(sda) Verkehr: Drei Jahre nach dem Ja von Volk und Ständen zu einem Velo-Verfassungsartikel treibt das Parlament die gesetzliche Umsetzung voran. Der Nationalrat will dabei bei den Planungsgrundsätzen weitergehen als der Ständerat. So sollen die Kantone Velowege beispielsweise auch ersetzen müssen, wenn kein "ausgewiesenes öffentliches Interesse" besteht. Zudem sollen Velowegnetze "eine direkte Streckenführung" aufweisen - und nicht wie vom Ständerat vorgeschlagen "eine möglichst direkte". In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage am Donnerstag mit 135 zu 50 Stimmen bei drei Enthaltungen an. Grundsätzliche Kritik gab es nur von der SVP. Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.

Bundesfinanzen: Die Räte haben das Bundesbudget fürs nächste Jahr verabschiedet. Gegenüber dem Entwurf des Bundesrats sieht das Parlament Mehrausgaben von 236 Millionen Franken vor. Am meisten ins Gewicht fällt eine zusätzliche Einlage in den Bahninfrastrukturfonds von 233 Millionen Franken. Damit sollen der Ausbau und der Unterhalt des Bahnnetzes forciert werden. Daneben beschlossen die Räte mehrere Aufstockungen, die betragsmässig und über alles gesehen keine grossen Auswirkungen auf den Finanzhaushalt haben. Teilweise kompensiert werden die Mehrausgaben mit einer Kürzung beim Bundespersonal um 21 Millionen Franken. Es geht insgesamt um rund 125 Stellen, die nicht aufgestockt werden können. Die Vorlage ist definitiv angenommen.

Krankenkassen: Das Parlament möchte es den Kantonen weiterhin ermöglichen, Listen zu führen für Personen, die ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlten. Damit stellt es sich gegen den Bundesrat. Wie im Ständerat war auch die Abstimmung im Nationalrat knapp: Die grosse Kammer stimmte mit 98 zu 92 Stimmen bei zwei Enthaltungen gegen die Abschaffung der Listen säumiger Prämienzahlender. Aktuell gibt es schwarze Listen in den Kantonen Aargau, Luzern, Tessin, Thurgau und Zug. Die Vorlage zur Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht geht mit verschiedenen kleineren Differenzen erneut an den Ständerat.

Kaderlöhne: Der Nationalrat hält daran fest: Die Topkader und Verwaltungsräte bei den sieben grösseren bundesnahen Unternehmen - SBB, Post, Ruag, Skyguide, Suva, SRG und Swisscom - sollen jährlich nicht mehr als eine Million Franken Entgelt beziehen können. Der Rat stimmte mit 151 zu 39 Stimmen erneut dafür. Die FDP und wenige Mitte-Nationalrätinnen und -Nationalräte stimmten dagegen. Im Ständerat war die Vorlage im ersten Anlauf deutlich abgelehnt worden. Die kleine Kammer muss nun noch einmal darüber befinden. Sagt sie zum zweiten Mal Nein, ist das Geschäft erledigt.

Vaterschaftsurlaub: Die Kantone sollen nicht die Kompetenz erhalten, eigene Bestimmungen zum Eltern- und Vaterschaftsurlaub zu erlassen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Jura abgelehnt - mit 104 zu 81 Stimmen -, die eine solche rechtliche Kompetenz forderte. Auf Bundesebene ist der Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen eingeführt worden. So kurz nach der Annahme dieses Vaterschaftsurlaubs sei es nicht angebracht, jetzt schon wieder Änderungen am System vorzunehmen, sagte Diana Gutjahr (SVP/TG) im Namen der vorberatenden Kommission. Die Initiative ist erledigt.

Zoll: Der Nationalrat möchte das Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit mit der EU aktualisieren. Er hat den entsprechenden Bundesbeschluss einstimmig angenommen. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Durch das Abkommen werden Zolldaten, die vor allem im Onlinehandel entstehen, bereits beim Versand aus Drittstaaten übermittelt. Das ermögliche eine effiziente und umfassende Risikoanalyse seitens der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), schrieb der Bundesrat in der Botschaft. Die Wirtschaftskommissionen (WAK) beider Räte waren bereits im November 2020 zur vorläufigen Anwendung des Abkommens konsultiert worden. Es ist bereits seit dem 15. März 2021 in Kraft.

