Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

5. Wirtschaft

94.100 Kartellgesetz. Revision
Loi sur les cartels. Révision

Botschaft: 23.11.1994 (BBl 1995 I, 468 / FF 1995 I, 472)

Ausgangslage

Die "Globalisierung der Wirtschaft" führt zu einem wachsenden Standortwettbewerb zwischen den Volkswirtschaften. Die erhöhte Mobilität der Produktionsfaktoren zwingt die Gesetzgeber in allen Ländern, den staatlich beeinflussbaren Rahmenbedingungen für die Wirtschaft unter dem Gesichtspunkt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit stärkere Beachtung zu schenken und dabei insbesondere den Marktkräften mehr Raum zu geben. Diese Entwicklung hat den Bundesrat veranlasst, ein umfassendes Programm zur marktwirtschaftlichen Erneuerung der schweizerischen Wirtschaft zu erarbeiten. Ein erstes Massnahmenpaket beinhaltet auch die Revision des Kartellgesetzes.

Der Gesetzesentwurf sieht im Vergleich zum geltenden Kartellgesetz namentlich folgende Neuerungen vor: Bezüglich Wettbewerbsabreden, die den Charakter harter Kartelle haben (horizontale Preis-, Gebiets- und Mengenabreden), wird die Vermutung eingeführt, dass sie wirksamen Wettbewerb beseitigen und damit grundsätzlich unzulässig sind; die Vermutung ist im Einzelfall widerlegbar. Der Gesetzesentwurf sieht bezüglich marktbeherrschender Unternehmen einen besonderen materiell-rechtlichen Tatbestand mit einem ausführlichen Katalog möglicher Missbräuche vor. Was die präventive Fusionskontrolle betrifft, ist eine Genehmigungspflicht bei hohen Schwellenwerten vorgesehen. Im institutionellen Bereich enthält der Gesetzesentwurf Lösungen, die auf die neuen materiellen Bestimmungen zugeschnitten sind. Wie dies bereits in verschiedenen Bereichen der Verwaltungen des Bundes und der Kantone der Fall ist, werden die Untersuchungs- und Entscheidfunktionen getrennt.

Die Regelungsmuster des Wettbewerbsrechts der Europäischen Union wurden insoweit berücksichtigt, als nicht aus sachlichen Gründen unterschiedliche Lösungen angezeigt erschienen (keine schweizerische Verbotsgesetzgebung, grosszügige Fusionskontrolle).

Verhandlungen

NR 06.-08.06.1995 AB 1995, 1057
SR 20.09.1995 AB 1995, 845
NR 03.10.1995 AB 1995, 2046
SR 04.10.1995 AB 1995, 1013
NR 05.10.1995 AB 1995, 2110
NR / SR 06.10.1995 Schlussabstimmungen (159:14 / 44:0)

Im Nationalrat wurde der Entwurf in der Eintretensdebatte unterschiedlich aufgenommen. Während sich die Sozialdemokraten, die Grünen und die Vertreter des Landesrings für die Revision aussprachen, äusserten sich mehrere, dem Gewerbe nahestehende, bürgerliche Ratsmitglieder skeptisch. Für sie ist das Kartellgesetz zu interventionistisch, weil es dem Staat erlaubt, in den Markt einzugreifen, was letzten Endes der Handels- und Gewerbefreiheit widerspreche. Bundesrat Delamuraz betonte, dass das Gesetz wesentliche Verbesserungen sowohl materieller wie auch institutioneller Art bringe. Es trage durch eine wirkungsvolle Verfolgung der Missbräuche zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Qualität des Wirtschaftsstandortes Schweiz bei. Eintreten wurde ohne Gegenstimme beschlossen.

Der Rat folgte in allen wichtigen Punkten des Kartellgesetzes der Mehrheit seiner Kommission und dem Bundesrat. So beschloss er, harte Kartelle, die den Wettbewerb unterdrücken, zu verbieten und dem Bundesrat die Kompetenz zu übertragen, ausnahmsweise solche Kartelle aus politischen Gründen zuzulassen, wenn überwiegende öffentliche Interessen dafür sprechen. Abreden sind nur erlaubt, wenn sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern. Der Nationalrat gab auch für die präventive Kontrolle von Fusionen grünes Licht. Er beschloss mit 90 gegen 61 Stimmen, dass Unternehmenskonzentrationen der Wettbewerbskommission zur Kenntnis gegeben werden müssen. Darüber hinaus schwächen einige vom Rat beschlossene Bestimmungen die Stellung des Preisüberwachers. In der Gesamtabstimmung wurde das Kartellgesetz mit 116 gegen 22 Stimmen angenommen.

Im Ständerat war das Eintreten unbestritten. Eine Aufweichung des generellen Verbots von harten Kartellen wurde mit 26 gegen 7 Stimmen deutlich abgelehnt. Nur noch wenig zu diskutieren gab im Ständerat die Fusionskontrolle, die vom Nationalrat bereits entschärft worden war. Anstelle der vom Bundesrat vorgeschlagenen Genehmigungspflicht für Fusionen ab einer bestimmten Grösse, gibt es nur eine Meldepflicht. Mit Stichentscheid von Präsident Küchler (C, OW) bestätigte der Ständerat entgegen dem Antrag seiner Kommission einen Entscheid der Grossen Kammer, wonach Fusionen von anerkannt marktbeherrschenden Unternehmen mit kleineren Unternehmen in jedem Fall gemeldet werden müssen. Ansonsten folgte der Rat praktisch durchwegs seiner Kommission.

In der Frage der Stellung des Preisüberwachers blieb am längsten eine Differenz bestehen. Schliesslich einigten sich die beiden Kammern auf einen Kompromiss gemäss dem Verfahren der Wettbewerbskommission den Verfahren des Preisüberwachers grundsätzlich vorgehen; die Wettbewerbskommission und der Preisüberwacher können aber einvernehmlich beschliessen, dass das Verfahren des Preisüberwachers nicht zurückgestellt wird und dieser weiter ermitteln kann.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

 

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