Die Kommission widmete der Revision des Heilmittelgesetzes (12.080 n) mehr als 46 Stunden Beratungszeit, verteilt über mehr als ein Jahr. Nachdem sie an zwei Sitzungen die betroffenen Kreise angehört hatte, trat sie ohne Gegenstimme auf den Entwurf des Bundesrates ein. Sie unterstützt die grundlegenden Ziele der Revision, nämlich den verbesserten Zugang der Bevölkerung zu Arzneimitteln sowie bessere Rahmenbedingungen für die biomedizinische Forschung und Industrie. Insbesondere sollen eine grössere Vielfalt an kindergerechten Arzneimitteln verfügbar gemacht, der Marktzugang für Komplementär- und Phytoarzneimittel erleichtert und die Selbstmedikation neu geregelt werden.
In der Detailberatung prüfte die Kommission gut 130 Anträge und liess insbesondere zur Frage der geldwerten Vorteile vertiefte Abklärungen treffen. Sie stellt namentlich zu folgenden, intensiv diskutierten Punkten der Revision Anträge, die vom Entwurf des Bundesrates abweichen:
- Betriebe mit einer Herstellungsbewilligung von Swissmedic sollen kleine Mengen von Komplementärarzneimitteln, für die es keine zugelassene Alternative gibt, zulassungsfrei produzieren und über Apotheken und Drogerien verkaufen können. Nach eingehenden Diskussionen einigte sich die Kommission auf diesen Kompromiss (Art. 9).
- Die Kommission will Forschungen und Innovationen an Präparaten mit abgelaufenem Unterlagenschutz fördern. Sie schlägt vor, dass alle Firmen – und nicht nur der Inhaber der Zulassung des Originalpräparats – einen zusätzlichen innovationsbezogenen Unterlagenschutz beantragen können. Diese zusätzliche Schutzdauer soll bis zu zehn Jahre betragen (Art. 11b).
- Um die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten zu fördern, sollen die Pharmaunternehmen für „orphan drugs“ während zehn Jahren die Marktexklusivität erhalten (Art. 12a). Während dieser Frist dürfte für die gleiche therapeutische Indikation kein anderes Arzneimittel zugelassen werden, ausser es sei nachweislich sicherer oder wirksamer. „Orphan drugs“ für Kinder sollten bis zu zwölf Jahre Marktexklusivität geniessen.
- Swissmedic soll zusätzliche Kategorien von Arzneimitteln für die ganze Schweiz vereinfacht zulassen (Art. 14): Arzneimittel, die im EU- und EFTA-Raum seit zehn Jahren zugelassen sind („well-established-use“); nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Indikationsangabe, die seit mindestens 30 Jahren (davon 15 Jahre im EU- und EFTA-Raum) medizinisch verwendet werden („traditional-use“); sowie Arzneimittel, die seit mindestens 15 Jahren in einem Kanton zugelassen sind (betrifft vor allem Naturheilmittel aus AR).
- Die Kommission will den Apothekern mehr Kompetenzen geben als der Bundesrat und die Wahlfreiheit der Patienten stärken. Apotheker sollen bei bestimmten Indikationen selbstständig verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben können (Art. 24). Zudem soll die Ärztin bei jeder Verschreibung ein Rezept ausstellen, so dass der Patient frei ist, das Medikament dort zu beziehen, wo er will (Art. 26).
- Strikter reguliert werden soll der Versandhandel mit Arzneimitteln. Vorausgesetzt wird, dass für das betreffende Arzneimittel vor der Bestellung ein ärztliches Rezept vorliegt, das die Patientin mit der Bestellung einreichen muss. Zudem soll künftig Swissmedic, und nicht mehr die Kantone, das Führen einer Versandapotheke bewilligen (Art. 27).
- Der Bundesrat soll die Kompetenz erhalten, Massnahmen in der Tierhaltung und Veterinärmedizin zu treffen, um Antibiotikaresistenzen zu verringern (Art. 42a). Neu soll zudem ein Informationssystem geschaffen werden, das es ermöglicht, den Antibiotikaverbrauch in der Veterinärmedizin bis auf die Stufe der einzelnen Betriebe und Tierärzte zu überwachen (Art. 63a). Nachdem die Kommission das Informationssystem an der letzten Sitzung noch knapp abgelehnt hatte, stimmte sie ihm jetzt zu.
- Dem Problem, dass Leistungserbringer veranlasst werden können, ihren persönlichen Gewinn über das Patienteninteresse zu stellen, will die Kommission anders begegnen als der Bundesrat. Einerseits soll das Verbot nicht gebührender Vorteile alle Heilmittel (also auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte) erfassen. Anderseits will die Kommission die Ausnahmen vom Vorteilsverbot anders regeln. Zulässig sein sollen geringfügige, sozial übliche Vorteile, Unterstützungsbeiträge für Forschung, Weiter- und Fortbildung sowie handelsübliche Abgeltungen bei Bestellungen und Lieferungen von Heilmitteln, sofern sie in den Geschäftsunterlagen ausgewiesen werden (Art. 57a-57c).
- Der Bundesrat soll, wenn einmal international anerkannte Regelungen vorliegen, Bestimmungen über die Publikation von Ergebnissen klinischer Versuche erlassen können, die im Zusammenhang mit der Zulassung von Humanarzneimitteln von Bedeutung sind (Art. 67b).
- Künftig soll eine von der Pharmabranche, den Ärztinnen und Apothekern getragene Stiftung dafür sorgen, dass die Arzneimittelinformationen elektronisch zugänglich sind (Art. 67). Swissmedic soll auf diesem Gebiet, anders als vom Bundesrat vorgeschlagen, keine permanenten Aufgaben erhalten.
- Die Kommission will im Gesetz verankern, dass die Mitglieder des Institutsrates von Swissmedic ihre Interessenbindungen offenlegen müssen (Art. 71a). Zudem soll Swissmedic verpflichtet werden, Regeln zu erlassen, welche die Unabhängigkeit der beauftragten Experten sicherstellen (Art. 72a).
- Die Kommission will mit einer neuen Strafbestimmung (in Art. 86) der Fälschung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten entgegenwirken. Eine strengere Strafandrohung sieht sie auch für bandenmässige Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz vor.
Im Hinblick auf die Beratung im Nationalrat, die am 7. Mai 2014 vorgesehen ist, wurden 23 Minderheitsanträge eingereicht.
Die Kommission tagte am 10./11. April 2014 in Bern unter dem Vorsitz von Guy Parmelin (SVP, VD) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset (über die anderen an der Sitzung behandelten Geschäfte wird mit einer separaten Medienmitteilung informiert).
Bern, 11. April 2014 Parlamentsdienste