Schlussabstimmung im Nationalrat: Es geht um grundlegende Fragen zur künftigen Stromversorgung der Schweiz oder den Schutz der Privatsphäre der Schweizer Bürgerinnen und Bürger. Entscheidungen von nationaler Tragweite müssen gefällt werden. Im Polit-Spiel «Mein Standpunkt» schlüpfen die Schülerinnen und Schüler in die Rolle von Nationalräten und debattieren über aktuelle politische Themen.

Wie kann der Strombedarf der Schweiz in Zukunft sichergestellt werden? Welchen Stellenwert hat die Privatsphäre in unserem Alltag? Wie soll sich die Drogenpolitik der Schweiz in Zukunft gestalten? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine Klasse der Basler Sekundarschule Theobald Baerwart im Debattier-Spiel «Mein Standpunkt» im Nationalratssaal.

Das Spiel

Bei «Mein Standpunkt» handelt sich um ein sogenanntes «Planspiel», denn es beginnt bereits im Schulzimmer. Die Klassen bilden hier Kommissionen, wählen aus sechs Themen drei aus und erstellen dazu Lösungsvorschläge, welche sie in Bern vor ihren Mitschülerinnen und Mitschülern präsentieren. Wie im richtigen Rat entscheidet dann die ganze Klasse (in der Rolle des Nationalrats), ob sie den Vorschlägen der Kommissionen Folge leistet. «Mein Standpunkt» richtet sich an die fortgeschrittene Sekundarstufe I und II.

Gaby Hintermann ist die Lehrperson der Basler Sekundarklasse, und hat die Klasse für das Spiel angemeldet. «Ich wollte mit den Schülerinnen und Schülern etwas machen, dass Sie Politik tatsächlich erleben lässt», so Hintermann. Dazu gehört natürlich der Besuch der politischen Schauplätze wie das Bundeshaus oder das Basler Kantonsparlament. Im Planspiel «Mein Standpunkt» erwerben die Jugendlichen darüber hinaus Kompetenzen wie das Recherchieren von komplexen Themen, das Finden von Argumenten und natürlich das Debattieren. Während rund einer Stunde versuchen die Jugendlichen, ihre Mitschülerinnen und Mitschüler von ihren eigenen Standpunkten zu überzeugen. Sie müssen dafür im Nationalratsaal wie die richtigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier ans Rednerpult treten und die Lösungsvorschläge ihrer Kommission präsentieren. Kritische Fragen inklusive.

Im Nationalratssaal debattieren

Dann startet die Debatte. Die erste Kommission hat sich mit dem Thema «Energie» auseinandergesetzt. Die Ausgangslage: Die Schweiz hat den schrittweisen Atomausstieg beschlossen. Was tun, um die Energieversorgung der Schweiz auch in Zukunft sicherzustellen? Die Sprecherin der Kommission präsentiert den Lösungsvorschlag: Der Stromverbrauch der Schweizerinnen und Schweizer soll gekürzt werden. Dafür fordert die Kommission eine Verbrauchslimite. Wer beispielsweise mehr warmes Wasser braucht, als gesetzlich geregelt ist, muss dieses Wasser teuer zukaufen. Sofort macht sich im Rat Murren breit. Eine Schülerin tritt ans Rednerpult. Ob sich die Kommission bewusst sei, dass damit die Reichen bevorzugt werden? Schliesslich könne sich der wohlhabende Bürger damit zwei warme Duschen pro Tag leisten und der arme nicht. Die Kommission ist auf den Einwand vorbereitet. Die Besteuerung des Mehrstroms werde proportional zum Einkommen verrechnet. Wer gut verdient, der zahlt auch mehr. Ausserdem, «mehr als eine warme Dusche pro Tag hat sowieso niemand nötig». Nun, das hätte die Vertreterin der Kommission vielleicht nicht sagen sollen, denn nun bildet sich eine Allianz gegen den Lösungsvorschlag. Eine Schülerin tritt ans Rednerpult, sichtlich entrüstet. «Was denken Sie sich eigentlich dabei, uns vorzuschreiben, was wir zu tun uns zu lassen haben? Ich entscheide selber, wie lange und wie oft ich heiss dusche.» Alles ganz locker, findet die Kommission. Es wird immer genug Wasser aus dem Wasserhahn kommen. Die zweite Dusche kostet halt einfach. Und schon ist man mittendrin in der Debattierkultur der Schweizer Politik. Wieviel Freiheit wird den Bürgerinnen und Bürgern überlassen? Wieviel staatliche Regulierung ist notwendig? Programmatische Fragen, welche die Politik regelmässig spaltet.

Valeria Bürdel vom Team der Parlamentsbesuche ist die Spielleiterin und muss in der Rolle der Nationalratspräsidentin die Debatte nach 20 Minuten unterbrechen, denn nun kommt es zur Abstimmung. Die Kommission hat die Mehrheit des Rates doch noch hinter sich gebracht. Der Vorschlag der Kommission wird mit neun Ja-Stimmen zu drei Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen angenommen. Erleichterung in der Kommission, einzelne Seufzer aus den anderen Lagern. Das Ergebnis wird notiert und der Rat schreitet zur nächsten Vorlage. Auf die Energie-Diskussion folgt die Debatte zur Drogenpolitik der Schweiz (Vorschlag: Cannabis soll legalisiert und besteuert werden) und anschliessend die Debatte über die Privatsphäre (Vorschlag: Kameras auf öffentlichen Plätzen sollen verboten werden). Erneut gibt es hitzige Debatten.

Impressionen nach dem Spiel: «Mein» Standpunkt finden und verteidigen

Was haben die Schülerinnen und Schüler von diesem Morgen mitnehmen können? Neben dem Besuch des Parlamentsgebäudes stand das kritische Mitdenken und das Finden des eigenen «Standpunkts» im Zentrum. Auf spielerische Art und Weise haben die Schülerinnen und Schüler gelernt, ihre Meinung vor der Klasse zu verteidigen, haben Allianzen geschmiedet und sich mit ihren Argumenten teilweise auch aufs Glatteis begeben – wie richtige Parlamentarierinnen und Parlamentarier.

Generell zeigt die Erfahrung des Spiels, dass viele Junge sehr wohl eine Meinung zu politischen Themen haben. Diese Meinung wird durch das Spiel gestärkt und die Jugendlichen sollen merken, dass ihre politische Partizipation wichtig und erwünscht ist. Aus diesem Grund werden alle Lösungsvorschläge auch auf der Webseite www.juniorparl.ch hochgeladen. Wer weiss, vielleicht lassen sich die Politikerinnen und Politiker davon sogar in ihrer Arbeit beeinflussen?

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Die Klasse aus Basel debattiert im Nationalratssaal

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