Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) beantragt, einer Standesinitiative des Kantons Thurgau, welche die Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts relativieren möchte, keine Folge zu geben.

Die WBK-S hat sich mit zwei Geschäften zum Themenkomplex Integration und Sprachförderung auseinandergesetzt; zum einen mit der Standesinitiative 19.303 s Integrationskosten des Kantons Thurgau, zum anderen mit der Motion 18.3834 n Mo. Nationalrat (Eymann). Frühe Sprachförderung vor dem Kindergarteneintritt als Voraussetzung für einen Sek-II-Abschluss und als Integrationsmassnahme. Ziel der Standesinitiative ist es, den Kantonen die Möglichkeit zu bieten, die Kosten, die Fremdsprachige durch mangelnde Integrationsbemühungen verursachen (Übersetzungskosten bei Elterngesprächen, Zusatzunterricht in der Schulsprache), den Verursachern aufzuerlegen. Mit der Motion hingegen soll der Bundesrat beauftragt werden zu prüfen und zu berichten, wie die frühe Sprachförderung vor Eintritt in den Kindergarten mithilfe des Bundes schweizweit umgesetzt werden kann.

Die Kommission hat eine erste Auslegeordnung vorgenommen und die Vertreter des Kantons Thurgau angehört. Zur Erreichung des Ziels, Fremdsprachigen Anreize fürs Erlernen der Ortssprache zu schaffen, soll mit der Standesinitiative die Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts auf Verfassungsstufe relativiert werden. Der Kommission ist es ein Anliegen, die Chancengerechtigkeit der Kinder bei Schuleintritt zu fördern und misst dabei der Sprachförderung eine grosse Bedeutung zu. Die Unentgeltlichkeit des Volksschulunterrichts erachtet sie allerdings als hohes Gut und lehnt eine Verfassungsänderung entschieden ab. Zudem hält es die Kommission für wenig opportun, mittels eines Systems der Kostenandrohung im Bildungsbereich auf die Integrationsbemühungen Fremdsprachiger abzuzielen. Sie bezweifelt überdies, dass sich Sanktionsandrohungen der Eltern positiv auf den Lernerfolg der Kinder auswirken. Integrationsfragen seien allerdings im Ausländer- und Integrationsrecht zu regeln; die Kommission verweist dabei auf die in den vergangenen Jahren erfolgten Änderungen in diesem Bereich. Sie beantragt deshalb mit 10 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen ihrem Rat, der Initiative keine Folge zu geben.

Hingegen zeigt sich die Kommission offen für eine Prüfung des Förderprinzips nach dem von der Motion 18.3834 vorgeschlagenen Modell. Sie beantragt deshalb mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung die Motion zur Annahme. Eine Minderheit lehnt die Motion ab. Die Kommission hat zudem beschlossen, in den kommenden Monaten die Frage der Sprachförderung im Vorschulalter im Austausch mit der EDK vertiefter anschauen.

Motionen zum Thema Digitalisierung

Die WBK-S hat sich erstmals offiziell mit der Staatssekretärin für Bildung, Martina Hirayama, getroffen. Gegenstand des Gesprächs waren die Prioritäten des Staatssekretariats und der Stand der Vorbereitungen zur BFI-Botschaft 2021–2024.

Die Kommission hat zufrieden zur Kenntnis genommen, dass die Digitalisierung eine zentrale Rolle in den verschiedenen Bildungsbereichen einnimmt. Die neue Botschaft sieht ausdrücklich Impulsmassnahmen zur Verbreitung innovativer Digitalisierungsprojekte im Bildungsbereich vor. Die WBK-S erachtet die Motion 19.3009 deshalb für hinfällig und beantragt einstimmig deren Ablehnung.

Die Kommission hat sich ferner mit dem Nutzen der Lancierung eines Digitalisierungs-Impulsprogramms für eidgenössische und kantonale Universitäten, Fachhochschulen, Berufsbildung und Weiterbildung befasst (Motion 19.3010). Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen und der ETH-Rat haben dem digitalen Wandel in ihren Planungen für den Zeitraum 2021 bis 2024 bereits grossen Platz eingeräumt und entsprechende Massnahmen und Reformen in den verschiedenen Bildungs- und Forschungsbereichen vorgesehen. Vor diesem Hintergrund teilt die Kommission die Ansicht des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme zur Motion schreibt, dass «eine kohärente Weiterführung der Aktivitäten im Rahmen der BFI-Botschaft 2021–2024 geboten» ist und eine separate Botschaft «der strategischen, materiellen und finanziellen Kohärenz abträglich» wäre. Die Kommission beantragt deshalb einstimmig, die Motion 19.3010 abzulehnen.

Förderung des Austauschs zwischen den Sprachgemeinschaften

Die Kommission hat einstimmig beschlossen, die Motion 17.3306 n Mo. Nationalrat (Marchand-Balet). Erwerb einer zweiten Landessprache. Kredit für die Förderung des Austauschs zwischen den Sprachgemeinschaften zur Ablehnung zu empfehlen. Mit der Motion sollte der Bundesrat beauftragt werden, innerhalb des Gesamtkredits der Kulturbotschaft 2016-2020 den Kredit zur Umsetzung des Austauschs zwischen den Sprachgemeinschaften im Rahmen des schweizerischen Bildungssystems zu erhöhen.

