Die rund 2200 Seiten starke Staatsrechnung kann natürlich unmöglich von einer einzigen Person alleine geprüft werden. Auch für die beiden Finanzkommissionen von National- und Ständerat wäre es kaum machbar, sich vertieft und eingehend mit dem Rechnungsergebnis aller 85 Bundesämter zu befassen. Deshalb wird die Staatsrechnung jeweils in einer Art Bottom-up-Prozess beraten und geprüft, der in den verschiedenen Subkommissionen beginnt, in den beiden Finanzkommissionen weitergeführt und in den Eidgenössischen Räten abgeschlossen wird. Aber schauen wir uns das Ganze einmal etwas genauer an.


Die Finanzkommissionen des National- und Ständerates sind jeweils in vier Subkommissionen unterteilt, so kommen wir auf insgesamt acht Subkommissionen. Jede dieser Subkommissionen befasst sich mit dem Rechnungsergebnis zweier Departemente bzw. mit jenem der Behörden und Gerichte. Die Subkommission 2 beispielsweise widmet sich dem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sowie dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF). Innerhalb der einzelnen Subkommissionen besteht noch eine weitere Unterteilung, das sogenannte Referentensystem. Dies bedeutet, dass jedes Subkommissionsmitglied für bestimmte Verwaltungseinheiten zuständig ist. So befasst sich ein Mitglied der Subkommission 2 beispielsweise mit der DEZA.

Durch dieses Referentensystem können sich die Referentinnen und Referenten vertieft mit dem Rechnungsergebnis der ihnen zugeteilten Ämter befassen, ein gewisses Expertenwissen in ihrem Bereich aufbauen und die anderen Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf Ungereimtheiten hinweisen. Wie geht nun aber die Prüfung und Genehmigung der Staatsrechnung genau vor sich?


Tagungspläne zur Staatsrechnung 2017 (April 2018):

Tagungsplan der Finanzkommission des Nationalrates

Tagungsplan der Finanzkommission des Ständerates

 

Im April finden in einem ersten Schritt die Sitzungen der Subkommissionen statt. Wir sprechen hier für die acht Subkommissionen von insgesamt 25 Sitzungstagen innerhalb zwei Wochen – also ein regelrechter Sitzungsmarathon! Die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Verwaltungseinheiten kommen zu diesen Sitzungen ins Bundeshaus, um ihr Rechnungsergebnis vor der Subkommission zu erläutern und ihr Rede und Antwort zu stehen. Die Subkommissionsmitglieder können dabei Fragen zu den Zahlen selbst, aber natürlich auch politische Grundsatzfragen stellen. Oft vertiefen die Subkommissionen bei der Beratung der Staatsrechnung bestimmte Themen mit finanzpolitischen Auswirkungen, die nur indirekt mit der Staatsrechnung zu tun haben. So wurde diesen Frühling beispielsweise die mögliche Zusammenlegung der Agroscope-Standorte diskutiert, die im Rahmen der strukturellen Reform des Bundesrates durchgeführt und zu Kosteneinsparungen führen soll. Nach der Anhörung der Vertreterinnen und Vertreter der Ämter stimmt die Subkommission schliesslich jeweils darüber ab, ob sie der Finanzkommission empfehlen will, die Rechnung der Ämter gutzuheissen.

Nach der Behandlung der Staatsrechnung in den Subkommissionen erfolgt im Mai in einem zweiten Schritt jene in den Finanzkommissionen des National- und Ständerates. Letztere beraten – gestützt auf die Berichte der einzelnen Subkommissionen – das Rechnungsergebnis und stimmen ihrerseits darüber ab, ob sie dem Parlament beantragen, die Staatsrechnung zu genehmigen. Während sich die Subkommissionen hauptsächlich mit Band 2A und 2B der Staatsrechnung befassen (siehe Blogeintrag 1, voir première partie), nehmen die beiden Finanzkommissionen einen allgemeineren Blickwinkel ein und setzen sich insbesondre mit Band 1 auseinander. Nach der Beratung und Abstimmung bestimmen die beiden Finanzkommissionen einen französischsprachigen und einen deutschsprachigen Berichterstatter, welche die Ergebnisse der Finanzkommissionen vor dem Parlament erläutern.

Zusammensetzung der Subkommissionen beider Finanzkommissionen (April 2018):

Mitglieder der Finanzkommission des Nationalrates

Mitglieder der Finanzkommission des Ständerates

 

Jeweils während der Sommersession Ende Mai bzw. Anfang Juni erfolgt in einem dritten Schritt die Debatte sowie die Genehmigung der Staatsrechnung in den Eidgenössischen Räten. Dies ist der einzige Moment, in dem auch die Öffentlichkeit - vor Ort oder via Medien und Live-Stream (siehe Live-Streams von National- und Ständerat auf der Website des Parlaments) - die Diskussionen zur Staatsrechnung hautnah mitverfolgen kann. Die Beratung und Genehmigung der Staatsrechnung ist eigentlich ein formeller Prozess: Im Gegensatz zur Budgetberatung (siehe Serie Budget) kann bei der Behandlung der Staatsrechnung logischerweise nichts mehr verändert oder beeinflusst, sondern lediglich genehmigt werden, denn das Geld wurde ja bereits ausgegeben! So wird in den Debatten zur Staatsrechnung nicht über Erhöhungen oder Senkungen bestimmter Beträge gestritten, sondern es werden vielmehr politische Grundsatzdiskussionen geführt.

Wer jetzt aber denkt, sich an Diskussionen über Krediterhöhungen und an Zahlenschlachten in der Sommersession der Eidgenössischen Räte zu erinnern, irrt nicht! Gleichzeitig wie die Staatsrechnung 2017 werden nämlich auch die ersten Nachtragskredite 2018 beraten und verabschiedet. Nachtragskredite werden zweimal jährlich, im Frühling zusammen mit der Staatsrechnung und im Herbst zusammen mit dem Voranschlag, vom Bundesrat beantragt, wenn die budgetierten finanziellen Mittel in einem bestimmten Bereich nicht ausreichen. Im Frühling 2018 wurden insgesamt sechs Nachtragskredite für eine Gesamtsumme von 39,8 Millionen Franken beantragt.

Einer dieser Nachtragskredite wurde z.B. für die neuen Bundesasylzentren angefordert, die für die von Volk beschlossenen, beschleunigten Asylverfahren nötig sind. Da die Bauprojekte rascher als geplant umgesetzt werden konnten, beantragte das Bundesamt für Bauten und Logistik einen Nachtragskredit von 21,6 Millionen Franken, um die Arbeiten fortführen zu können. Die Nachtragskredite werden, genau wie die Staatsrechnung, in einem Bottom-Up-Prozess in den Subkommissionen, den Finanzkommissionen und den Eidgenössischen Räten beraten. Da bei den Nachtragskrediten, im Gegensatz zur Staatsrechnung, das Geld noch nicht ausgegeben ist und sich noch etwas beeinflussen lässt, gibt es viel mehr Diskussionen und die Spannung bleibt aufrechterhalten. Ob die Eidgenössischen Räte bei der kommenden Sommersession die beantragten Nachtragskredite genehmigen, steht noch in den Sternen!

 

Alle Blogartikel zur Serie «Staatsrechnung 2017»:

3.5: Die Staatsrechnung – ein wahrhaftiger Wälzer. Teil 1

7.5 Die Behandlung der Staatsrechnung – ein Bottom-up-Prozess. Teil 2

23.5 Si le compte d’Etat est le plat de résistance, il ne faut pas oublier les accompagnements. Part 3

 

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