Die Schweiz wurde am 6. Mai 1963 als 17. Mitglied in den Europarat aufgenommen. Sie hielt das alle sechs Monate wechselnde Präsidium des Ministerkomitees bisher fünf Mal (1964, 1971, 1981, 1991 und 2009) inne und stellte mit Olivier Reverdin (GE, LPS, 1969-1972) und Liliane Maury Pasquier (GE, SP, 2018-2020) zwei Präsidenten bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Und Dick Marty (TI, FDP, 1998-2011) sorgte als Ermittler des Europarates und Vorsitzender des Rechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung mit seinen Berichten zu illegalen Aktivitäten der CIA in Europa oder zu den schwarzen Listen der UNO bei Terrorverdächtigen für grosses Aufsehen.
Seit letztem Jahr präsidiert die Genfer Ständerätin Liliane Maury Pasquier die Parlamentarische Versammlung.
Der Europarat hat für die Schweiz eine besondere Bedeutung. Denn der Europarat ist neben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die einzige Plattform, wo Schweizer Vertreterinnen und Vertreter aktiv bei der Entwicklung des europäischen Kontinents mitarbeiten und sich mit anderen europäischen Partnern austauschen können. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben auch in der Schweiz zu einem besseren Schutz der Menschenrechte und Grundrechte geführt: Ist der nationale Rechtsweg ausgeschöpft, so kann jede Person den Gerichtshof in Strassburg anrufen, wenn sie sich in ihren Grundrechten verletzt fühlt. Aber das Schweizer Rechtssystem wurde auch durch die Ratifikation (und somit Übernahme ins nationale Recht) von etwas mehr als der Hälfte der ca. 200 verabschiedeten Konventionen des Europarates massgeblich beeinflusst.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PVER)
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hielt ihr erstes Treffen am 10. August 1949 ab. Sie war damit das erste parlamentarische Gremium auf europäischer Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg und ist die älteste internationale parlamentarische Versammlung von demokratisch gewählten Parlamentsmitgliedern auf der Basis eines zwischenstaatlichen Vertrages.
Die Parlamentarische Versammlung trifft sich in der Regel viermal pro Jahr für eine einwöchige Plenarsession im Europapalast in Strassburg. Daneben finden ganzjährlich – wie beim Schweizer Parlament – Sitzungen der neun ständigen Kommissionen statt, die in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich Berichte und Resolutionsentwürfe zuhanden des Plenums erarbeiten. Dieses verabschiedet Empfehlungen und Stellungsnahmen zuhanden des Ministerkomitees und formuliert in Resolutionen ihre Anliegen.
Zudem ernennt die Parlamentarische Versammlung den Generalsekretär des Europarates, die Präsidentin / den Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, die Richterinnen und Richter des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie die Menschenrechtskommissarin / den Menschenrechtskommissar des Europarates.
Die Einwohnerzahl der Mitgliedstaaten ist massgebend für die Anzahl der Sitze und somit der Stimmen in der Parlamentarischen Versammlung. Die grössten Delegationen (jene aus Frankreich, Deutschland, Grossbritannien, Italien und Russland) umfassen 18 Mitglieder und 18 Stellvertreter, die kleinsten Delegationen zwei Mitglieder und zwei Stellvertreter. Die Schweiz liegt mit sechs Mitgliedern und sechs Stellvertretern im unteren Mittelfeld.
47 Mitgliedstaaten, 648 Parlamentarier
Die Versammlung ist inzwischen auf 648 Mitglieder (324 Mitglieder und 324 Stellvertreter) angewachsen, die von den nationalen Parlamenten der 47 Mitgliedsstaaten aus ihren Reihen gewählt oder ernannt werden. Das Gleichgewicht der politischen Parteien in jeder nationalen Delegation sollte ungefähr dem Kräfteverhältnis im jeweiligen nationalen Parlament entsprechen.
Der Plenarssaal in Strassburg, wo sich die Parlamentarier aus 47 Staaten viermal im Jahr treffen.
Wie bei den eidgenössischen Räten gibt es bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates auch Fraktionen, in denen sich staatenübergreifend die Abgeordneten mit ähnlichen politischen Positionen zusammenschliessen. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens zwanzig Mitglieder aus mindestens sechs verschiedenen Mitgliedstaaten erforderlich. Derzeit gibt es bei der Parlamentarischen Versammlung fünf Fraktionen, die grob den politischen Parteien auf europäischer Ebene entsprechen. So z.B. gehören die Schweizer Vertreterinnen und Vertreter der SP Schweiz der «Sozialdemokratischen und Grünen Fraktion» (SOC) oder jene der FDP und SVP Schweiz der «Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa» (ALDE) an. Allerdings ist der Organisationsgrad der Fraktionen in der PVER niedriger als etwa beim Schweizer Parlament: Nationale Parteien und auch einzelne Abgeordnete wechseln häufiger die Fraktionen, und auch Abstimmungen erfolgen häufiger entlang nationaler statt politischer Linien.
