Die Kantone sollen einen vollen Lastenausgleich für die Finanzierung der Familienzulagen für Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende einführen. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) folgt dem Entwurf des Bundesrates. Dieser Ausgleich auf Kantonsebene soll für eine faire Finanzierung der Familienzulagen sorgen.

Die Kommission hat der Änderung des Familienzulagengesetzes (Einführung eines vollen Lastenausgleichs; 23.050) in der Gesamtabstimmung mit 6 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen zugestimmt. Zuvor war sie mit 5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf das Geschäft eingetreten.

Die Kommission beantragt mit 5 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen, sich dem Entwurf des Bundesrates anzuschliessen und die Kantone gesetzlich dazu zu verpflichten, einen vollen Lastenausgleich zwischen den Familienausgleichskassen (FAK) einzuführen. Eine Minderheit beantragt Nichteintreten, da sie der Ansicht ist, dass die Vorlage in den Zuständigkeitsbereich der Kantone eingreift. Eine andere Minderheit beantragt, im Sinne eines Kompromisses, im Gesetz nur zu verankern, dass die Kantone mindestens einen Teillastenausgleich einführen müssen.

Die Kantone haben bereits gemäss geltendem Recht die Möglichkeit, einen Lastenausgleich zwischen den in ihrem Kanton tätigen FAK vorzusehen. Gegenwärtig wenden vierzehn Kantone ein volles (wovon drei nur für Arbeitnehmende, nicht für Selbstständigerwerbende), sechs Kantone ein partielles und sechs Kantone gar kein Lastenausgleichssystem an. Je nach Branche sind die Beitragssätze für die Familienzulagen unterschiedlich hoch. In Branchen mit tiefen Löhnen, Arbeitnehmenden mit kinderreichen Familien und vielen Teilzeitbeschäftigten müssen die FAK höhere Beiträge verlangen, um die Familienzulagen finanzieren zu können. In Branchen mit hohen Löhnen und Arbeitnehmenden mit wenigen Kindern dagegen ist die Finanzierung auch bei tiefen Beiträgen sichergestellt. Ein kantonaler Lastenausgleich kann diese Unterschiede teilweise ausgleichen.

Kostenbre​mse-Initiative ablehnen und HTA mit dem indirekten Gegenvorschlag fördern

Die Kommission hat die verbleibenden Differenzen beim indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative (21.067, Entwurf 2) beraten und hält teilweise an den Beschlüssen des Ständerates fest. So beantragt sie, dass der Bundesrat keine zusätzlichen subsidiären Kompetenzen bei den Tarifen für stationäre Behandlungen erhalten soll (mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung). Bei der zweiten Differenz sind sich National- und Ständerat bereits im Grundsatz einig, dass Leistungen nicht mehr von der obligatorischen Krankenversicherung vergütet werden, wenn ein evidenzbasiertes Verfahren ergeben hat, dass sie nicht oder nicht mehr wirksam, zweckmässig oder wirtschaftlich sind. Die Kommission will daran festhalten, dass nicht zwingend unabhängige Dritte mit einem solchen Verfahren beauftragt werden müssen (mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung). Dagegen beantragt sie, sich dem Nationalrat anzuschliessen und auf weitere Vorgaben zu verzichten (einstimmig). Da diese vorgeschlagenen Änderungen gerade die so genannten «Health Technology Assessments» (HTA) stärken sollen, erachtet die Kommission das Anliegen der Mo. Nationalrat (Nantermod). Bessere Kosteneffizienz im Gesundheitssystem dank einer Stärkung des HTA (21.3154) als erfüllt. Mit 8 zu 4 Stimmen beantragt sie deshalb, die Motion abzulehnen.

Mit 8 zu 5 Stimmen beantragt die Kommission zudem, die Kostenbremse-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen (21.067, Entwurf 1). Diese verlangt, eine Kostenbremse einzuführen, sodass sich die Kosten der obligatorischen Krankenversicherung im Gleichschritt mit der Wirtschaft und den Löhnen entwickeln. In den bisherigen Beratungen haben National- und Ständerat schon entschieden, dass der Bundesrat alle vier Jahre Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen gemäss dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung festlegen soll.

Die Volksinitiative und der indirekte Gegenvorschlag sollen während der Herbstsession von den Räten verabschiedet werden.

Umsetz​ung der Initiative «Kinder ohne Tabak»

Mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung ist die SGK-S auf die Teilrevision des Tabakproduktegesetzes (TabPG) zur Umsetzung der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» (23.049) eingetreten. Davor hatte die Kommission die Gesundheitsdirektorenkonferenz, das Initiativkomitee sowie betroffene Kreise angehört. Im Hinblick auf die Detailberatung lässt sie verschiedene Themen durch die Verwaltung vertiefen. Die Beratungen sollen an der nächsten Sitzung Mitte August fortgesetzt werden.

