Am 9. und 10. Mai 2023 schmückten zwei Flaggen das Bundeshaus: Die Schweizer Flagge wehte neben der Flagge des Europarates.
Am 9. und 10. Mai 2023 schmückten zwei Flaggen das Bundeshaus: Die Schweizer Flagge wehte neben der Flagge des Europarates.

Freie und faire Wahlen bilden das Fundament unserer Demokratien. Doch die Organisatorinnen und Organisatoren von Wahlen in Europa stehen zunehmend vor Herausforderungen - sei es durch Pandemien, Krieg, Terroranschläge oder Naturkatastrophen. Technologische Innovationen versprechen neue, repräsentativere Formen der Stimmabgabe. Sie bergen aber auch Gefahren von Desinformation und Manipulation. Wie kann die freie und faire Durchführung von Wahlen in Krisenzeiten garantiert werden? An der parlamentarischen Konferenz "Wahlen in Krisenzeiten" am 9. und 10. Mai 2023 gingen Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus ganz Europa dieser Frage nach. Die Konferenz wurde in Panels unterteilt, um mit Expertinnen und Experten der OSZE/ODHIR, der PA-NATO, des Europäischen Parlaments und der Bundesverwaltung, sowie Verantwortliche für die Durchführung von Wahlen aus Ländern wie Finnland, Moldawien, der Ukraine oder Israel über die oben genannten Herausforderungen zu diskutieren. An der Konferenz nahmen rund 130 Personen teil. 



Die Konferenzteilnehmenden diskutierten in folgenden Panels:

 

Die Schlusserklärung (Berner Deklaration) als auch der zusammenfassende Bericht «summary report» der Konferenz rufen dazu auf, mit dem Zeitgeist zu gehen und die künstliche Intelligenz auf vielfältige Weise zu nutzen und aus den Erfahrungen der jüngsten Krisen zu lernen. Zudem sollten die seit langem etablierten Wahlverfahren und -praktiken neu bewertet werden, um Fortschritte und Innovationen in den nächsten Wahlzyklen zu unterstützen.​


Auf der zweisprachigen Konferenzwebseite (Französisch und Englisch) finden Sie weiterführende Informationen, beispielsweise:

  • Programm
  • Videoaufnahmen der Paneldiskussionen
  • Hintergrundinformationen zu den Panels
  • CVs der Podiumsrednerinnen und –redner
  • Bildergalerie der Konferenz


Die Schweizer Mitglieder der Delegation beim Europarat beteiligte sich aktiv an den angeregten Diskussionen der Konferenz.​


Nationalrat Damien Cottier, Präsident der Schweizer Delegation beim Europarat, präsidierte die Anfangs- und Schlusssession sowie das Panel der Session «The pandemic and the polls».
Nationalrat Damien Cottier, Präsident der Schweizer Delegation beim Europarat, präsidierte die Anfangs- und Schlusssession sowie das Panel der Session «The pandemic and the polls».


Nationalrat Pierre-Alain Fridez präsidierte das erste Panel der Session  «Universal suffrage amid universal suffering»
Nationalrat Pierre-Alain Fridez präsidierte das erste Panel der Session  «Universal suffrage amid universal suffering»​


Die Schweizer Delegation hatte während der Konferenz die Gelegenheit ihren internationalen Gästen das Schweizer Parlament zu zeigen und die Partikularitäten des Schweizer Politiksystems zu erläutern. Auf diesem Bild sind Despina Chatzivassiliou-Tsovilis (Generalsekretärin der PVER), Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne, BS), Tiny Kox (Präsident der PVER) und Nationalrat Nik Gugger (EVP, ZH) v.l.n.r. zu sehen, die tief ins Gespräch versunken sind.
Die Schweizer Delegation hatte während der Konferenz die Gelegenheit ihren internationalen Gästen das Schweizer Parlament zu zeigen und die Partikularitäten des Schweizer Politiksystems zu erläutern. Auf diesem Bild sind Despina Chatzivassiliou-Tsovilis (Generalsekretärin der PVER), Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne, BS), Tiny Kox (Präsident der PVER) und Nationalrat Nik Gugger (EVP, ZH) v.l.n.r. zu sehen, die tief ins Gespräch versunken sind.


Ständerat Hannes Germann folgt gespannt der Debatte.
Ständerat Hannes Germann folgt gespannt der Debatte.


