Zweiter Schritt der Bahnreform 2
Nach breit angelegten Anhörungen ist die Verkehrskommission des Nationalrates einstimmig auf eine weitere Etappe der Bahnreform 2 eingetreten. Die Vorlage des Bundesrates beinhaltet neben der Übernahme von Interoperabilitätsrichtlinien der EU im Wesentlichen präzise Regeln für die Ausschreibeverfahren im Busverkehr und ein Grundsatzbekenntnis zur Möglichkeit der Ausschreibung auch im Bereich des Personenschienenverkehrs. Die Kommission unterstützt die Strategie des Bundesrates, den Wettbewerb auch im öffentlichen Verkehr dosiert auszubauen.

Der so genannte „zweite Schritt“ der im Jahr 2005 zurückgewiesenen Botschaft zur Bahnreform 2 (05.028), den der Bundesrat am 20. Oktober 2010 verabschiedet hat, beinhaltet Punkte von unterschiedlicher politischer Tragweite: Die Übernahme der technisch relativ komplexen EU-Richtlinie zur Interoperabilität ist politisch ebenso wenig umstritten wie die Finanzierung der Vorhaltekosten der Wehrdienste. Etwas kontroverser wurde die Ausweitung der Kompetenzen der Schiedskommission im Eisenbahnwesen und die Einführung von Alkohol-Grenzwerten für private Schifffahrt auf Schweizer Seen beurteilt, die bundesrätlichen Vorschläge waren in der Kommission aber nicht bestritten. Sehr kontrovers wurden dagegen die vorgeschlagenen Wettbewerbsregeln beurteilt.

In der Anhörung vor der Kommission begrüssten die Vertreter der Kantone zwar die Tatsache, dass neu landesweit einheitliche und verlässliche Regeln für die Ausschreibung des Busverkehrs geschaffen werden. Ob die effektive Ausschreibung aber ein Bedürfnis der Mehrheit der kantonalen Besteller sei, blieb indessen offen. Deutlich gegen eine Ausschreibungspflicht im Busbereich haben sich die Vertreter des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV), unter ihnen Vertreter der SBB und von Postauto, ausgesprochen. Auch der sehr allgemeinen Formulierung des Bundesrates zur Ausschreibung im Schienenbereich steht der VöV ebenso wie die Vertreter der Gewerkschaften ablehnend gegenüber. Der Verband der verladenen Wirtschaft (VAP) unterstützt die Vorlage des Bundesrates insbesondere hinsichtlich eines etwas vereinfachten Netzzuganges für verladende Unternehmen.

Der Eintretensentscheid fiel in der Kommission einstimmig und die bundesrätlichen Anträge wurden mit wenigen Ausnahmen gutgeheissen. Einzig die Bestimmungen zum Ausschreiben nach Ablauf einer Konzession und bei groben Fehlleistungen eines Anbieters wurden etwas ergänzt. Der Antrag, die Besteller nicht zur regelmässigen Ausschreibung zu verpflichten, sondern ihnen lediglich die freiwillige Möglichkeit einzuräumen, wurde mit 15 zu 10 Stimmen abgelehnt. Die Mehrheit der Kommission ist der Ansicht, dass nur mit einer Pflicht genügend Wettbewerb entstehe, der im Interesse der Benützerinnen und Benützer ebenso wie der Steuerzahlenden sei. Die Minderheit argumentiert, die Kosten und der Aufwand für die Ausschreibungsverfahren stünden in einem schlechten Verhältnis zum Ertrag. Festgehalten hat die Kommission mit 14 zu 12 Stimmen ebenfalls am Grundsatz, die Möglichkeit der Ausschreibung auch im Personenschienenverkehr vorzusehen. Die Mehrheit möchte damit ein klares Signal für mehr Wettbewerb im öffentlichen Verkehr setzen und die Transportunternehmen einladen, sich auf eine allfällige längerfristige Ausschreibung auch im Schienenverkehr vorzubereiten. Die Minderheit hält es demgegenüber für nicht angebracht, einen so komplexen und heiklen Bereich mit einem „Bekenntnisartikel“ zu regeln.

Die Kommission wird die Beratung des Geschäftes an ihrer nächsten Sitzung Ende Januar/Anfang Februar abschliessen, damit es in der Frühjahrssession im Nationalrat behandelt werden kann.

 

Die Kommission diskutierte länger über den Ausbau der Nordumfahrung Zürich, d.h. über die dritte Röhre am Gubrist und die vom Komitee „Chance Gubrist“ mit einer Petition geforderte Überdeckung bei Weiningen und die Motion Schibli (09.4142) mit gleicher Stossrichtung. Die Kommission hatte das Geschäft bereits an einer Sitzung im November vergangenen Jahres traktandiert und befunden, dass sie über zu wenige Informationen verfüge, um einen Entscheid zur Petition zu fällen. So lud die Kommission den Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Zürich, Regierungsrat Ernst Stocker, ein und verlangte beim ASTRA einen Bericht. Regierungsrat Stocker führte aus, dass der Kanton hinter einer Überdachung der A1 bei Weiningen stehe. Der Kanton sei grundsätzlich bereit, dem Kantonsrat eine Kreditvorlage für eine kantonale Beteiligung an den Kosten vorzulegen. Allerdings dürfe keine wesentliche Zeitverzögerung entstehen.

