An ihrer Sitzung vom 29.-31. Januar 2003 hat die WAK-S die Revision des Kartellgesetzes (01.071) behandelt. Im Bereich der Parallelimporte folgt die WAK der bundesrätlichen Strategie: Der Missbrauch von Immaterialgüterrechten soll verhindert werden, ohne allerdings deren Gehalt zu schwächen. Die Verwaltung wird beauftragt, für die nächste Sitzung eine Formulierung zur Doppelschutzproblematik zu erarbeiten. Bei den direkten Sanktionen und der Bonusregel folgt die WAK dem Bundesrat und dem Nationalrat.An ihrer Sitzung hat die WAK-S auch das Steuerpaket (01.021) behandelt, das sich im Differenzbereinigungsverfahren befindet. Dabei bereinigte sie den Teil "Stempelsteuer" und beharrte generell auf ihrer Position in den Bereichen "Ehe- und Familienbesteuerung" sowie "Wohneigentumsbesteuerung". Angesichts der schlimmen Finanzlage des Bundes, beantragt die Mehrheit das Verschieben des Inkrafttretens auf den 1. Januar 2006.

KartellgesetzEintreten

Für die Kommission, welche einstimmig auf die Vorlage eintrat, ist das Kartellgesetz ein bedeutendes Element für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, was für den Wohlstand des Landes ausschlaggebend ist. Gerade für die Schweiz, welche nur beschränkt von den Wettbewerb stimulierenden Vorteilen des europäischen Binnenmarktes profitieren kann, ist ein griffiges Wettbewerbsrecht notwendig. Die laufende Revision soll sicherstellen, dass das generell moderne Kartellgesetz von 1995 dank griffigen Sanktionen Wirkung entfaltet kann.

Einzelne Bestimmungen

Zweckartikel (Art. 1): Während der Bundesart keine Änderung des Zweckartikels beantragte, ergänzte ihn der Nationalrat und betonte besonders die Problematik vertikaler Absprachen.

Für die WAK-S ist die Problematik der Vertikalabreden bei den konkreten Artikeln zu lösen und bedarf keiner speziellen Betonung im Zweckartikel. Folglich wird der nationalrätliche Zusatz zur Ablehnung empfohlen.

Missbräuchliche Nutzung von Immaterialgüterrechten (Art. 3 Abs. 2 KG): Der Bundesrat hatte in seiner Botschaft keine Änderung beantragt. Im Nationalrat dominierte Fragen zur Preisinsel Schweiz die Diskussion und wie mit Hilfe des Wettbewerbsrechts bzw. von Parallelimporten patentrechtlich geschützter Güter Einfluss auf die Preise genommen werden kann. Während der Nationalrat eine Modifikation des Patentgesetzes hin zu einer internationalen Erschöpfung verwarf, übernahm er den Kodak-Entscheid des Bundesgerichts und ging in zwei Bereichen weiter als dieser: Erstens wurde die Bestimmung auf alle Immaterialgüter ausgedehnt. Zweitens soll der Missbrauchstatbestand nicht davon abhängig sein, dass im betroffenen Land ähnliche Bedingungen der Inverkehrsetzung vorherrschen, da eine solche Bestimmung dem Diskriminierungsverbot der WTO widersprechen würde.

Im November - d.h. nach der Beratung des Nationalrats - verabschiedete der Bundesrat einen Bericht zur Problematik der Parallelimporte im Patentrecht, in dem die internationale und regionale Erschöpfung aus juristischen und politischen Gründen verworfen wird. Stattdessen will der Bundesrat den Missbrauch von Immaterialgüterrechten auf zwei Fronten verhindern: Erstens durch die vom Nationalrat vorgeschlagene Missbrauchsbestimmung in Art. 3 Abs. 2 KG und zweitens durch eine Bestimmung zur Verhinderung des Doppel- oder Mehrfachschutzes im Patentgesetzes.

Die WAK-S folgt der Linie des Bundesrates: Sie schlägt einerseits eine sprachliche Klärung von Art. 3 Abs. 2 KG vor. Dabei übernimmt sie die Interpretation des Bundesrates in seinem Bericht zu den Parallelimporten. Mit der neuen Bestimmung wird der Kodak-Entscheid modifiziert übernommen und damit rechtstechnisch Transparenz geschaffen - die internationale Erschöpfung kann über eine Interpretation von Art. 3 Abs. 2 KG nicht eingeführt werden. Zweitens beauftragt die WAK die Verwaltung, für die Frage des Doppelschutzes für die kommende Kommissionssitzung eine Formulierung zu erarbeiten, womit die Doppelschutzproblematik noch in der laufenden KG-Revision behandelt werden könnte.

