevorstehe, die das Land je durchgeführt habe. Nach einer Zustimmung zu den Beschlüssen C und D könne die Armee von 600'000 auf 400'000 Angehörige abgebaut und das Dienstpflichtalter für das Gros der Armee von 50 auf 42 gesenkt werden. Eine Kommissionsminderheit wollte noch weiter gehen und das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen. Sie unterlag aber deutlich mit 98 zu 32 Stimmen. In der Detailberatung gab es wie im Ständerat keine grossen Diskussionen, weil die umstrittenen Punkte in den später zu behandelnden Beschlüssen A und B enthalten sind.

A. Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz) / Loi fédérale sur l'armée et l'administration militaire

B. Bundesbeschluss über die Organisation der Armee (Armeeorganisation) / Arrêté fédéral sur l'organisation de l'armée

SR 16.03./31.05. 1994 AB 1994, 274, 398
NR 05.-06.10.1994 AB 1994, 1772
SR 13.12.1994 AB 1994, 1280
NR 01.02.1995 AB 1995, 211
SR 03.02.1995 Schlussabstimmungen (A 41:0, B 41:0)
NR 03.02.1995 Schlussabstimmungen (A 124:29, B 126:23)

Bereits in der Eintretensdebatte wurde im Ständerat unter anderem über die heikle Frage des Ordnungsdienstes debattiert. Die Befürworter verwiesen namentlich auf Artikel 16 der Bundesverfassung, aus dem der Ordnungsdienst klar hervorgehe. Plattner (S, BS), der überzeugt war, dass die Armee diesen Ordnungsdienst weder ausführen könne noch solle, hatte mit seinem Streichungsantrag keine Chance. Mit 15 gegen 14 Stimmen sprach sich der Rat, entgegen der Kommissionsmehrheit, für die Einführung einer Militärombudsstelle aus. In der sehr ausführlichen Beratung wurde unter anderem die Führung der Armee im Frieden diskutiert. Hier wollte der Rat nicht nur die zivilen Militärbehörden im Gesetz erwähnen, sondern auch die obersten Truppenkommandanten.

Aus Zeitgründen wurde die Debattenzeit im Nationalrat klar begrenzt (Kategorie IV und III). Auch der Zweitrat hielt mit 88 gegen 38 Stimmen an der Möglichkeit des Ordnungsdienstes fest. In vielen Punkten versuchte eine rot-grüne Minderheit vergeblich mit alten Traditionen, wie z.B. der ausserdienstlichen Schiesspflicht oder der pädagogischen Rekrutenprüfung, zu brechen. Mit 84 zu 50 Stimmen beschloss der Nationalrat auf Antrag der Kommission, keine neue Ombudsstelle zu schaffen. Für die Mehrheit wog der (kleine) Nutzen den administrativen Aufwand nicht auf. In der Differenzbereinigung gab der Ständerat in dieser und acht weiteren Fragen nach. Festgehalten wurde unter anderem daran, dass konkursite Unteroffiziere und Offiziere zwingend von der Militärdienstleistung ausgeschlossen werden. Weil bei den letzten drei verbleibenden Differenzen kaum mehr ein materieller Unterschied vorhanden war, konnte der Nationalrat die zwei Bundesbeschlüsse in der Folge bereinigen.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

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