Das Familienfoto der Konferenz.
Das Familienfoto der Konferenz.​



Weitere Bilder und Eindrücke der Konferenz finden sich in der Bildergalerie ​der Konferenz

Das Datum der Konferenz war nicht zufällig gewählt: Die Konferenz fand nur einige Tage nach dem 60-jährigen Jubiläum des Schweizer Beitritts in den Europarat statt.

Das Datum der Konferenz war nicht zufällig gewählt: Die Konferenz fand nur einige Tage nach dem 60-jährigen Jubiläum des Schweizer Beitritts in den Europarat statt.  ​


Die Konferenz fand zu einem besonderen Zeitpunkt statt und zwar aus zwei Gründen. Erstens trat die Schweiz am 6. Mai 1963 dem Europarat bei und feiert folglich im 2023 ihr 60-jähriges Jubiläum in dieser paneuropäischen Institution. Zweitens fand die Konferenz im Bern kurz vor dem vierten Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedsstaaten des Europarates statt, welches vom 16. und 17. Mai 2023 im isländischen Reykjavik abgehalten wurde. In den 74 Jahren des Bestehens der ältesten paneuropäischen Institution war dies erst das vierte Treffen auf dieser Ebene. Der Europarat beruft solche Gipfeltreffen nur ein, wenn Entscheidungen von grosser Tragweite zu treffen sind. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden nicht nur die Grundwerte des Europarates – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – angegriffen, sondern auch die europäische Friedens- und Werteordnung erschüttert. Der Gipfel setzte ein klares Zeichen für die Unterstützung der Ukraine: In Reykjavik wurde beschlossen, ein Schadensregister einzurichten, welches die Schäden und Verletzungen dokumentiert, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entstanden sind. Die Deklaration, die am Gipfel verabschiedet wurde, finden Sie hier.

Der Schweizer Einsatz bei Wahlb​​eobachtungen

Seit 60 Jahren ist die Schweiz im Europarat aktiv. Ein grosses Einsatzfeld der Schweizer Delegationsmitglieder an der parlamentarischen Versammlung des Europarates ist die Wahlbeobachtung.

Im Jahr 1989 schickte die Schweiz ihre erste Wahlbeobachtungsmission ins Ausland. Sie beteiligte sich mit 31 Expertinnen und Experten an der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Namibia und verlieh so der Schweizer Aussenpolitik neuen Schwung. Als der Fall der Berliner Mauer den Kalten Krieg beendete, befanden sich viele Länder in Osteuropa, Asien und Lateinamerika auf dem Weg der Demokratisierung, was die Einrichtung von Wahlbeobachtungsmissionen notwendig machte. Ziel solcher Missionen ist die unabhängige Beurteilung der Wahlprozesse mit Fokus auf der Stimmabgabe und -auszählung am Wahltag. Eine wichtige Aufgabe, die aber nur ein Element des Wahlprozesses abdeckt. Einige dieser Missionen haben sich deshalb mit der Zeit zu einer umfassenden Wahlunterstützung entwickelt, insbesondere in Ländern ohne historisch gewachsene demokratische Strukturen. In der Grundsatzerklärung für die internationale Wahlbeobachtung von 2005 heisst es, dass die Wahlbeobachtung dazu dient, die Situation vor und nach den Wahlen sowie am Wahltag selbst zu beurteilen. Das langfristige Ziel besteht darin, Betrug zu verringern, Konflikte zu entschärfen und das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Institutionen zu stärken. Um dies zu erreichen, braucht es langfristige Wahlbeobachtungsmissionen.

Obschon die Vereinten Nationen ab 1989 und insbesondere mit der Schaffung der Abteilung für Wahlbeobachtung im Jahr 1992 eine Vorreiterrolle spielten, wurde die Aufgabe der Wahlbeobachtung später zunehmend von anderen Institutionen wie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PVER), der Europäischen Union (EU), der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF) wahrgenommen. Die Schweiz erkannte den Handlungsbedarf bei der Wahlbeobachtung von Anfang an und hat sich daher in den vergangenen 34 Jahren an zahlreichen Missionen beteiligt. Ursprünglich gehörten diesen Missionen hauptsächlich Expertinnen und Experten an, doch nach und nach wurden auch Parlamentsmitglieder aufgenommen. So wurde 2004 die ehemalige Zürcher SP-Nationalrätin Barbara Haering zur Leiterin der parlamentarischen Wahlbeobachtungsmission der OSZE ernannt, die das Duell zwischen Georg W. Bush und John Kerry bei den US-Präsidentschaftswahlen überwachte. Sie erklärte damals gegenüber Swissinfo: «Die Wahlbeobachtung beschränkt sich natürlich nicht nur auf den Wahltag. Sie umfasst die Analyse der Wahlkampagne, die Zugänglichkeit zu den Medien für alle Kandidaten, die Frage der Registrierung von Wählerinnen und Wählern sowie die Wahlsysteme und Technologien. Die OSZE hat [als Beobachterin] keine Polizeifunktion.Sie erstattet [jedoch] einen Bericht mit ihren Beobachtungen, allfälligen Unregelmässigkeiten sowie möglichen Empfehlungen und Verbesserungsvorschlägen.»

