Massnahmenpaket des Bundesrates zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus und Antrag auf Dringlichkeit
Der Bundesrat hat am 20. März 2020 Abfederungsmassnahmen für Wirtschaft und Gesellschaft aufgrund des Coronavirus im Umfang von rund 30,7 Milliarden Franken beschlossen (siehe
Medienmitteilung des Bundesrates). Es geht um Massnahmen im Bereich der Sozialversicherungen (Arbeitslosenversicherung, Erwerbsersatz), um die finanzielle Abfederung der Auswirkungen auf Unternehmen (Finanzielle Abfederung von Liquiditätsengpässen durch Solidarbürgschaften, befristeter Verzicht auf Verzugszinsen bei Mehrwertsteuer und direkter Bundessteuer), um Härtefalllösungen im Sportbereich und solche im Kulturbereich (Soforthilfe an Unternehmen, Soforthilfe/Nothilfe an Kulturschaffende, Ausfallentschädigungen an Kulturunternehmen und Kulturschaffende, Kulturvereine im Laienbereich) sowie um weitere Massnahmen (Beschaffung Sanitätsmaterial und Impfstoffe, Schutzdienst). Der Bundesrat stützt seine Entscheide teils auf Notrecht (Artikel 185 Absatz 3 bzw. der Bundesverfassung).
Gleichentags übermittelte der Bundesrat den Finanzkommissionen eine Nachmeldung zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 mit dem Antrag, diese im Nachtrag I 2020 zu berücksichtigen.
Der Finanzdelegation beantragte der Bundesrat zeitgleich, folgenden Teil der nachgemeldeten Nachtragskredite als dringlich anzuerkennen und einen Vorschuss zu gewähren.
Dringlicher Verpflichtungskredit mit Vorschuss
Der Bundesrat beantragt einen dringlichen Verpflichtungskredit von 20 Milliarden Franken für die finanzielle Abfederung von Liquiditätsengpässen durch Bundesbürgschaften für Darlehen an grundsätzlich solvente, kleinere und mittlere Unternehmen, welche unter den Folgen des Coronavirus leiden. Ziel ist die Überbrückung von Liquiditätsengpässen und die Vermeidung von vorübergehender Insolvenz. Der Bund trägt 100 Prozent des Verlustrisikos für Kredite bis zu 500 000 Franken, 85 Prozent für höhere. Die maximal mögliche Bürgschaft soll höchstens 10 Prozent des mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes aus dem Jahr 2019 betragen, maximal aber 20 Millionen pro Unternehmen. Damit sollten die Fixkosten der Unternehmen von etwas mehr als 3 Monaten finanziert werden können.
Insgesamt sollen die Bürgschaftsgenossenschaften Darlehen von bis zu 20 Milliarden verbürgen können. Dafür beantragt der Bundesrat der FinDel einen entsprechenden Verpflichtungskredit mit Vorschuss. Ohne den entsprechenden Verpflichtungskredit kann der Bund den Bürgschaftsgenossenschaften nicht zusichern, dass sie Bürgschaften eingehen können. Der Bundesrat geht davon aus, dass das Gros der Bürgschaften im April beantragt werden wird.
Nachmeldung zum Nachtrag I 2020: Dringliche Nachtragskredite mit Vorschuss
Staatssekretariat für Wirtschaft | Covid: Bundesbeitrag an die ALV | 6 000 000 000 |
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Bundesamt für Sozialversicherungen | Covid: Leistungen Erwerbsersatz | 4 000 000 000 |
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Bundesamt für Kultur | Covid: Soforthilfe Kultur | 280 000 000 |
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Bundesamt für Sport | Covid: Darlehen und Finanzhilfen | 100 000 000 |
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Verteidigung | Funktionsaufwand (Globalbudget) | 350 321 600 |
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Total | | 10 730 321 600 |
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Der Bundesrat hat am 20. März 2020 beschlossen, das Instrument der
Kurzarbeitsentschädigung der Arbeitslosenversicherung (ALV) zur Unterstützung der Wirtschaft befristet auf ein halbes Jahr auszubauen (insb. befristete Arbeitsverhältnisse, Temporärarbeit, arbeitgeberähnliche Angestellte, Verzicht auf Karenzfrist). Als Sofortmassnahme zur Finanzierung der Ausgaben für die Kurzarbeit beantragt der Bundesrat einen Nachtragskredit mit Vorschuss in der Höhe von 6 Milliarden Franken, damit der Fonds der ALV nicht bereits in kürzester Zeit seine Schuldenobergrenze erreicht, was eine Erhöhung der Lohnbeiträge und eine Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes nach sich ziehen würde.