Definition der marktbeherrschenden Stellung (Art. 4 Abs. 2 KG): Der Bundesrat klärte die Bestimmung des marktbeherrschenden Unternehmens, indem bei einem marktbeherrschenden Unternehmen auch die Beziehung zu anderen Marktteilnehmern umfasst wird. Der Nationalrat hat die Bestimmung ausgeweitet, ergänzt und explizit auf die Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern hingewiesen.

Für die Mehrheit der WAK-S ist der nationalrätliche Zusatz unklar. Zentrales Unterscheidungsmerkmal soll weiterhin die beherrschende Stellung eines Unternehmens auf dem Markt sein und nicht das Verhältnis zwischen Unternehmen und seinen Anbietern oder Nachfragern. So sollen marktbeherrschende Unternehmen verpflichtet werden, ihre Geschäftsbeziehungen erst nach einer Anpassungsfrist zu ändern. Anders Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Unternehmen, die keine Marktmacht besitzen: Hier handelt es sich um unternehmerische Klumpenrisiken, die nicht geschützt werden sollen. Als Folge beantragt die Mehrheit der WAK-S, den nationalrätlichen Zusatz zu streichen. Für eine Minderheit ist der Zusatz notwendig, um die oft kleinen Zulieferbetriebe vor der dominierenden Stellung ihrer Abnehmer zu schützen - das sei ein wichtiges Element der KMU-Politik.

Vertikale Abreden (Art. 5 Abs. 4 KG): Der Nationalrat schlug einen neuen Vermutungstatbestand gegen vertikale Abreden vor, beauftragte aber den Ständerat, eine bessere Formulierung zu finden.

Die WAK-S erachtet eine Regelung als notwendig. Ein Vermutungstatbestand soll für Abreden in zwei Bereichen vorgesehen werden: So sollen erstens das Festsetzen von Mindest- oder Festpreisen und zweitens Abreden, welche zu einer Marktabschottung führen, untersagt werden. Letzteres bedeutet, dass es Konsumenten und Händler erlaubt sein soll, im Ausland günstigere Güter einzukaufen und diese in der Schweiz zu verwenden oder weiter zu verkaufen. Auf Heilmittel wird das Heilmittelgesetz als Spezialgesetz anwendbar bleiben.

Direkte Sanktionen (Art. 49a Abs. 1): Für den Bundesrat und Nationalrat erwies sich die fehlende Möglichkeit, direkte Sanktionen zu erlassen, als zentraler Nachteil des bestehenden KG. Die Wettbewerbskommission kann zwar heute Bussen gegen kartellrechtliche Verstösse verhängen - aber erst im Wiederholungsfall. Der Bundesrat schlug deshalb vor, direkte Sanktionen zu ermöglichen (maximal 10% des in der Schweiz in den letzten drei Jahren erzielten Umsatzes). Dauer und Schwere des unzulässigen Verhaltens werden bei der Sanktionsbemessung berücksichtigt. Um Rechtssicherheit zu gewähren, soll ein Unternehmen die Möglichkeit haben, sein Verhalten - bevor es Wirkung entfaltet - bei der Wettbewerbskommission zur Prüfung zu melden und entgeht damit allfälligen Sanktionen.

Die WAK-S beantragt nach eingehender Diskussion, dem Bundesrat und dem Nationalrat zu folgen. Für die Kommission ist der Sanktionsrahmen so weit zu fassen, dass Sanktionen abschreckend wirken.

Bonusregel (Art. 49a Abs. 2, 3): Der Bundesrat - gefolgt vom Nationalrat - schlug eine Bonusregel vor, die es der Wettbewerbskommission erlauben soll, gegenüber einem Unternehmen, das als Kartellmitglied an der Aufdeckung und Beseitigung des betreffenden Kartells mitwirkt, auf direkte Sanktionen ganz oder teilweise zu verzichten. Damit entsteht für austrittswillige Kartellmitglieder ein Anreiz zur Meldung des Kartells und wird die gegenseitige Loyalität und Solidarität der Kartellmitglieder geschwächt. Gegenseitiges Misstrauen und ein "Wettbewerb um den Kooperationsbonus" erschweren den Aufbau oder die Aufrechterhaltung harter Kartelle und leisten so einen präventiven Beitrag zur Kartellbekämpfung.

Für die WAK-S ist die Bonusregel ein notwendiges Muss. Die Erfahrungen im Ausland haben gezeigt, dass direkte Sanktionen und Bonusregelung ein Zwillingspaar sind, das sich gegenseitig verstärkt und so die Prävention massgeblich erhöht. Ziel sind nicht möglichst viele und hohe Bussen, sondern eine möglichst hohe Abschreckungswirkung. Angesichts der oft volkswirtschaftlich schädlichen Abreden, kommt dem Schutz von ‚Treu und Glauben’ der Mitglieder von Kartellen eine untergeordnete Bedeutung zu. Schliesslich handelt es sich für die Kommission auch nicht um ein für unsere Rechtstradition total neues Instrument; so gibt es etwa im Strafrecht die tätige Reue.

