Rückblick auf die 44. Legislaturperiode

5. Wirtschaft

94.101 Bundesgesetz über den Binnenmarkt
Loi sur le marché intérieur

Botschaft: 23.11.1994 (BBl 1995, 1213 / FF 1995 I, 1193)

Ausgangslage

Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt ist Teil der Massnahmen zur marktwirtschaftlichen Erneuerung. Es bezweckt, durch den Abbau öffentlichrechtlicher Wettbewerbshindernisse im kantonalen und kommunalen Recht und durch die Beseitigung von Mobilitätsschranken (bundesweite Anerkennung der kantonalen Fähigkeitsausweise) die Wettbewerbskräfte in der Schweiz zu beleben und damit den Wirtschaftsstandort Schweiz im internationalen Umfeld zu stärken.

Der Entwurf für dieses neuartige Gesetz ist als Grundsatzerlass konzipiert. Er beschränkt sich darauf, die für einen funktionierenden Binnenmarkt elementaren Grundsätze für den freien Zugang zum Markt festzulegen und sieht für die einzelnen Bereiche keine Rechtsharmonisierung vor. Dabei ist er auf das Zusammenwirken von Bund, Kantonen und Gemeinden ausgerichtet: Die interkantonalen Bemühungen um eine eigentliche Harmonisierung der Zulassungsbedingungen im öffentlichen Beschaffungswesen und der Voraussetzungen für die Anerkennung von Ausbildungsgängen für den schweizerischen Binnenmarkt bleiben von erstrangiger Bedeutung.

Der 2. Abschnitt enthält den Grundsatz der Nichtdiskriminierung ortsfremder Anbieter und das auf schweizerische Rechtsverhältnisse umgesetzte Cassis-de-Dijon-Prinzip. Im 3. Abschnitt sind die Aufgaben des Bundes umschrieben, nämlich Konsultations- und Informationspflichten gegenüber den Kantonen sowie die Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit. Der 4. Abschnitt sieht vor, dass die Wettbewerbsbehörden des Bundes über die Einhaltung dieses Gesetzes durch Bund, Kantone und Gemeinden zu wachen haben und dass sie an die Behörden Empfehlungen richten können.

Verhandlungen

NR 08.06.1995 AB 1995, 1143
SR 20./27.28.09.1995 AB 1995, 870, 931
NR 03.10.1995 AB 1995, 2052
NR / SR 06.10.1995 Schlussabstimmungen (174:2 / 44:1)

In der Eintretensdebatte unterstützten einige bürgerliche Ratsmitglieder, angeführt von Stucky (R, ZG), als Verfechter des Föderalismus einen Antrag auf Nichteintreten. Die Konkordate betreffend das öffentliche Beschaffungswesen und die Anerkennung von Fähigkeitszeugnissen genügten nach ihrer Meinung und machen jede Regelung auf Bundesebene überflüssig. Die Vertreter des Gesetzes betonten, dass die zwischen den Kantonen abgeschlossenen Verträge das Gesetz nicht vollständig ersetzen würden; dieses ermögliche, einerseits Einschränkungen des Wettbewerbs im öffentlichen Beschaffungswesen zu eliminieren und andererseits bilde es eine nötige Ergänzung des Kartellgesetzes. Der Nichteintretensantrag wurde mit 116 gegen 22 Stimmen abgelehnt. In der anschliessenden Detailberatung schloss sich der Nationalrat bis auf zwei Ausnahmen der Fassung des Bundesrates an. Die Bestimmung betreffend die Förderung der interkantonalen Zusammenarbeit, die dem Bund in diesem Bereich Kompetenzen zugeschrieben hätte, wurde ohne Diskussion, dem Antrag der Kommission entsprechend, gestrichen. Der Nationalrat nahm mit 65 gegen 60 Stimmen einen Ergänzungsantrag Eymann (L, BS) an, gemäss dem das Sozialdumping bekämpft werden soll. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz mit 99 gegen 21 Stimmen angenommen.

Eintreten war im Ständerat unbestritten. Die nationalrätliche Ergänzung, den freien Marktzugang beim öffentlichen Beschaffungswesen von Kantonen und Gemeinden ausdrücklich von der Einhaltung ortsüblicher Arbeitsbedingungen abhängig zu machen (Antrag Eymann), strich der Ständerat mit 19 gegen 9 Stimmen wieder aus dem Gesetz. Es wurde argumentiert, dass diese lokalprotektionistische Bestimmung einem angestrebten diskriminierungsfreien Binnenmarkt Schweiz entgegensteht. Konkurrenz aus weniger wirtschaftlich entwickelten Regionen - mit demzufolge tieferen Lohnniveau - würde nämlich auf diese Weise schlichtweg abgewürgt.

In der Differenzbereinigung schloss sich der Nationalrat in allen Details dem Ständerat an. Die erwähnte Ergänzung aus der ersten Beratung wurde mit 81 gegen 49 Stimmen wieder zurückgenommen.

Legislaturrückblick 1991-1995 - © Parlamentsdienste Bern

  

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