Meteorologie: Der nationale Wetterdienst Meteoschweiz soll das Klumpenrisiko bei seiner IT-Infrastruktur minimieren können. Der Nationalrat hat dafür einstimmig einem Verpflichtungskredit von 34,3 Millionen Franken zugestimmt und eine erste Tranche im Umfang von 16,5 Millionen Franken freigegeben. Mit dem Kredit sollen eine ausfallsichere Rechenleistung aufgebaut und die dazu nötige Transformation der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) finanziert werden. Die Systeme von Meteoschweiz basieren heute auf einem einzigen Rechenzentrum am Flughafen Zürich. Wenn diese Systeme eine länger anhaltende Störung hätten, könnte Meteoschweiz etwa keine Unwetterwarnungen und -prognosen mehr herausgeben. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Coronavirus: Das vom Parlament angepasste Covid-19-Gesetz kann am Samstag in Kraft treten. National- und Ständerat haben der Dringlichkeit zugestimmt. Der Ständerat stimmte einstimmig, der Nationalrat mit 149 zu 37 Stimmen zu. Die Nein-Stimmen kamen aus der SVP. Mit der Änderung werden gewisse Bestimmungen bis Ende 2021 verlängert, die Ende dieses Jahres ausgelaufen wären. Das betrifft etwa die Kurzarbeits-, Härtefall- und Erwerbsersatzleistungsbestimmungen. Zudem muss der Bund die Kosten für gewisse Corona-Tests wieder übernehmen. Am Freitag muss das Gesetz noch die Schlussabstimmung überstehen. Das dürfte aber Formsache sein. Dass es die Verlängerungen braucht, war in den Räten unbestritten.

Bildung: Der Nationalrat will, dass der Bund die politische Bildung in der Berufsschule besser fördert. Er hat einer parlamentarischen Initiative von Nadine Masshardt (SP/BE) mit 97 zu 86 Stimmen bei vier Enthaltungen Folge gegeben. Studien hätten gezeigt, wie wichtig die politische Bildung von Jugendlichen für das Funktionieren der Demokratie sei, sagte Masshardt. Der Nationalrat stimmte entgegen der Empfehlung der vorberatenden Kommission. Die Situation im Staatskundeunterricht auf Sekundarstufe II weise keine Defizite auf, sagte Christian Wasserfallen (FDP/BE). Politische Bildung sei Pflichtstoff. Als nächstes befindet die Ständeratskommission über die parlamentarische Initiative.

Kinderbetreuung: Der Nationalrat hat einer Initiative des Kantons Genf keine Folge gegeben, welche die dauerhafte Beteiligung des Bundes an der Finanzierung von externen Kinderbetreuungsplätzen in der Bundesverfassung verankern wollte. Valérie Piller Carrard (SP/FR) von der vorberatenden Kommission wies darauf hin, dass die Kommission eine nachhaltige Lösung über eine Kommissionsinitiative suchen wolle. Eine Subkommission prüfe seit Sommer 2021 verschiedene Modelle. Eine Verfassungsänderung wird abgelehnt. Der Nationalrat stimmte mit 102 zu 73 Stimmen bei drei Enthaltungen dagegen. Der Ständerat hat die Initiative ebenfalls schon abgelehnt. Sie ist damit vom Tisch.

Kinder- Und Jugendschutz: Der Nationalrat hat sechs Standesinitiativen abgelehnt, die "Killerspielen" einen Riegel schieben wollten. Die Anliegen seien bereits durch andere Gesetzesanpassungen erfüllt worden, begründete die vorberatende Rechtskommission. Der Entscheid fiel stillschweigend. Die Kantone Bern, Tessin und Freiburg verlangten ein generelles Verbot von Spielprogrammen, in denen in denen grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen zum Spielerfolg führen. Der Kanton St. Gallen verlangte neben einem generellen Verbot Massnahmen zur Gewährleistung des Kinder- und Jugendmedienschutzes vor Gewaltspielen und mit einer zweiten Initiative höhere Strafen für die Herstellung von Kinderpornografie und für Gewaltdarstellungen. Der Kanton Zug wollte einen gezielten Kinder- und Jugendmedienschutz.

Medizinprodukte: Hersteller und Importeure von Medizinprodukten sollen nicht die Möglichkeit erhalten, Produkte während einer Übergangsfrist von acht Jahren herstellen und verkaufen zu können, bevor sie einen Antrag für Arzneimittelzulassung beantragen. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion aus dem Ständerat abgelehnt - mit 100 zu 76 Stimmen. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Die Mehrheit der grossen Kammer folgte dem Bundesrat, der die Motion "im Sinne der Patientensicherheit" zur Ablehnung empfohlen hatte. Auch befürchtete er Rechtsunsicherheiten wegen der Abweichung zu EU-Regeln.