Bestimmungen zur Blutspende: Grünes Licht für den Entwurf der SGK-N

Nachdem die Kommission einstimmig auf das Geschäft eingetreten war, hat sie in der Gesamtabstimmung – ebenfalls einstimmig –, beschlossen, ihrem Rat zu beantragen, die Vorlage ihrer Schwesterkommission zur Umsetzung der Pa. Iv. Giezendanner. Sicherstellung der Blutversorgung und Unentgeltlichkeit der Blutspende (16.504) anzunehmen. Wie der Nationalrat schlägt sie vor, auf die im Entwurf ursprünglich vorgesehenen Finanzhilfen zu verzichten.

Weitere Gesc​häfte

Die Kommission hat die Beratungen zur Mo.Nationalrat (SGK-NR). Gesetzliche Grundlagen für die Leistungen der Psychologinnen und Psychologen in Weiterbildung (23.3500) begonnen. Um einen informierten Entscheid fällen zu können, hat sie bei der Verwaltung verschiedene Abklärungen in Auftrag gegeben. Sie wird sich an ihrer nächsten Sitzung erneut mit dem Vorstoss befassen.

Die Kommission unterstützt die überarbeitete Vorlage zur Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) im Bereich der Arzneimittel. Sie begrüsst, dass ein Kompromiss gefunden werden konnte, der grossmehrheitlich akzeptiert wird. Die Kommission hatte sich bereits im Januar 2023 zur Vernehmlassungsvorlage konsultieren lassen (siehe Medienmitteilung der SGK-S vom 27. Januar 2023).

Mit 6 zu 0 Stimmen bei 6 Enthaltungen beantragt die Kommission, die Mo. Nationalrat (Schneeberger). Gleichbehandlung von rentenbeziehenden Personen bei Härtefallleistungen von Wohlfahrtsfonds(21.3564) abzulehnen.

Die Kommission beantragt ausserdem mit 9 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die von Nationalrat Roduit eingereichte Motion 21.3142Früherkennung von armuts- oder überschuldungsgefährdeten Personen. Handeln, bevor es zu spät ist») abzulehnen. In ihren Augen sind in dieser Sache im Sinne der Gewaltenteilung die Kantone zuständig.

Ferner sistiert die Kommission ohne Gegenstimme die Beratung der Mo. Nationalrat (Clivaz Christophe). Für eine dauerhafte Finanzierung von Organisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung in den Bereichen psychische Gesundheit und Suizid- und Gewaltprävention (21.3264). Sie wird die Beratung nach Veröffentlichung des Berichts in Erfüllung des Po. Hurni. Wie steht es um den psychischen Gesundheitszustand der Schweizerinnen und Schweizer? (21.3234) wieder aufnehmen.

Die Kommission hat die Kt. Iv. TI. Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung im Bereich der ambulanten Pflege. Möglichkeit für die Kantone, eine Planung einzuführen(20.336) erneut vorgeprüft. Mit 9 zu 2 Stimmen beantragt sie ihrem Rat, dem Beschluss des Nationalrates zuzustimmen und der Standesinitiative keine Folge zu geben. Das Anliegen wurde mit der ersten Etappe zur Umsetzung der Pflegeinitiative und auch im Entwurf zu EFAS teilweise aufgenommen.

Die Kommission beantragt mit 7 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Kt. Iv. GE. Für eine Übernahme der Arztkosten bei Schwangerschaftsabbrüchen vor der dreizehnten Woche (19.308) abzuschreiben. Das Anliegen wird im Entwurf des Bundesrates zum Kostendämpfungspaket 2 aufgenommen.

Die Kommission hat ein Postulat (23.3962) eingereicht, welches den Bundesrat beauftragt, die Einführung eines bezahlten Urlaubs im Fall einer Fehl- oder Totgeburt vor der 23. Schwangerschaftswoche zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten.

Die Kommission hat sich zur Ausführungsverordnung zur AHV 21 konsultieren lassen. Sie empfiehlt dem Bundesrat mit 11 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die neu vorgeschlagene Übergangsfrist zur Vorgabe, dass Freizügigkeitsguthaben nur bezogen werden können, wenn die Erwerbstätigkeit ununterbrochen fortgesetzt wird, von 2 auf 5 Jahre zu verlängern. Damit will sie dem Umstand Rechnung tragen, dass Personen, die das Referenzalter bald erreichen, sonst zu wenig Zeit haben ihre Altersplanung anzupassen.

Die Kommission hat die Verwaltung mit vertiefenden Berechnungen und Abklärungen zur Mo. Rieder. AHV-Renten für die bedürftigen Rentnerinnen und Rentner erhöhen(23.3212) beauftragt. Insbesondere sollen das Zusammenspiel mit den Ergänzungsleistungen sowie die Auswirkungen auf die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen aufgezeigt werden.

Die Kommission tagte am 26. und 27. Juni 2023 in Sachseln unter dem Vorsitz von Erich Ettlin (Die Mitte, OW) und teilweise in Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset. Sie nutzte diese Sitzung im Heimatkanton ihres Präsidenten für eine Besichtigung der Firma Maxon AG in Sachseln.