Der Kanton Zürich und das ASTRA beurteilen die Überdeckung Weiningen unterschiedlich. Bezüglich der Kosten weichen die Schätzungen des Kantons mit 50 bis 60 Millionen Franken erheblich von jenen im Bericht des ASTRA von mehr als 100 Millionen Franken ab. Der Bericht des ASTRA bemängelt weiter, dass mit einer Überdeckung von 270 Metern Länge zu wenig Strassenlänge für Fahrstreifenwechsel der Fahrzeuge zur Verfügung stände. Die Verkürzung der bereits heute knappen Verflechtungslängen von 720 Meter (Fahrtrichtung Ost), bzw. 600 Meter (Fahrtrichtung West) auf 450, bzw. 390 Meter würde ein massiv erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeuten, einen Unfallschwerpunkt schaffen und zu Kapazitätseinbussen führen. Auch der Zeitrahmen wird unterschiedlich beurteilt. Während der Kanton Zürich festhält, die Überdeckung sei ohne grosse Verzögerung realisierbar, prognostiziert das ASTRA eine Verzögerung von mindestens 3-5 Jahren. Technisch machbar wären beispielsweise Kompromisslösungen, die nach Tunnelende einen unüberdeckten Abschnitt, gefolgt von einer kürzeren Überdeckung, vorsehen würden. Die oben dargelegten divergierenden Einschätzungen zeigten sich auch in der Diskussion in der Kommission. So war es nicht möglich anlässlich der Sitzung eine Lösung zu finden. Deshalb wird die Kommission auf die nächste Sitzung eine Kommissionsmotion formulieren, die zu einer Kompromisslösung führen soll. Auch über die Petition und die Motion Schibli wird an der nächsten Sitzung beschlossen.

Im Rahmen eines Mitberichtes zuhanden der federführenden Finanzkommission hat die Kommission aus verkehrspolitischer Sicht zur Sanierung der Pensionskasse der SBB (10.036) Stellung genommen. Der Bundesrat beantragt mit der Vorlage, einen Beitrag an die SBB in der Höhe von 1148 Millionen zur Sanierung ihrer Pensionskasse. Mit dem Beitrag übernimmt der Bund die Unterdeckung der Altersrentner per Ende 2006 sowie die Kosten der Senkung des technischen Zinssatzes von 4 auf 3,5 Prozent. Mit dem Bundesbeitrag allein kann die Pensionskasse der SBB nicht saniert werden. Es braucht zusätzliche Massnahmen wie eine weitere substanzielle Beteiligung der SBB sowie ihrer Mitarbeitenden. In einer Grundsatzabstimmung sprach sich die Kommission mit 15 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung für die Vorlage aus. Aus verkehrspolitischer Sicht sei eine starke SBB von öffentlichem Interesse. Eine Verweigerung des Beitrages würde zudem in Widerspruch zu den mit der Leistungsvereinbarung in der Wintersession gesprochenen Geldern stehen. Auch sollen die SBB in finanzieller Hinsicht bei Ausschreibungen mit anderen Leistungserbringern konkurrenzfähig bleiben. Andererseits wurde aber auch betont, dass diese finanzielle Leistung kein Präzedenzfall für weitere Forderungen sein kann und die Pensionskasse müsse sich in Zukunft selber tragen.

Informiert hat sich die Kommission über die Ergebnisse zur Anhörung betreffend Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung von Umweltzonen. Auf Wunsch der Kantone will der Bund die Einrichtung von Umweltzonen in Städten ermöglichen. Das UVEK hat für einen entsprechenden Verordnungsentwurf eine Anhörung von Ende August bis Ende November 2010 organisiert. Mit dem Instrument der Umweltzonen könnten interessierte Kantone und Städte bestimmen, dass gewisse Motorfahrzeuge mit besonders hohem Schadstoffausstoss eine von ihnen definierte Zone nicht mehr befahren dürfen. Angestrebt wird eine verbesserte Luftqualität und ein Umsteigen auf schadstoffärmere Motorfahrzeuge, bzw. auf den öffentlichen Verkehr. Kernstück der vorgesehenen Regelung ist die Einführung eines Vignettensystems, das die Motorfahrzeuge in verschiedene Emissionskategorien einteilt. Die Anhörung hat ergeben, dass der Grossteil der Kantone, der Parteien und Verbände gegen die Einführung von Umweltzonen sind. Im selben Sinne hat die Kommission eine Motion mit 15 zu 11 Stimmen verabschiedet, die verlangt, dass der Bundesrat auf die Einführung von Umweltzonen verzichtet. Die Kommission sieht die Wirksamkeit der Massnahme nicht gegeben und auch der Nutzen würde den Aufwand nicht rechtfertigen.

 

 

Bern, 11. Januar 2011 Parlamentsdienste