Die ersten neun Jahrgänge von Frauen, die vom höheren AHV-Referenzalter betroffen sind, sollen einen sozial abgestuften Rentenzuschlag zwischen 100 und 240 Franken pro Monat erhalten. Mit dieser Ausgleichsmassnahme für die Übergangsgeneration kommt die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) dem Nationalrat entgegen.

Die Kommission schloss die erste Runde der Differenzbereinigung zur Stabilisierung der AHV (AHV 21; 19.050) ab. In der zentralen Frage der Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgeneration von Frauen, die vom höheren Referenzalter betroffen sind, beantragt sie mit 9 zu 3 Stimmen folgendes Modell:

- Die ersten neun Jahrgänge sollen einen Rentenzuschlag erhalten. Für die ersten drei Jahrgänge wird der Zuschlag wie das Rentenalter schrittweise erhöht. Die folgenden vier Jahrgänge erhalten den vollen Zuschlag. Für die letzten zwei Jahrgänge wird der Zuschlag wieder gesenkt, um einen harten Schwelleneffekt am Ende der Übergangsgeneration zu vermeiden. Die Kommission bleibt damit beim progressiv-degressiven Rentenzuschlag, wie ihn der Ständerat beschlossen hatte.

- Der Zuschlag wird nach Einkommen abgestuft und für kleine und mittlere Einkommen erhöht. Der volle Zuschlag beträgt 240 Franken pro Monat für Frauen mit einem Einkommen bis 57 360 Franken, 170 Franken bis zu einem Einkommen von 71 700 Franken und 100 Franken bei einem Einkommen über 71 700 Franken. Die Kommission nimmt damit das Anliegen des Nationalrates auf, vor allem Frauen mit tiefen Einkommen zu begünstigen.

- Frauen mit mittleren und höheren Einkommen stellt die Kommission im Vergleich zum Nationalrat aber insofern besser, als der Rentenzuschlag nicht der Plafonierung unterliegt. Im Modell des Nationalrates erhalten Frauen höchstens die reguläre Maximalrente.

- Die Kommission verzichtet darauf, den Frauen der Übergangsgeneration den Rentenvorbezug wie der Nationalrat mit vorteilhafteren Kürzungssätzen zu erleichtern. Frauen, welche die Rente vorbeziehen, erhalten jedoch zusätzlich zur gekürzten Rente den ungekürzten Rentenzuschlag.

Insgesamt erreicht die Kommission mit diesem Modell ein Kompensationsvolumen von 32 Prozent, liegt damit nahe beim Bundesrat und nähert sich dem Nationalrat an, dessen Modell ein Kompensationsvolumen von 40 Prozent ausmacht.
Eine Minderheit beantragt ein Kompensationsmodell, welches wie der Nationalrat vorteilhafte Kürzungssätze beim Vorbezug und sozial abgestufte Rentenzuschläge bei Erreichen des Referenzalters vorsieht, letztere jedoch mit progressivem Verlauf ausserhalb des Rentensystems ausgestaltet. Dieses Modell auf sieben Übergangsjahrgänge begrenzt. Es führt zu einem Kompensationsvolumen von 31 Prozent.

Mit 8 zu 3 Stimmen lehnt die Kommission den Beschluss des Nationalrates ab, den Rentenzuschlag bei der Berechnung von Ergänzungsleistungen (EL) auszuschliessen. Die Mehrheit der Kommission argumentierte, damit würde eine neue Ungerechtigkeit gegenüber jenen EL-Bezügerinnen geschaffen, die nicht der Übergangsgeneration angehörten.
Bei der Finanzierung schliesst sich die Kommission mit 10 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung dem Beschluss des Nationalrates an, die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkt anzuheben. Mit 7 zu 4 Stimmen lehnt sie es jedoch ab, die Erträge der Schweizerischen Nationalbank aus den Negativzinsen in den AHV-Fonds zu schütten. Die geldpolitische Handlungsfähigkeit der Nationalbank würde eingeschränkt, wenn von ihr erwartet werde, dass sie mit ihren Erträgen auch eine Sozialversicherung mitfinanziere, wurde argumentiert. Die Vorlage, zu der mehrere Minderheitsanträge eingereicht wurden, ist damit bereit für die Herbstsession (vgl. Beilagen 1, Beilagen 2, Beilagen 3, Beilagen 4).

