Nach der Anhörung von Bundesanwalt Michael Lauber hat die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung beschlossen, gegen ihn wegen Verdachts auf schwere Amtspflichtverletzung ein Amtsenthebungsverfahren zu eröffnen.

​Die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung hat heute Bundesanwalt Michael Lauber angehört. Im ersten Teil der Anhörung ging es um die Vorwürfe, welche die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) in ihrer Disziplinarverfügung vom 2. März 2020 formuliert hatte, d. h. die Verfehlungen, die Michael Lauber vor, aber auch während des Disziplinarverfahrens begangen haben soll. So soll er insbesondere die Unwahrheit gesagt, illoyal gehandelt und die Disziplinaruntersuchung behindert haben. Im zweiten Teil der Anhörung wurde der Bundesanwalt zu Geschehnissen befragt, die nach dem 2. März 2020 publik wurden, insbesondere zum Bekanntwerden angeblicher weiterer Kontakte zwischen der FIFA und der Bundesanwaltschaft, zur Veröffentlichung eines E-Mail-Verkehrs bezüglich Gianni Infantinos Absichten im Frühjahr 2016 und zur Verjährung des ersten Prozesses im FIFA-Komplex.

Gemäss Artikel 5 Absatz 3 ihrer Handlungsgrundsätze in Verbindung mit Artikel 21 des Strafbehördenorganisationsgesetzes (StBOG) eröffnet die Gerichtskommission ein Amtsenthebungsverfahren, wenn ein begründeter Verdacht vorliegt, dass die betreffende Person ihre Amtspflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig schwer verletzt hat oder die Fähigkeit, das Amt auszuüben, auf Dauer verloren hat.

Mit Blick darauf hat die Gerichtskommission mit 13 zu 4 Stimmen heute beschlossen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesanwalt wegen begründeten Verdachts auf vorsätzliche oder grob fahrlässige schwere Amtspflichtverletzung zu eröffnen. Eine Minderheit war der Meinung, dass vor dem Entscheid über die Eröffnung eines Verfahrens das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abgewartet werden sollte. Was die Vorwürfe der AB-BA anbelangt, wird die Kommission den bevorstehenden Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts analysieren. Was die Geschehnisse betrifft, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor Bundesverwaltungsgerichts sind, hat die Kommission beschlossen, weitere Abklärungen zu veranlassen.

Stellt die Kommission am Ende des Verfahrens fest, dass der Bundesanwalt seine Amtspflichten tatsächlich vorsätzlich oder grob fahrlässig schwer verletzt hat, stellt sie der Bundesversammlung Antrag auf Amtsenthebung, über welchen die Bundesversammlung dann befinden muss. Im gegenteiligen Fall wird das Verfahren eingestellt (Art. 13 und 14 der Handlungsgrundsätze).

Die Gerichtskommission hat am 20. Mai 2020 unter dem Vorsitz von Ständerat Andrea Caroni in Bern getagt.