Mit tiefer Trauer haben wir erfahren müssen, dass unser ehemaliger Kollege Olivier Reverdin am 16. Juni gestorben ist. Eine Delegation unseres Parlamentes unter der Leitung der Vizepräsidentin des Ständerates, Frau Françoise Saudan, hat gestern den Trauerfeierlichkeiten in der Cathédrale St. Pierre in Genf beigewohnt.

Olivier Reverdin wurde in allen seinen Tätigkeitsfeldern allseits bewundert. Uns ist natürlich vor allem sein politisches Schaffen bekannt, das ich nun kurz würdigen möchte.

Es kommt selten vor, dass sich in einem Menschen zugleich Humanismus, Weltoffenheit und ethisch-intellektuelle Ausgewogenheit finden. Doch genau diese Eigenschaften waren es, die unseren ehemaligen Kollegen Olivier Reverdin ausgezeichnet haben. Dass er eine eigentliche Leitfigur war, ist nicht nur auf seine verwandtschaftlichen Bande zu General Dufour zurückzuführen, sondern vor allem auf seine starke Persönlichkeit und auf sein diplomatisches Geschick, das er schon in jungen Jahren in den Dienst unseres Landes stellte. Seine äusserst gewandte Feder bereicherte das Journal de Genève, bei dem er von 1945 bis 1954 als Bundeshausredaktor, danach bis 1967 als Chefredaktor und Direktor tätig war.

Bemerkenswert war auch sein Engagement in der Bundespolitik. Er gehörte ab 1955 sechzehn Jahre dem Nationalrat und danach acht Jahre dem Ständerat an, wo er sich als äusserst hingebungsvoller und selbstloser Parlamentarier erwies, stets mit dem Ziel vor Augen, seinem Vaterland zu dienen und den Kanton Genf auf Bundesebene würdig zu vertreten.

Wir denken hier aber vor allem an sein Wirken auf europäischer Ebene. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates erinnert sich sehr wohl an die Zeit von 1969 bis 1972, als Olivier Reverdin ihr vorsass. Und wenn man bedenkt, dass er bisher der einzige Vertreter unseres Landes war, der dieses wichtige Amt je bekleidet hat, dürfte es jedem von uns klar werden, welche Ehre ihm und unserem Land dadurch zufiel.

Auf dieser europäischen Ebene konnten sich sein kritischer Geist und seine bemerkenswerte Fähigkeit entfalten, Menschen verschiedener Überzeugung zusammenzuführen. Dabei sah er es immer als grosse Herausforderung an, die schweizerische Identität in die Politik und das Denken Europas einzubringen.

Wir wissen, dass ihm sehr daran gelegen war, am 5. Mai 1999 an der 50-Jahr-Feier des Europarates in London teilzunehmen. Er erinnerte damals meine Vorgängerin Trix Heberlein an den grossen Wandel, der in Europa stattgefunden hat, habe es doch, als er zur Welt kam, mit Frankreich, der Schweiz und Portugal erst drei Republiken gegeben, während damals in St. Petersburg noch ein Zar, in Konstaninopel ein Sultan und in Wien ein Kaiser herrschte!

Olivier Reverdin gilt unsere ganze Bewunderung und tiefe Anerkennung für seinen beispielhaften Einsatz, den er für den Kanton Genf, für die Schweiz und für Europa geleistet hat. Wir werden diesem bedeutenden Jahrhundertzeugen, der nun von uns gegangen ist, stets ein herzliches und ehrendes Andenken bewahren.

Wir entbieten seinen Angehörigen unser inniges Beileid und sprechen den Genfer Ratsmitgliedern sowie der liberalen Fraktion unser tiefe Anteilnahme aus.

Ich danke Ihnen.