Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes
Unklare Unterscheidung zwischen Anhörung und Vernehmlassung, zu knappe Antwortfristen, fehlende Transparenz bei der Adressatenauswahl und der Verwertung der Stellungnahmen – diese Kritik am Konsultationsverfahren veranlasste die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), die Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes zu untersuchen. Die Kommission fordert in ihrem heute verabschiedeten Bericht den Bundesrat auf, das geltende Recht so zu ändern und zu präzisieren, dass die Effizienz und die Transparenz des Konsultationsverfahrens verbessert werden und dieses für die schweizerische Rechtsetzung zentrale Instrument gefestigt wird.

Aufgrund der wiederholten Kritik der betroffenen Kreise am Konsultationsverfahren beschlossen die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte im Januar 2010, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation der Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes zu beauftragen. Die GPK-N hat heute, gestützt auf die Ergebnisse des Evaluationsberichts der PVK vom 9. Juni 2011 und auf Antrag ihrer Subkommission EJPD/BK, einen entsprechenden Bericht mit ihren Schlussfolgerungen und Empfehlungen zuhanden des Bundesrates verabschiedet.

Die GPK-N stellt mit Genugtuung fest, dass die Evaluation in Bezug auf die Akzeptanz dieses Verfahrens keine grösseren Probleme zutage gebracht hat. Offenbar erachten sowohl die durchführenden Stellen innerhalb der Bundesverwaltung als auch die Adressaten eine Konsultation im Vernehmlassungs- oder Anhörungsverfahren im Grossen und Ganzen als sinnvoll und nützlich. Die Adressaten schätzen es, an der Entscheidungsfindung des Bundes teilhaben und ihr Fachwissen in den politischen Prozess einbringen zu können.

Allerdings hat die Evaluation der PVK aufgezeigt, dass das vom Gesetzgeber mit der Einführung des Vernehmlassungsgesetzes (VlG) im Jahr 2005 verfolgte Ziel nicht erreicht worden ist, nämlich, das Verfahren zu straffen und zu verwesentlichen, indem unterschieden wird zwischen Vernehmlassung, die der Bundesrat oder das Parlament bei wichtigen Vorhaben eröffnet, und Anhörung, einem vereinfachten Verfahren, das die Departemente oder die Bundeskanzlei bei Vorhaben von untergeordneter Tragweite von sich aus durchführen. In der Praxis ist diese Differenzierung nämlich weitgehend unbekannt oder ist in den Augen der Adressaten nicht relevant. Die GPK-N fordert deshalb den Bundesrat auf, zu prüfen, ob es zweckmässig ist, zwei Verfahrensarten beizubehalten.

Die Kommission hat zudem festgestellt, dass in verschiedenen Bereichen des Anhörungs- und Vernehmlassungsverfahrens Optimierungspotenzial besteht. Sie fordert deshalb den Bundesrat auf, die Rolle, die Aufgaben und die Kompetenzen der Bundeskanzlei hinsichtlich der Koordination der Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren klar zu definieren und auf diese Weise den Weg für eine einheitliche Konsultationspraxis in der Bundesverwaltung zu ebnen. Weiter fordert die GPK-N den Bundesrat auf, die Transparenz bei der Ergebniskommunikation zu verbessern, das konferenzielle Verfahren abzuschaffen und bei verkürzten Antwortfristen eine Begründungspflicht einzuführen.

Die GPK-N hat den Bundesrat ersucht, bis spätestens 29. Februar 2012 zu ihren Schlussfolgerungen und zur Evaluation der PVK Stellung zu nehmen sowie aufzuzeigen, wie er die Empfehlungen der Kommission umzusetzen gedenkt.

Die GPK-N hat anlässlich einer Informationsreise am 7. September 2011 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi in Genf getagt.

 

Bern, 7. September 2011  Parlamentsdienste