Gemäss Beschluss des Bundesrates sollen Selbständige, die von der Schliessung von öffentlich zugänglichen Einrichtungen betroffen sind (Restaurants, Kleingeschäfte, Coiffeurläden, etc.), Anspruch auf eine Entschädigung haben. Diese soll in Anlehnung an die
Erwerbsersatzentschädigung als Taggeld ausgerichtet werden (80 Prozent des Lohnes, plafoniert bei 196 Franken pro Tag). Auch Anspruch auf eine Entschädigung soll ein Erwerbsunterbruch aufgrund einer durch einen Arzt verordneten Quarantäne geben sowie Eltern, die ihre Erwerbsarbeit aufgrund von Schulschliessungen unterbrechen müssen. Damit die Ausgleichskassen über genügend liquide Mittel verfügen, beantragt der Bundesrat einen Nachtragskredit mit Vorschuss in der Höhe von 4 Milliarden Franken.
Für die Soforthilfe zugunsten der
Kultur beantragt der Bundesrat einen Nachtragskredit mit Vorschuss von insgesamt 280 Millionen Franken. Diese Mittel sollen in Form von Darlehen und A-Fonds-perdu-Beiträgen zur Verfügung gestellt werden, welche ab sofort gesprochen werden können.
Für Härtefalllösungen im
Sportbereich beantragt der Bundesrat einen Nachtragskredit mit Vorschuss in der Höhe von insgesamt 100 Millionen Franken (50 Millionen für Darlehen zu Vorzugsbedingungen sowie 50 Millionen für nicht rückzahlbare Geldleistungen). Die Darlehen und Finanzhilfen sollen ab dem 1. April ausgerichtet werden können.
Im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie stehen dringende
Beschaffungen für Sanitätsmaterial durch die Armeeapotheke an, namentlich Masken, Operationsschürzen, Beatmungsgeräte und Defibrillatoren sowie zur gegebenen Zeit Dosen an Impfstoffen. Der Bundesrat beantragt für diese dringlichen Beschaffungen einen Nachtragskredit von rund 350 Millionen Franken mit Vorschuss.
Vorberatung der dringlichen Kredite durch die Finanzdelegation
Die Finanzdelegation hat die Anträge des Bundesrats an einer ausserordentlichen Sitzung vom Sonntag und Montag, 22. und 23. März 2020 geprüft und hörte dazu die Vorstehenden der Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), sowie Vertreterinnen und Vertreter der Verwaltung an. Sie führte die Anhörungen in Kenntnis der vom Bundesrat am 20. März 2020 verabschiedeten Verordnungen durch. Zudem verlangte die FinDel zusätzliche Dokumente, die ihr das EFD am 22. bzw. 23. März 2020 zustellte, darunter insbesondere der Entwurf der Verordnung zur Gewährung von Krediten und Bundesbürgschaften in Folge des Coronavirus und die zugehörigen Entwürfe der Anhänge.
Beschlüsse der Finanzdelegation
Die Finanzdelegation stimmte allen Anträgen des Bundesrates auf dringliche Kredite mit Vorschuss zu.
Erwägungen der Finanzdelegation
Die FinDel hat den Grundsatzentscheid gefällt, bei jedem beantragten Verpflichtungskredit und Nachtragskredit jeweils den vollen vom Bundesrat beantragten Betrag zuzustimmen und die Bewilligung der Kredite nicht zu etappieren. Das Massnahmenpaket des Bundesrates ist als Gesamtkonzept zu sehen.
Intensiv diskutiert wurde insbesondere der dringliche Verpflichtungskredit in der Höhe von 20 Milliarden Franken für Liquiditäts- und Härtefälle für Unternehmen. Die Besonderheit war, dass die FinDel über einen Kredit zu befinden hatte, obwohl die Einzelheiten der Kreditverwendung vom Bundesrat noch nicht abschliessend festgelegt worden sind. Ihr lag lediglich ein Verordnungsentwurf vor, der über das letzte Wochenende zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement, den Dachorganisationen der Banken, der Finanzmarktaufsicht und der Schweizerischen Nationalbank ausgehandelt wurde. Definitiv wird der Bundesrat die Verordnung am kommenden Mittwoch verabschieden.