Freihandelsabkommen: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg abgelehnt, welche die Referendumsmöglichkeit beim Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten garantieren wollte. Der Bundesrat hat bereits zugesichert, dass dies der Fall sein soll. Es entspreche der neuen Praxis in Bezug auf Standardabkommen. Aus diesem Grund sei das Anliegen bereits erfüllt, sagte Kommissionssprecherin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL). Die Kommission erwarte, dass der Bundesrat an dieser neuen Praxis festhalte. Das Geschäft ist erledigt.

Kriegsmaterial: Der Nationalrat lehnt es ab, das Kriegsmaterialgesetz so zu ändern, dass die indirekte Finanzierung von verbotenem Kriegsmaterial ausdrücklich untersagt ist. Er hat einer parlamentarischen Initiative von Priska Seiler Graf (SP/ZH) mit 103 zu 84 Stimmen keine Folge gegeben. Seiler Graf betonte, dass es nur um das Verbot von völkerrechtlich verbotenen Kriegswaffen wie atomaren, biologischen oder chemischen Waffen, Antipersonenminen und Streumunition gehe. Da gebe es im Gesetz ein Schlupfloch bei den passiv verwalteten Anlagefonds. Der Nationalrat will das Gesetz aber nicht antasten. Die parlamentarische Initiative ist vom Tisch.

Terrorismus I: Der Nationalrat will das erst im Juni 2021 vom Volk angenommene Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) nicht bereits wieder ändern. Die Grüne Fraktion verlangte, dass die darin enthaltene Terrorismusdefinition überarbeitet und ausdrücklich die Androhung von Gewalt aufgenommen wird. Mit der aktuellen Definition könnten auch politische Aktivistinnen und Aktivisten oder gar Medienschaffende in den Fokus der Polizei gelangen. Der Rat will das PMT aber nicht antasten, da es noch nicht in Kraft ist, sagte Jacqueline de Quattro (FDP/VD) im Namen der vorberatenden Kommission. Zunächst sollten die ersten Erfahrungen gemacht werden. Die Initiative ist erledigt.

Terrorismus II: Der Nationalrat will die Organisationen Islamischer Zentralrat Schweiz (IZRS) und die Association des Savants Musulmans (ASM) nicht in die im Gesetz verankerten Liste der verbotenen Gruppierungen aufnehmen. Er hat einer parlamentarischen Initiative von Piero Marchesi (SVP/TI) mit 128 zu 54 Stimmen bei drei Enthaltungen keine Folge gegeben. Die Mehrheit des Rats bezweifelte die Wirkung der Massnahme. Da es sich beim IZRS und bei der ASM um Vereine handle, würden sie bei deren Verbot nicht zwingend ihre Tätigkeit einstellen, sondern sie könnten unter anderen Namen fortbestehen, sagte Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) im Namen der vorberatenden Kommission. Die Initiative ist vom Tisch.

Verkehr: Der Nationalrat will innerorts kein schweizweit gültiges, generelles Tempo-30-Limit. Er hat eine parlamentarische Initiative von Gabriela Suter (SP/AG) mit 105 zu 79 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Die Initiative greife zu weit in die Kompetenzen der Gemeinden und Kantone ein. Diese könnten das Tempolimit schon heute beschränken, sagte Kurt Fluri (FDP/SO). Es gebe zudem bereits eine Motion, die fordere, dass die Umsetzung für Gemeinden und Kantone einfacher werde. Die Initiative ist erledigt.

Umwelt: Der Nationalrat lehnt es ab, die Zulassung von Autos mit fossilen Energieträgern ab 2023 zu verbieten. Er hat eine parlamentarische Initiative von Grünen-Präsident Balthasar Glättli (ZH) mit 115 zu 67 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Die Mehrheit des Rates befand, dass dies ein zu starker Eingriff in die Freiheiten der Bevölkerung darstelle. Auch sei es nicht möglich, bis 2023 nur noch klimafreundliche Autos zuzulassen, da es ansonsten zu wenig Fahrzeuge gebe, sagte Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) im Namen der vorberatenden Kommission. Das würde den Markt verknappen und den Preis für Fahrzeuge erhöhen, das sei unsozial. Die Initiative ist erledigt.

Die Traktanden des Nationalrats für Freitag, 17. Dezember (08:00 bis 11:00):

Bern Petitionen
Nicht bekämpfte Vorstösse gemäss beschleunigtem Verfahren
Schlussabstimmungen