Covid-Pandemie: Zertifikatspflicht rasch und entschlossen ausdehnen

Die Kommission sprach sich mit Bundesrat Alain Berset und seinen Fachleuten über die aktuelle Lage in der Covid-Pandemie aus. Sie zeigte sich besorgt über den raschen Anstieg der Spitaleinweisungen in den vergangenen Wochen. Um das Gesundheitswesen vor einer Überlastung zu bewahren, ermuntert die Kommission den Bundesrat, die Zertifikatspflicht rasch und entschlossen auszudehnen. Auch in Restaurants könne die Zertifikatspflicht problemlos umgesetzt werden, wurde in der Kommission festgehalten.

Detailberatung des Kostendämpfungspakets 1b aufgenommen

Die Kommission begann die Detailberatung des Kostendämpfungspakets 1b (19.046; Entwurf 1), auf das sie im April 2021 einstimmig eingetreten war. Einstimmig beantragt sie, den vom Nationalrat eingefügten Artikel 44a zu streichen, der den Versicherern und Leistungserbringern die Möglichkeit einräumt, Rabatte auszuhandeln, von denen die Versicherer bis zu einen Viertel zur freien Verfügung behalten können. Diese Regelung würde unter anderem gegen das Gewinnverbot in der sozialen Krankenversicherung verstossen, wurde in der Kommission argumentiert. Die Kommission wird die Detailberatung nach der Herbstsession weiterführen.

Weitere Geschäfte

Die Kommission beschloss einstimmig, die Motion «Für eine nachhaltige Finanzierung von Public Health-Projekten des nationalen Konzepts seltene Krankheiten» einzureichen. Sie liess sich zuvor über die Auslegeordnung im Bereich seltene Krankheiten informieren, die der Bundesrat in seinem Bericht vom Februar dieses Jahres präsentiert hatte (siehe Po. 18.3040).

Die Kommission stimmte mit 7 zu 5 Stimmen der parlamentarischen Initiative «Unternehmerinnen und Unternehmer, welche Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlen, sollen auch gegen Arbeitslosigkeit versichert sein» (20.406; Silberschmidt) zu. 

Zu weiteren Geschäften beschloss die Kommission folgende Anträge:

- 20.3454 n Mo. Nationalrat (SGK-NR). Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes: Ablehnung (9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen);

- 20.4169 s Mo. Bauer. Kurzarbeitsentschädigung. Weitere administrative Hürden abbauen: Ablehnung (9 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen);

- 18.3068 n Mo. Nationalrat (Grüter). Aufnahme der Ausgesteuerten in die Arbeitslosenstatistik: Ablehnung (7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung);

- 19.3892 n Mo. Nationalrat (Humbel). Keine Behinderung der hausärztlich koordinierten Versorgung durch den Fiskus: Annahme (einstimmig)

- 18.4117 n Mo. Nationalrat ((Heim) Crottaz). Zu hoher Einsatz von Antibiotika? Fehlanreize eliminieren: Ablehnung, weil das Anliegen bereits erfüllt ist (8 zu 3 Stimmen);

- 19.3861 n Mo. Nationalrat (Graf Maya). One-Health-Strategie mit systemischer Erforschung der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen: Annahme (8 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen);

- 18.4332 n Mo. Nationalrat (Graf-Litscher). Gefahr der Antibiotikaresistenzen. Potenzial der Komplementärmedizin nutzen: Ablehnung, weil das Anliegen bereits erfüllt ist (8 zu 3 Stimmen);

- 18.4181 n Mo. Nationalrat (Fraktion RL). Mehr qualitativer und quantitativer Wettbewerb im Spitalbereich dank Wahlfreiheit der Patienten: Ablehnung (8 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen);

- 18.4210 n Mo. Nationalrat (Humbel). Lernsysteme in Spitälern zur Vermeidung von Fehlern müssen geschützt werden: Annahme (einstimmig).

Bei der Mo. Nationalrat (Eymann). Schaffung eines nationalen Forschungsprogramms zur Alzheimerkrankheit (18.3835) beantragt die Kommission dem Büro des Ständerates, dieses Geschäft neu der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur zuzuteilen.

Die Kommission tagte am 31. August und 1. September 2021 in Bern unter dem Vorsitz von Paul Rechsteiner (SP, SG) und teilweise in Anwesenheit von Bundesrat Alain Berset.