In den letzten 20 Jahren haben sich die Mitglieder der Delegationen der Schweizer Bundesversammlung bei der PVER, bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE oder bei der APF verstärkt an Wahlbeobachtungsmissionen beteiligt und diese so zu einem Schlüsselelement der Schweizer Diplomatie im Bereich der Friedens- und Demokratieförderung gemacht. In den letzten Jahren fiel vor allem die Delegation beim Europarat mit einer überdurchschnittlichen Beteiligung auf. Andy Gross (SP, ZH) tat sich in diesem Bereich besonders hervor und beteiligte sich insgesamt an fast 100 Beobachtungen. In jüngerer Zeit, im Jahr 2021, leitete Alfred Heer (SVP, ZH) die Beobachtungsmissionen für drei verschiedene Wahlen in Bulgarien. Auch andere Delegationsmitglieder waren in diesem Bereich aktiv. So z. B. Pierre-Alain Fridez (SP, JU), der Berichterstatter für die Mission zur Beobachtung der Parlamentswahlen in Moldova und Leiter der Mission zur Evaluation der Parlamentswahlen in Russland war: «Die Mission zur Beobachtung der Wahlen in die Duma fand weniger als sechs Monate vor der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine statt. Unter dem Vorwand der Covid-19-Pandemie setzten die russischen Behörden alles daran, die Grösse der Delegationen der OSZE und des Europarates auf ein Minimum zu reduzieren. Eine Strategie, mit der – wie sich im Nachhinein herausstellte – eine seriöse Beurteilung verhindert werden sollte. Von denursprünglich über 500 geplanten Beobachterinnen und Beobachtern aus dem Westen waren letztlich nur fünf in Moskau, eine Person pro Europaratsfraktion. Aus der Beobachtung wurde so eine reine Bewertung. Dennoch hatten wir die Möglichkeit, mit der russischen Opposition, insbesondere der Jabloko-Partei, in Kontakt zu treten und festzustellen, dass diese Wahlen nicht fair waren, da eindeutig nicht für alle Kandidatinnen und Kandidaten dieselben Bedingungen galten.» An der Wahlbeobachtungsmission in Bulgarien nahm zudem Damien Cottier (RL, NE) teil und an jener in AlbanienJean-Pierre Grin (SVP, VD) und Sibel Arslan (Grüne, BS). Die OSZE-Delegation hebt in ihrem Bericht von 2021 ebenfalls hervor, sich während des ganzen Jahres rege an Wahlbeobachtungsmissionen, insbesondere in ehemaligen Sowjetrepubliken (Kasachstan, Kirgisistan, Armenien, Moldova, Russland und Usbekistan), beteiligt zu haben. Delegationsmitglied Josef Dittli (FDP, UR) war ferner Teil der Beobachtungsmission für die Wahlen in den USA 2020 und dort unter anderem dafür zuständig, zehn Wahlbüros in der Hauptstadt Washington, D. C., und in Maryland zu besuchen. Den Ablauf der Mission beschreibt er wie folgt: «Wir mussten beurteilen, ob genug Personal vorhanden war und ob die Wahlberechtigten uneingeschränkt wählen konnten. Im Vorfeld mussten wir uns an den Leiter des Wahllokals wenden, um uns zu identifizieren und die Erlaubnis für die Wahlbeobachtung einzuholen. Die Leiter der Wahllokale wussten nicht, wie sie die Situation angehen sollten. Die OSZE war niemandem bekannt, aber wir hatten einen Ausweis mit der Unterschrift des zuständigen Wahlbeamten des jeweiligen Staates. Wir wurden überall freundlich empfangen und konnten alles besprechen und beurteilen, was wir wollten. Wir benötigten etwa 45 Minuten pro Lokal. Unsere Mission begann um 6.30 Uhr und endete um 18.00 Uhr.»