Anhörung

Die Kommission hörte die Professoren Damian Neven (Wirtschaftsprofessor am Institut des hautes études der Universität Genf) und Carl Baudenbacher (Rechtsprofessor an der Universität St. Gallen und Präsident des EFTA-Gerichtshofs in Luxemburg) an.

Steuerpaket

Ehe- und Familiensteuer: Divergenzen bestehen namentlich im Bereich der Abzüge, welche der Nationalrat bedeutend höher wünscht. Die WAK-S schlägt vor, beim Kinderbetreuungsabzug dem Nationalrat zu folgen (Kosten: 40 Mio. Franken); bei den anderen Abzügen will die Kommissionsmehrheit an der ständerätlichen Lösung festhalten, während eine Minderheit dem Nationalrat folgen will.

Wohneigentumsbesteuerung: Während der Ständerat im Oktober 2002 beschlossen hatte, bei der Besteuerung des Wohneigentums lediglich eine Verbesserung des geltenden Systems vorzunehmen (Senkung des Eigenmietwerts auf 60% des Marktmietswerts und Einführung einer Klausel für Härtefälle), hielt der Nationalrat in der vergangenen Wintersession mit 106 zu 75 Stimmen an seinem Beschluss fest, bei der Besteuerung des Wohneigentums einen Systemwechsel einzuführen (Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung und des Abzugs der Schuldzinsen).

Die WAK-S beantragt mit 10 zu 2 Stimmen, am Beschluss des Ständerates festzuhalten. Abgesehen davon, dass ein Systemwechsel nach Ansicht der Kommission in sich bereits Mängel aufweist (insbesondere für die Tourismuskantone), vertritt sie namentlich die Auffassung, dass allein schon wegen der Finanzlage des Bundes am gegenwärtigen System festzuhalten sei. Die Kommission bezweifelt, dass der Nationalrat bereit wäre, die mit seinem Vorschlag verbundenen Steuerausfälle (430 Mio. Fr.) im erforderlichen Ausmass zu reduzieren. Der Vorschlag des Ständerates hat lediglich Steuerausfälle in der Grössenordnung von 135 Millionen Franken zur Folge.

Was das Bausparen betrifft, so beantragt die Kommission ebenfalls, an der früher beschlossenen und vom Bundesrat befürworteten Variante festzuhalten (Bausparen im Rahmen der Säule 3a / Steuerausfälle: 25 Mio. Fr.) und den Vorschlag des Nationalrats (Bausparmodell in Anlehnung an das Modell des Kantons Basel-Landschaft / Steuerausfälle: 50 Mio. Fr.) abzulehnen.

Stempelsteuer: Die verbleibenden sprachlichen Divergenzen wurden bereinigt, indem beantragt wird, den Beschlüssen des Nationalrates zu folgen.

Inkraftsetzen und Verknüpfung der drei Vorlagen: Bei der Verknüpfung und beim Inkrafttreten der Vorlagen "Stempelsteuer" und "Ehe- und Familiensteuer" besteht keine Divergenz mehr zwischen den beiden Räten. Eine Änderung in diesen Bereichen bedarf eines von beiden vorberatenden Kommissionen unterstützten Rückkommensantrags. Angesichts der düsteren Lage der Bundesfinanzen, beschloss der Bundesrat am 30. Januar 2003, der WAK-S einen solchen Antrag zu stellen: Namentlich das Inkrafttreten des Bereichs "Ehe- und Familiensteuer" soll verschoben werden, bis es der Haushalt (Schuldenbremse) erlaubt.

Die Kommission ist bestürtzt über die Bundesfinanzlage. Allerdings wird das trotz Entlastungsprogramm weiterhin vorgesehene Ausgabenwachstum dazu führen, dass mit dem bundesrätlichen Vorschlag ein Inkrafttreten der Steuerreform auf unbestimmte Zeit verschoben würde. Dem will die Kommission nicht zustimmen: Die Familien sind zu entlasten und die vom Bundesgericht gerügte Benachteiligung der Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren endlich aufzuheben. Die Kommission fordert deshalb ein konkretes Datum für das Inkrafttreten, wobei den Bundesfinanzen ein Zeitfenster für eine Sanierung eröffnet werden soll. Für die Kommissionsmehrheit (5:5 mit Stichentscheid des Präsidenten), soll dieses Zeitfenster bis längstens zum 1. Januar 2006, für die Kommissionsminderheit bis zum 1. Januar 2005 dauern.

Die Kommission tagte vom 29.-31. Januar in Bern unter dem Vorsitz von Ständerat Fritz Schiesser (GL) und im teilweisen Beisein der Bundesräte Deiss und Villiger.

Bern, 31.01.2003    Parlamentsdienste