Die aktuellen zwölf Mitglieder und Stellvertreter der Schweizer Parlamentarierdelegation beim Europarat können auf der
Seite der Delegation aufgerufen werden.
Ihre Aufgabe ist es die Schweizerische Bundesversammlung bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu vertreten. Jedes Mitglied dieser Parlamentarierdelegation gehört mindestens einer der neun ständigen Kommissionen an (Übersicht über die aktuelle Vertretung der Mitglieder der Schweizer Delegation in den jeweiligen Kommissionen). Aktueller Präsident der Schweizer Delegation ist Ständerat Filippo Lombardi (TI, CVP).
Vierte Frau an der Spitze der Versammlung
Wie bereits erwähnt wurde die Genfer Ständerätin Liliane Maury Pasquier im Juni 2018 zur Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gewählt. Als Nachfolgerin von Michele Nicoletti (Italien, SOC) wurde sie zur 32. Präsidentin der Versammlung ernannt. Sie ist erst die vierte Frau, die dieses Amt bekleidet.
Dieses Amt krönt die lange politische Karriere der Genferin, die bei den Schweizer Parlamentswahlen 1995 in den Nationalrat gewählt wurde. 2001 bis 2002 war sie Präsidentin des Nationalrates und in dieser Funktion als Präsidentin der Vereinigten Bundesversammlung die «höchste» Schweizerin.
Nach 24 Jahren Politik auf Bundesebene in Bern wird sie sich im Herbst 2019 bei den Gesamterneuerungswahlen im Kanton Genf nicht mehr präsentieren. Ihr Amt als Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung wird sie noch bis zum Ablauf der Amtszeit am 20. Januar 2020 (Beginn der ersten Teilsession 2020 mit der Wahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers) ausüben.
Auch etwas als Würdigung ihrer Tätigkeiten bei der PVER hält deshalb am 2. September das Präsidialkomitee der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ihre Sitzung ausnahmsweise im Parlamentsgebäude in Bern ab. Dieses Komitee trifft sich anschliessend auch zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem Büro des Ministerkomitees des Europarates. Durch diese gemeinsame Sitzung von Vertreterinnen und Vertretern der beiden statuarischen Organe des Europarates soll die Zusammenarbeit und Koordination zwischen der Versammlung und dem Ministerkomitee weiter gestärkt und intensiviert werden. Diese war in jüngster Zeit u.a. durch die Diskussionen um die Mitwirkung von Russland in den verschiedenen Organen des Europarates auf die Probe gestellt worden.
Am 3. September trifft sich schliesslich das Büro der Versammlung zu einer Sitzung, an der auch der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, teilnehmen wird.
Genereller Überblick über den Europarat
Der Europarat mit ständigem Sitz in Strassburg ist eine am 5. Mai 1949 durch zehn nord- und westeuropäische Staaten gegründete europäische zwischenstaatliche Organisation. Somit ist er die älteste politische Organisation europäischer Staaten. Heute gehören dem Europarat 47 Staaten mit ca. 820 Millionen Bürgern an und bis auf zwei Ausnahmen (Weissrussland und der Kosovo) wurden alle europäischen Staaten integriert. Sechs weitere Staaten (Israel, Japan, Kanada, Mexiko, Vatikanstadt und die Vereinigte Staaten) haben Beobachterstatus.
Der Europarat ist institutionell nicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden, auch wenn beide die Europaflagge und die Europahymne verwenden.
Zu den zentralen Aufgaben des Europarates gehören die Verteidigung der Menschenrechte, der demokratischen Stabilität Europas und der Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten. Aktuelle Themen waren in letzter Zeit z.B. das Verhältnis des Europarats zu Russland (grösstes Mitgliedsland), die Unabhängigkeit der Justizorgane in einzelnen Mitgliedstaaten sowie die europäische Migrationspolitik.
In seinem Rahmen werden zwischenstaatliche, völkerrechtlich verbindende Abkommen (z.B. die 1950 verabschiedete Europäische Menschenrechtskonvention EMRK als bekanntestes Beispiel) abgeschlossen. Die gemeinsam erarbeiteten Übereinkommen werden für den einzelnen Mitgliedsstaat aber erst verbindlich, wenn sie intern ratifiziert wurden.
Die folgenden vier Organe strukturieren die Arbeit des Europarates:
- Das Ministerkomitee, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Aussenminister bzw. deren Botschafter vertreten sind.
- Die Parlamentarische Versammlung, in welche die Parlamente der Mitgliedstaaten Vertreter entsenden können.
- Der Kongress der Gemeinden und Regionen.
- Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) mit 47 Richtern. Aktuell vertritt Helen Keller die Schweiz als Richterin beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Das permanente Sekretariat, das vom Generalsekretär des Europarates (seit 2009 der Norweger Thorbjørn Jagland – ab Oktober 2019 die jetzige kroatische Aussenministerin Marija Pejčinovic Buric) geleitet wird, unterstützt die Organe des Europarates.