Die FinDel begrüsst die Bereitschaft aller Akteure, in dieser Notlage ein gemeinsames Lösungspaket zur finanziellen Stützung der Schweizer Wirtschaft, insbesondere der KMU, auszuarbeiten. In der Gesamtbeurteilung ist die FinDel der Auffassung, dass dem vorgesehenen Instrument der Solidarbürgschaft in der aktuellen Lage zuzustimmen sei, auch wenn sie in ihrem
Untersuchungsbericht vom 27. Juni 2019 über Solidarbürgschaften des Bundes für Schweizer Hochseeschiffe zum Schluss kam, das Instrument der Solidarbürgschaft sei in Zukunft nicht mehr einzusetzen (siehe Empfehlung 9).
Die FinDel prüfte auch andere Unterstützungsmöglichkeiten. Um den Liquiditätsbedarf bei den betroffenen Unternehmen schnell und unbürokratisch zu decken, erachtet sie in einem ersten Schritt vom Bund verbürgte Darlehen als das richtige Instrument. Aus Sicht der FinDel ist eine andere Situation als bei Bürgschaften für Hochseeschifffahrt. In der Schweiz ist die Hochseeschifffahrt ein sehr abgegrenzter Wirtschaftszweig. Heute geht es darum, der Wirtschaft rasch und unbürokratisch Liquidität zur Verfügung zu stellen und die grösstmögliche Anzahl an Arbeitsplätzen zu sichern. Die Finanzdelegation ist sich den finanziellen Risiken für den Bund durchaus bewusst. Sie begrüsst, dass die Banken einen Teil der Risiken bei verbürgten Darlehen zwischen 0,5 und 20 Millionen Franken mittragen und eine bankübliche Kreditprüfung vornehmen sollen. Zudem erwartet sie vom Bundesrat, dass dieser spätestens bei fehlenden Amortisationen seitens der Kreditnehmer genaue Prüfungen über ungerechtfertigte Kreditvergaben veranlasst und Missbrauch mit aller Härte verfolgt.
Ausserordentliche Situationen verlangen nach ausserordentlichen Lösungen. Seit dem zweiten Weltkrieg traf das offizielle Motto der Schweiz «Unus pro omnibus, omnes pro uno» noch nie so exakt wie auf die heutige Krise zu.
Weiteres Vorgehen auf parlamentarischer Ebene
Die FinDel hat am 23. März 2020 dringliche Kredite in der Höhe von 30,7 Milliarden Franken gemäss
Artikel 28 Absatz 1 und
Artikel 34 Absatz 1 Finanzhaushaltsgesetz (FHG, SR 611.0) für die Bewältigung der Corona-Krise bewilligt. Dabei handelt es sich um dringliche Kredite, bei denen nicht auf die ordentliche Bewilligung durch das Parlament gewartet werden kann, weil sonst ein finanzieller Schaden entstehen würde.
Artikel 28 Absatz 3 und
Artikel 34 Absatz 4 FHG sehen vor, dass die Einberufung der Bundesversammlung verlangt werden kann, wenn die Kredite 500 Millionen Franken überschreiten. Dieses Begehren muss innert einer Woche nach dem Beschluss der FinDel gestellt werden (bis am 30. März 2020). Wird das Begehren gestellt, so findet die ausserordentliche Situation in der dritten Kalenderwoche nach der Einreichung des Begehrens für die Einberufung der Session statt (Kalenderwoche 16). Gemäss
Artikel 2 Absatz 3 Parlamentsgesetz (ParlG, SR 171.10) braucht es für die Einberufung ein Viertel der Mitglieder eines Rates. Gemäss
Artikel 151 Absatz 2 Bundesverfassung kann auch der Bundesrat die Einberufung der Räte zu einer ausserordentlichen Session verlangen. Angesichts der hohen Summen der Kredite geht die FinDel davon aus, dass eine ausserordentliche Session stattfinden wird.
Nachdem die Finanzdelegation die vom Bundesrat beantragten Vorschüsse bewilligt hat, ist es nun an den Finanzkommissionen beider Räte, die Nachtragskredite zuhanden der Räte vorzuberaten. Die Präsidenten der Finanzkommissionen werden den Fahrplan der Vorberatungen in den kommenden Tagen festlegen.
In Bezug auf die Schuldenbremse und die zukünftige Budgetierung empfiehlt die FinDel den Finanzkommissionen, die Frage nach der Ausserordentlichkeit der getroffenen Massnahmen zu prüfen.
Gemäss Ziffer 7.4 der
Handlungsgrundsätze der Finanzdelegation ist ausschliesslich der Präsident der FinDel für die Kommunikation zuständig. Ausschliesslich für die Dauer der Medienkonferenz der FinDel vom 23. März 2020 sind die weiteren, anwesenden Mitglieder der FinDel befugt, Journalistenanfragen zu beantworten.