Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates tagte für Ihre Sitzung vom 22./23. November am Hauptsitz des Internationale Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf. Die Kommission nutzte diese Sitzung beim IKRK, um sich mit dessen Präsidenten Peter Maurer über den humanitären IKRK-Einsatz in Afghanistan auszutauschen. Ferner rückte die Europapolitik abermals in den Fokus der Kommission.

Vergangene Woche traf sich Aussenminister Ignazio Cassis zum ersten Mal seit dem Abbruch der Verhandlungen zum Institutionellen Rahmenabkommen durch den Bundesrat mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic. Angesichts der Wichtigkeit dieses Treffens und den anschliessenden widersprüchlichen medialen Darstellungen war es für die APK-N zentral, sich intensiv mit den Beziehungen Schweiz-EU zu beschäftigen und mit Bundesrat Ignazio Cassis einen Austausch zur aktuellen Situation sowie zu den Zukunftsperspektiven im Verhältnis zur EU zu führen. Dabei fokussiert sich die Kommission insbesondere auf die blockierte Situation bei den Kooperationsabkommen Horizon Europe und Erasmus+ sowie auf die Strategie bezüglich des weiteren Vorgehens.

Im Januar 2022 soll in einem nächsten politischen Gespräch zwischen dem Bundesrat und der Europäischen Kommission das weitere Vorgehen zur Wiedererlangung von geregelten Beziehungen geklärt werden. Im Hinblick auf dieses Treffen will die Kommission einen Anstoss zur Deblockierung der Europapolitik leisten indem sie dem Bundesrat zusätzliche Verhandlungsmasse für ein positives politisches Signal bereitstellt. Zu diesem Zweck hat die Kommission mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung entschieden, in der Wintersession bei der Behandlung des Voranschlags 2022 (21.041) einen Antrag einzureichen, bei dessen Annahme der Rahmenkredit für den Schweizer Kohäsionsbeitrag um rund 953 Millionen Franken erhöht würde. Die Erhöhung will die Kommission an die Bedingung knüpfen, dass die Assoziierungsvereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU zur Teilnahme an den laufenden EU-Programmen Horizon Europe, Digital Europe, ITER, Euratom und Erasmus+ bis zum 30. Juni 2022 unterzeichnet werden können.

Die Kommission ist überzeugt, dass es im Interesse der Schweiz ist, proaktiv und mit konkreten Vorschlägen auf den geplanten politischen Dialog mit der EU einzugehen. Die angebotene Erhöhung des Kohäsionsbeitrags soll es dem Bundesrat ermöglichen, in einem ersten Schritt hin zu einem besseren Verhältnis mit der EU, für die Assoziierung der Schweiz an den Kooperationsprogrammen eine Basis zu finden. Die Minderheit ist hingegen der Ansicht, dass mit diesem Vorgehen die Verhandlungsposition des Bundesrates geschwächt wird. Zudem hat sie finanzpolitische Bedenken.

Des Weiteren hat die Kommission die Beratung zur ihrer parlamentarischen Initiative 21.480 Bundesgesetz über die Weiterführung und Erleichterung der Beziehungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union nochmals aufgenommen, nachdem die APK-S dieser keine Folge gegeben hat. Die APK-N hat mit 17 zu 8 Stimmen entschieden, an ihrer Initiative festzuhalten. Die Initiative geht nun an den Nationalrat.

Humanitäre Hilfe für Afghanistan

Der Besuch am Hauptsitz des IKRK in Genf bot der APK-N die Möglichkeit, sich vertieft mit der aktuellen Lage in Afghanistan und den damit zusammenhängenden humanitären Hilfeleistungen verschiedener Akteure zu befassen. Die Kommission tauschte sich mit dem Präsidenten des IKRK, Peter Maurer, sowie mit Bundesrat Ignazio Cassis über die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan, die Situation für die Zivilbevölkerung sowie die grössten Herausforderungen in Bezug auf die humanitäre Hilfe aus. Der humanitäre Einsatz des IKRK sowie der DEZA wurden von der Kommission gewürdigt und seine Wichtigkeit, insbesondere angesichts der herannahenden Wintermonate, unterstrichen. Mit Blick auf die Zukunft beschäftigte sich die Kommission einerseits mit der Frage, welche Lehren aus den gescheiterten bisherigen ausländischen Interventionen in Afghanistan gezogen werden können und, andererseits, mit den notwendigen Voraussetzungen für die Präsenz einer Schweizer Vertretung vor Ort. Schliesslich debattierte sie über die positiven und negativen Folgen der Anerkennung oder Nicht-Anerkennung einer Regierung durch die internationale Gemeinschaft für die betroffene Zivilbevölkerung.

Expertenanhörungen zur Definition des Völkermords

Die APK-N hat ferner Expertenanhörungen zur Definition des Völkermords durchgeführt. Ziel dieser heutigen Anhörung war es, besser zu verstehen, für welche Sachverhalte die Bezeichnung als Völkermord angemessen bzw. aus juristischer Sicht korrekt erscheint. Die Kommission wollte insbesondere in Erfahrung bringen, ob allenfalls im Zusammenhang mit den Verbrechen, deren die chinesische Regierung in Xinjiang beschuldigt wird, von Völkermord gesprochen werden kann. Angesichts des politischen Gewichts der Qualifizierung gewisser Sachverhalte oder Akte als Völkermord ist es für die Kommission von Bedeutung, sich vertieft mit der Begriffsdefinition des Genozids auseinanderzusetzen.