Die Kommission hatte sich im Frühling die aktuellen Aktivitäten des Bundes im Bereich des Sprachaustauschs an der Volksschule und auf der Sekundarstufe II innerhalb der Schweiz präsentieren lassen. An diese Diskussionen knüpfte die Kommission an. Sie nahm zur Kenntnis, dass der Bundesrat für die Jahre 2021-2024 eine Erhöhung der Mittel um 10 Millionen Franken vorsieht, die es im Rahmen der Kulturbotschaft zu beschliessen gäbe. Mit diesen zusätzlichen Mitteln sollen insbesondere die Austausche von Schülern und Lehrpersonen verstärkt unterstützt sowie die Mobilität der Lehrlinge zusätzlich gefördert werden. Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass das Anliegen für die Periode der kommenden Kulturbotschaft aufgenommen worden und im Rahmen der Beratungen der Kulturbotschaft zu beschliessen sei; für die Periode der nun auslaufenden Kulturbotschaft komme die Motion nun zu spät.

16.3830 n Mo. Nationalrat (Page). Anerkennung und Berufsbildung für Personen, die sich um Betagte und Menschen mit Behinderungen kümmern

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates hat die vom Nationalrat angenommene Motion 16.3830 («Anerkennung und Berufsbildung für Personen, die sich um Betagte und Menschen mit Behinderungen kümmern») vorberaten. Die Motion beauftragt den Bundesrat, die nötigen Massnahmen zu treffen, damit Personen ohne anerkannte Ausbildung, die für Betagte und Menschen mit Behinderungen arbeiten, einerseits berufsbegleitende Ausbildungen absolvieren können und ihre beruflichen Kompetenzen andererseits anerkannt und gerecht entlöhnt werden.

Die Kommission hat eingehend über das Motionsanliegen diskutiert, das verschiedene Sachbereiche und Verantwortlichkeiten betrifft. Sie ist sich darüber einig, dass die genannte Tätigkeit für die betroffenen Personen und ihre Angehörigen von grosser Bedeutung ist. Sie hat mit 7 zu 6 Stimmen beschlossen, ihrem Rat die Annahme der Motion zu beantragen. Damit will sie ihre Anerkennung und Unterstützung für diese Tätigkeit ausdrücken, die mit der Überalterung der Bevölkerung immer wichtiger wird.

Die Kommissionsminderheit beantragt die Ablehnung der Motion, da das Bildungssystem in ihren Augen bereits die Möglichkeit bietet, sich in der Pflege und Betreuung informell erworbene Kompetenzen und Erfahrungen anerkennen zu lassen. Personen, die in diesen Bereichen tätig seien, könnten eine verkürzte berufliche Grundbildung absolvieren und/oder ein Gesuch um Anerkennung ihrer Praktika, Kurse oder Prüfungen stellen.

Diskussion zur sozialen Selektivität und Chancengerechtigkeit

Die Kommission hat die Diskussionen rund um die Fragen der sozialen Selektivität und zur Chancengerechtigkeit sowie zur Armutsprävention weitergeführt (vgl. etwa Medienmitteilung der WBK-S vom 22. Januar 2019). Dabei hat sie beschlossen, zwei Vorstösse einzureichen: 19.3953 Mo. WBK-S: Regelmässiges Monitoring der Armutssituation in der Schweiz (10 zu 0 bei 2 Enthaltungen) sowie 19.3954 Po. WBK-S: Weiterführung der strategischen Aufgabe der Armutsprävention (11 zu 0 bei 1 Enthaltung). Weiter hat sie beschlossen, einen Brief an die EDK zu richten mit der Bitte zu prüfen, ob für den nächsten und die darauffolgenden Bildungsberichte (2022 und weitere) die Kapitel zur Chancengerechtigkeit auszubauen und die Relation zwischen Bildungserfolg und Lohn respektive Lebenszufriedenheit vertieft zu analysieren wären.

19.3003 n Mo. Nationalrat (WBK-NR). Stopp dem Schreddern lebender Küken

Die WBK-S hat die von ihrer Schwesterkommission eingereichte Motion 19.3003 beraten und empfiehlt sie ihrem Rat einstimmig zur Annahme. Mit der Kommissionsmotion wird der Bundesrat aufgefordert, durch eine Änderung von Art. 178a Abs. 3 der Tierschutzverordnung (TSchV, SR 455.1) das Schreddern von lebenden Küken zu verbieten. Dieses Verfahren werde zwar bereits heute nur noch bei einem äusserst kleinen Teil der männlichen Küken angewendet. Nichtsdestotrotz sei ein explizites Verbot in der Verordnung sinnvoll, um den Fokus auf eine alternative Methode und auf die frühzeitige Geschlechtsbestimmung bereits im Ei zu legen.

Die Kommission hat am 4. und 5. Juli 2019 unter dem Vorsitz von Ständerat Ruedi Noser (FDP, ZH) in Bern getagt.